Entspannte Kulisse, fordernde Rätsel
Lasst euch vom Einstieg mit seinen entspannten Klängen, wegweisenden Lichtern und sich stets öffnenden Toren nicht täuschen:
The Sojourn wirkt zwar auf den ersten Blick wie ein esoterisch angehauchter Wandersimulator, aber spätestens nach einer halben Stunde wird man in Egosicht auf die anspruchsvolle Substanz treffen. Denn hinter der freundlichen pastellfarbenen Kulisse verbergen sich knallharte Logikrätsel.
Trotz der pastellfarbenen Kulisse hat man es mit anspruchsvollen Rätseln zu tun...
Zwar gibt es auch eine Story, aber die sorgt lediglich für einen symbolischen Rahmen und erreicht weder die hintergründig verkopfte Philosophie eines
The Witness noch die emotionale Tiefe moderner Erzähl-Adventure im Stile eines
What Remains of Edith Finch. Man ahnt angesichts der Statuen einer Familie oder Kapitelnamen wie "Geburt" oder "Erstes Licht" zwar schon früh, dass sich da auf dem Weg zum Erwachsenen etwas weniger Fröhliches zusammen braut, aber die Verbindung zwischen Storytelling und Spielmechanik ist eher lose. Im Vordergrund steht hier die Kopfarbeit - und zwar bis er qualmt.
Zwischen Licht und Dunkel
Dabei setzen die Entwickler auf das Wechselspiel von Licht und Dunkel: In der hellen Realität sieht man z.B. einen Abgrund, aber sobald man über Energiequellen in die dunkle Parallelwelt wechselt, existiert dort vielleicht eine Brücke. Der Clou beim Wechsel: Er hält nicht ewig an. Ein Energiebalken zeigt an, wie lange man in der Dunkelheit verbringen kann. Man kann sich alles in Ruhe anschauen, wenn man auf der Stelle steht. Aber sobald man sich bewegt, nimmt der Balken ab. Schafft man es also über die Brücke?
Wie kommt man über den Einsatz von Teleports sowie den Wechsel in die dunkle Parallelwelt durch die Tore?
Für Routengrübelei sorgen die Teleporter-Statuen und Tore: Wenn man Erstere in der dunklen Welt sehen kann, darf man auf Knopfdruck den Platz mit ihnen wechseln. Der Vorteil ist natürlich, dass dabei der Balken nicht abnimmt und man quasi Abkürzungen für den Weg von A nach B schaffen kann. Der kann allerdings auch durch Letztere versperrt sein, die man wiederum nur öffnen kann, wenn man die Statuen in Kapseln teleportiert, die wie Schlüssel mit ihnen verbunden sind. Aber sobald man sie woanders platziert, ist das Tor wieder versperrt...
Recht früh kommen fest positionierte Harfen hinzu, die z.B. zerbrochene Brücken in der dunklen Welt wieder herstellen, so lange ihre Musik erklingt. Schon die Kombination dieser Elemente, also der Wechsel ins Dunkel über Energiequellen, der Zeitverlust bei Bewegung, die Nutzung von Teleportern, das Öffnen von Toren über bestückte Kapseln sowie die zeitbegrenzte Reparatur durch Musik sorgen nach einigen lockeren Übungen erst für angenehmen Anspruch und dann für Gehirnverzwirbelungen und viele Versuche; eine optionale Hilfe gibt es nicht.
Die über die Unreal Engine inszenierte Kulisse ist ansehnlich.
Leider wiederholen sich einige Elemente über die vier Kapitel viel zu häufig, die erzählerischen Anspielungen lassen einen aufgrund fehlender Identifikationen kalt und die Langeweile schleicht sich ein, zumal es nur ein Spazieren, aber kein Sprinten gibt. Da hilft es auch nicht, dass man auf dem Weg zum Ziel visuell und akustisch entspannt wird: Die über die Unreal Engine inszenierten surrealen Landschaften und Räume können sich zwar sehen lassen und über Licht, Architektur sowie Interieur in den vier Gebieten jeweils frische Akzente setzen, aber nur stellenweise entsteht so etwas wie Myst-Flair in einer weitgehend steril wirkenden Welt - das technisch imposante Niveau eines
Journey erreicht man nicht. Es gibt übrigens keine akrobatischen oder gar Jump&Run-Einlagen, aber man kann hüpfen und auch in Abgründe stürzen.