ICO
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Die HD-Umsetzung von
ICO kann sich sehen lassen: Weniger Kanten, kein Flimmern und statt 512 x 224 gibt es eine Auflösung bis zu 1080p!
2002 – Amoklauf von Erfurt, Euro-Einführung, Schröder noch Kanzler. Das ist alles verdammt lang her, verdammt weit weg. Als ich die Blu-ray ins Laufwerk schiebe, habe ich fast ein wenig Angst um den tapferen Jungen mit den Hörnern, der mich damals auf der PlayStation 2
mit 90% jubeln ließ. Kann er nach neun Jahren, nach all den technischen Fortschritten und Entwicklungen noch begeistern? Aber schon die erste Melodie sorgt für Gänsehaut, denn sie bringt in null Komma nichts die melancholische Stimmung von damals zurück. Und die Skepsis löst sich spätestens in Luft auf, als ich mit einem beherzten Sprung die bleiche Yorda aus ihrem Käfig befreie und mit der Fackel die schwarze Kreatur abwehre, die sie wegschleppen will. Eine Klettertour später pfeift der Wind durch die uralte Festung, irgendwo schreit ein Falke und die beiden setzen sich auf eine steinerne Couch, um zu speichern. Es ist still, idyllisch und schön.
Schon nach diesen ersten Schritten in die Spielvergangenheit wird klar: Das Polygon ist nichts, der Stil und mit ihm sowohl Artdesign als auch Musik sind alles. Die Technik ist relativ, der Künstler ist absolut. Und Fumito Uedas außergewöhnliches Kletter-, Rätsel- und Kampfspiel wirkt auf der PlayStation 3 nicht zeitlos genial, weil es jetzt weniger Ecken und Kanten zeigt, weil es in 1080p klarer aussieht denn je oder gar stereoskopisches 3D und 7.1 Surround-Sound anbietet. Nein, es besticht immer noch mit seiner Philosophie der Schlichtheit und Reduktion, mit seiner Konzentration auf das Wesentliche. Ohne großes Gegner-, Waffen- und Effektgerassel hat Ueda-san ein Spielerlebnis für Genießer geschaffen, das auch heute noch einen innovativen Kontrapunkt zum actiongeladenen Alltag setzt. Wer ICO nicht kennt, hat ein wertvolles Stück Videospielgeschichte verpasst.
Shadow oft he Colossus
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Auch
Shadow of the Colossus überzeugt in technisch ansehnlicher Version - klarere Farben, höhere Auflösung, kein Flimmern.
Und dieser begnadete Spieldesigner hat sich nur vier Jahre später nochmal übertroffen. Denn was ICO inhaltlich und stilistisch andeutete, wurde von Shadow of the Colossus (
Wertung: 92%) im wahrsten Sinne des Wortes auf eine neue Ebene gebracht. Begleitet von nahezu identischen Lichtspielen sowie ähnlicher Monumentalität und Melancholie, ging es für einen verzweifelten Helden im Jahr 2006 auf dem Pferderücken in eine weite Landschaft, in der sich mächtige Kreaturen verbargen. Warum? Weil er im Austausch gegen ihren Tod das Leben für seine Liebe von den Göttern forderte. Ohne viel Geschwafel oder Dialoge wurde hier mit wenigen Strichen ein tragisches Epos skizziert.
Alles andere war weniger Andeutung als brachiales Erdbeben: Diese schwimmenden, fliegenden, stampfenden oder galoppierenden Kolosse beeindruckten nicht nur aufgrund ihrer skurrilen Form oder schieren Größe, sondern weil man sie auch noch wie Level im Level erklettern und schließlich in mehreren haarsträubend gefährlichen Etappen erlegen konnte. So entstand eine konzentrierte Spannung und Bildgewalt, die es in dieser Form noch nicht auf der PlayStation 2 gab. Obwohl nicht viel erzählt wird, weht die ganze Zeit über ein epischer Wind, ein einzigartiger Rhythmus zwischen Ruhe und Sturm, der in einem der besten Enden, die ich je erlebt habe, noch mal tragisch aufheult. Damals haben sich einige über technische Schwächen wie Kantenflimmern oder Performanceprobleme beschwert, die mit dieser hervorragenden HD-Version passé sind: Das Abenteuer sieht schärfer aus, ist bis zu 1080p (allerdings hoch skaliert) aufgelöst und läuft flüssig in konstanten 30fps.
Ausblick
Wie gut diese beiden zeitlos genialen Klassiker gealtert sind! Natürlich liegt das auch ein wenig an der vorbildlichen HD-Umsetzung, die beide Spiele schärfer, schöner und flüssiger macht. Aber die Magie steckt nach wie vor im außergewöhnlichen Design dieser Geschwister im Geiste: Sie haben das Action-Adventure auf eine neue stilistische Ebene und der PlayStation 2 sehr viel Ehre gebracht. Fumito Ueda ist einer dieser stillen Künstler, die mit wenigen Strichen, aber ungeheuer kreativen Ideen ganze Welten errichten. Seine Spiele fühlen sich in ihrem Rhythmus ganz anders an als das, was sonst durch die Videospielwelt kracht und poltert. Es ist ihre meisterhafte Reduktion auf das Wesentliche, auf das Licht, die Stimmung, den Augenblick. Aber das ist alles andere als Zen-Gaming für meditative Entspannung, denn im richtigen Augenblick brüllt das Abenteuer auf und verwandelt die idyllische Ruhe in tückische Gefahr wie in ICO oder in einen tosenden Sturm wie in Shadow of the Colossus. Dieser Nachruhm wird im Gegensatz zu den Verkaufszahlen ewig bestehen. Beiden würde ich auch heute Platin verleihen.
Einschätzung: ausgezeichnet