Lobenswerter Versuch
Wer klassische Echtzeit-Strategiespiele mit vielen Truppentypen liebt, kommt nicht um einen PC herum: Erstens ist das Angebot traditionell groß, zweitens garantieren Maus und Tastatur eine präzise Steuerung. Diese ermöglicht wiederum feine Manöver. Und auf Konsolen? Das Angebot ist mager, das Gamepad scheinbar nicht geeignet für Caesars Erben. Umso lobenswerter ist es, dass EA die zweite Schlacht um Mittelerde auch auf der Xbox 360 mit allen Finessen austragen will. Immerhin ist es das erste Strategiespiel auf der Microsoft-Konsole und das Original konnte auf dem PC
gute 80% einheimsen.
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Mittelerde bebt: Alles, was Rang, Waffen und Namen hat wird auf das Schlachtfeld geschickt. |
Aber die Historie des Genres mahnt zur Skepsis: Der Versuch, die Faszination von
Age of Empires II auf die PlayStation 2 zu übertragen, scheiterte schon 1999 - die Maus war einfach nicht zu ersetzen. Danach traute man sich lange Zeit nicht aufs Schlachtfeld; gelungene Echtzeiterlebnisse gingen entweder exotische Wege wie die bunten
Pikmins oder konzentrierten sich auf den Kampf in kleinen Gruppen wie der
Goblin Commander . Erst die Koreaner von Phantagram überzeugten im Oktober 2004 mit
Kingdom under Fire: The Crusaders : Gute Steuerung, 30 Truppentypen, Pfeilhagel und Sturmattacke - auf der Xbox konnte man endlich Feldherr spielen! Trotzdem blieben auch hier zwei Kritikpunkte: Hektik im Gefecht, fehlende taktische Tiefe.
Unterschiede zur PC-Fassung
Teilt
Der Herr der Ringe: Die Schlacht um Mittelerde II (HdR:SuM2) diese Nachteile? Und wie ersetzt man das freie Befehlsgefühl der Maus? Das sind die Fragen, die dieser Test beantworten will. Da sich inhaltlich und erzählerisch nichts getan hat, verweise ich alle Interessierten an einer Analyse des mäßigen Gegnerverhaltens, der Wegfindung sowie der Story mit ihrer guten und bösen Kampagne auf
den PC-Test.
Konsoleros müssen allerdings auf drei Dinge verzichten: Erstens auf die schon auf dem PC sinnlose Planungsphase. Zweitens auf den Heldenbaukasten, mit dem man sich einen Kämpfer nach Maß schneidern konnte - den vermisst man nicht, zumal man im Laufe des Ringkriegs immer mehr
vorgefertigte Helden freischaltet. Drittens auf den dynamischen Risikomodus, der euch als Feldherr am PC frei auf der Karte von Mittelerde bauen und ziehen ließ. Den vermisst man schon eher. Er war zwar nicht ganz ausgereift, aber es ist schade, dass diese im Ansatz interessante Welteroberung nicht für die Xbox 360 verbessert wurde.
Ansonsten kann man die lange Liste der wesentlichen Pro- und Kontrapunkte fast übernehmen: Der großartige Soundtrack, das klasse Figurendesign, die guten deutschen Sprecher stehen den inhaltlichen Mängeln gegenüber. Denn bei dieser Umsetzung hat man leider weder an der KI noch an der Dramaturgie gefeilt - beides bleibt genau so durchwachsen wie auf dem PC. In der Kampagne sorgen eiserne Skripte z.B. für blinde Feinde, die einfach an euch vorbei laufen oder sich aus der Distanz abschlachten lassen. Das große Thema glaubwürdiger Emotionen, das EA im ersten Teil endlich auf das Schlachtfeld
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Obwohl man es hier nicht erkennt: Die groben Schattenbildungen sind der Xbox 360 nicht würdig. |
gebracht hat, stagniert: Jubel, Gebrüll, Schildgerappel? Ja. Nachvollziehbare Angst oder Sturmattacken beim Eintreffen des Helden? Nein. Trotzdem bietet dieses Spiel emotional noch deutlich mehr als fast alle anderen Konkurrenten. Und wo man in der Kampagne von der Dummheit der KI profitiert, wird man im Gefecht gegen bis zu drei Computergegner auf der mittleren Schwierigkeitsstufe deutlich gefordert.
Maus kontra Gamepad
Das Team von EA hat sich voll und ganz auf die Kulisse und die Steuerung konzentriert. Und es ließ mich aufatmen, dass man die Truppenverwaltung nicht zugunsten des Komforts kastriert hat. Nach all den Kürzungen in anderen 360-Spielen war das EA durchaus zuzutrauen. Aber nicht hier: Alle Manöver des Originals sind enthalten - sehr gut! Trotz dieser lobenswerten Philosophie ist das Spielgefühl zunächst ein anderes, braucht man etwas länger, um sich einzuspielen. HdR:SuM2 verströmt einfach aus allen Poren seine PC-Herkunft.
Sobald man sein Auswahlsymbol mit dem linken Analogstick über die Ebene von Gondor bewegt, wird der Unterschied zur Maus schon deutlich - es ist einfach weniger punktgenau und präzise, das Icon springt ab und zu, statt sanft über den Boden zu gleiten. Aber wer sich Mühe gibt, die guten Tutorials studiert und den Stick sanft bedient, wird seine Truppen und Gebäude mit der Zeit immer schneller finden und mit der A-Taste markieren können. Danach öffnen sich über einen Druck auf die rechte Schultertaste alle Befehlsoptionen.