Alles schon mal gesehen?
Man muss kein Kind der 90er sein, um auf den ersten Blick zu erkennen, dass Kaze and the Wild Masks die goldene Hüpfspiel-Ära der 16-Bit-Zeit beschwört. Damals, als große Disney-Lizenzspiele automatisch zu farbenfrohen Hüpf-Abenteuern wurden, als antropomorphe Tierhelden noch guten Gewissens die Spiel- und Magazin-Cover füllten und als man sich darüber stritt, ob das SNES oder der Mega Drive die coolere Konsole waren. Titelheldin Kaze ist eine mutige Kaninchendame, die fünf Welten der Kristallinsel durchqueren muss, um einen verfluchten Freund zu retten. Wähnt man sich zu Spielbeginn aufgrund der flotten Animationen und der Hintergründe mit Karo-Muster noch in einer Sonic-Hommage, erkennen Hüpf-Profis bald, dass eine andere, spielerisch noch bessere Serie Pate stand für Kaze and the Wild Masks:
Donkey Kong Country. Egal ob flotte Rolle nach einem Hopser auf gegnerische Köpfe, Passagen mit Abschuss-Vorrichtungen für die eigene Spielfigur oder die Abschnitte in anderen Tierformen - all das machten schon Rares späte SNES-Hits (und natürlich auch die modernen DKC-Teile) zu exzellenten Plattformern.
Keine Macht den Auberginen: Fast alle Feinde des Spiels kann man auch in der Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarkts finden.
Kaze kann nicht viel, macht aber einiges daraus: Sie läuft, haut im Stehen oder Rennen zu, kann mit einem Ohren-Propeller durch die Luft gleiten und auf den Boden stampfen. Mit diesem überschaubaren Repertoire, aber einer verdammt flotten und genauen Steuerung saust man von einer Jump’n’Run-Plattitüde zur nächsten. Klingt langweilig, ist es aber nicht. Denn Kazes Debüt überzeugt mit stark designten Stages, vielen Tempowechseln und eine klasse Lernkurve. Nur nach den ersten zwei Leveln dachte ich, dass ich hier einen biederen Aufguss klassischer Hüpfspiel-Kost vor mir habe - doch schon am Ende der ersten Welt war meine Lust geweckt. In jedem Level gibt es Kniffe, die Abwechslung garantieren und dafür sorgen, dass man kaum einen Abschnitt im ersten Anlauf meistert. Man rutscht an Seilen herab, hat mit dem Wind zu kämpfen, flitzt über zerbröselnde Plattformen, nutzt Katapult-ähnliche Vorrichtungen, bekommt Auftrieb durch warme Luft oder schlittert über eisigen Untergrund. Und ja, nichts davon stellt eine zündende eigene Idee dar - doch sind die geborgten Komponenten so lustvoll aufbereitet, dass man nach jedem Level sofort Bock auf das nächste hat.
Katze, Vogel, Echse & Fisch
Kaze and the Wild Masks ist kein Pixel-Meisterwerk für die Ewigkeit - aber ein charmantes
2D-Spiel, das jederzeit perfekt flüssig läuft.
Obendrein gibt es immer wieder Punkte, an denen sich Kaze mithilfe einer Maske verwandelt. Dies funktioniert nicht nach Metroidvania-Manier, wo neue Fähigkeiten helfen, bereits besuchte Bereiche besser zu erforschen. Sondern es betrifft - ähnlichen wie bei den Reittieren in
Donkey Kong Country oder den Verwandlungen in
Kirby und das magische Garn dann nur den jeweiligen, linearen Levelteil. Als Hai zischt Kaze elegant durchs Wasser und rammt Gegner ins Jenseits, als Adlerdame umflattert sie Feindformationen, als sprintende Echse beherscht sie einen Doppelsprung und als Tiger kann sie glatt die Wand hochgehen. Auf dem höheren der beiden Schwierigkeitsgrade (die man im Nachhinein nicht ändern kann) brauchen auch versierte Hüpfspieler spätestens ab der dritten Welt einige Versuche, um das nächste Level zu schaffen. In puncto Motivation und Schwierigkeit finde ich das gelungene
Toki-Remake übrigens einen sehr ähnlichen Titel. Farbenfrohe Bossgegner warten stets im letzten Abschnitt einer Welt auf Kaze - die Levelwächter habe einige fiese Attacken drauf, die das Auswendig-Lernen zur Pflichtaufgabe machen.
In ihrer Vogelform kann sich Kaze durch den Flügelschlag in der Luft halten - diese Abschnitte erinnern etwas an Owlboy.
Kaze kann in jeder Stage drei optionale Zusatzaufgaben meistern, die dann in der Übersicht als ganz geschafft markiert werden (und ein paar halbgare Artworks mit Story freischalten): Sie sammelt - exakt wie ihr affiges Vorbild - die vier Buchstaben ihres Namens, die stets an etwas kniffligen Orten auf sie warten. Dazu gilt es, mindesten 100 lila Splitter aufzulesen, die im Gegensatz zu Sonics Ringen aber keine Lebensversicherung darstellen. Kaze braucht die auch nicht, weil ihr genereller Lebensvorrat unendlich ist. Pro Stage gibt es meist einen Checkpoint, dazu kann die Hasenartige ein Herz aufsammeln und sich so gegen einen feindlichen Treffer wappnen. Auf der leichteren Stufe gibt es etwas mehr Checkpoints und einen zweiten Herz-Schutzschild. Ach ja, fast vergessen - die dritte Zusatzaufgabe sind zwei Bonus-Räume pro Level: Die Zugänge dazu sind vielfach clever versteckt und die Aufgaben dort beschränken sich meist aufs Splitter-Einsammeln oder Besiegen einer bestimmten Gegnerzahl. Während meines ersten Durchlaufs fand ich das Abklappern der Zusatzziele nicht sonderlich motivierend - ob ein bestimmtes Juwel bei der Level-Abrechnung leuchtet oder nicht, war es mir dann doch nicht wert, ein paar zusätzliche Tode zu riskieren, um das K, das A, das Z und auch noch das E aufzulesen.