Ein neues Erlebnis
Ich weiß es noch ganz genau, als die Import-Version von Metal Gear Solid im CD-Schacht meiner PlayStation landete. Und wenn ich die ersten Klänge bei der Einblendung des Konami-Logos höre, ist das der Anfang der Gänsehaut-Momente, die mich heute wie damals durch das Spiel begleiten. Dabei war meine erste Begegnung mit Solid Snake eigentlich zunächst von Frust geprägt: In einer Zeit, in der man sich vornehmlich mit Waffengewalt durchballerte, wurde ich nach dem filmreif inszenierten Intro mit seinen großartigen Sprechern plötzlich mit der Aufgabe konfrontiert, mich unbewaffnet an genetisch modifizierten Super-Soldaten vorbeizuschleichen, um am Ende der gut bewachten Halle den Aufzug zu erreichen.
Ich brauchte gefühlt unzählige Versuche. Wer konnte auch damals damit rechnen, dass eine KI mit so guten Sinnesfähigkeiten ausgestattet sein könnte? Mein ungestümes Trampeln durch Pfützen landete umgehend in den Ohrmuscheln der Bewacher und schon der kleinste Sichtkontakt löste Alarm aus. Alleine und unbewaffnet gegen dieser Übermacht? Keine Chance! Und so lernte ich die Kunst des Schleichens eben auf die harte Tour: Ich studierte die Patrouillenwege meiner Gegner, kroch vorsichtig von einem Versteck zum nächsten oder lockte sie gezielt mit Klopfgeräuschen auf die falsche Fährte. Irgendwann wurde ich sogar so mutig und schlich mich mit steigendem Puls von hinten an sie heran, um sie erst in den Schwitzkasten zu nehmen und anschließend mit einem dramatischen Knopfgehämmer ohnmächtig zu würgen. Was war das für ein großartiges Erfolgserlebnis, als ich zum ersten Mal
Metal...Gear?
diesen verdammten Aufzug erreichte, ohne einen Alarm auszulösen! Und das war erst der Anfang dieser grandiosen Infiltration, die für mich spielerisch völlig neue Akzente setzte und so viele denkwürdige Momente bot, wie kaum ein anderes Spiel zuvor oder danach.
So viele Möglichkeiten
Wir loben derzeit The Phantom Pain für die enorme spielerische Freiheit, welche die offen gestalteten Areale in Kombination mit der riesigen Auswahl an Gadgets und Waffen bietet. Doch diese Ansätze erkannte man bereits in dem PlayStation-Klassiker aus dem Jahr 1998: So gab es z.B. mehrere Möglichkeiten und Wege, von dem verschneiten Hubschrauberlandeplatz ins Innere der Basis zu gelangen. Oder man denke an die Laser-Barrieren, die entweder durch ein Nachtsichtgerät oder aber Snakes Zigarettenrauch sichtbar wurden. Oft gab es mehr als nur eine Lösung für ein Problem und vor allem das Equipment regte immer wieder zum Experimentieren an. Man denke z.B. an das kreative Entkommen aus der Gefängniszelle, diverse Ablenkungsmanöver oder den kultigen Pappkarton, mit dem man auf der Ladefläche von Trucks auch schnell zu anderen Bereichen der Basis reisen konnte – wenn man auf die Idee kam. Und wie immer lag es allein in der Hand des Spielers, ob er mit Betäubungspistole und Verstecken lieber den unauffälligen Weg wählte oder nach Rambo-Manier das Waffenarsenal sprechen ließ, auch wenn letztere Methode damals deutlich weniger Aussicht auf Erfolg hatte, als es bei den aktuelleren Teilen der Fall ist.
Die Konfrontation gegen Psycho Mantis zählt ohne Zweifel zu den denkwürdigsten, kreativsten Bosskämäpfe aller Zeiten!
Außerdem bot Metal Gear Solid einen enorm abwechslungsreichen Spielablauf sowie einige Überraschungen, die ich bei The Phantom Pain trotz all seiner Freiheiten etwas vermisse: Wie cool war es damals, die Wände nach brüchigen Stellen abzuklopfen, um dort das C4 zu platzieren? Oder die Folterszene mit Ocelot, in der man mit panischem Knopfdrücken um sein Leben (und das von Meryl) kämpfen musste? Nicht zu vergessen die rasante Fluchtsequenz im Jeep oder der Moment, in dem man mit getarnten Attentätern in einem Aufzug eingesperrt war oder die uniformierte Meryl anhand ihrer Bewegungen identifizieren musste. Dann das Soliton Radar System, das in manchen Bereichen oder beim Alarm nicht funktionierte. Metal Gear Solid ist und war einfach ein Sammelbecken voller grandioser Ideen!