Schuften gegen Schulden
Ich weiß, das kommt ein bisschen plötzlich - und das tut mir wirklich sehr leid. Allerdings habe ich fast eine Milliarde an Schulden auf dem Buckel und mit dem Verschrotten von Raumschiffen verdient man im Gegensatz zum monatlichen Redakteursgehalt gar nicht schlecht. Man zahlt zwar vor jeder Schicht Gebühren für das Leihen des Raumanzugs und der Werkzeuge an die LYNX Corporation und die wollen sogar für das Nachfüllen von Sauerstoff und Reparaturen Credits sehen. Dafür zahlen sie für korrekt getrennte Materialien, recycelte Hardware und eingeschmolzene Rohstoffe aber auch richtig Kohle.
Das ist alles viel einfacher, als ich mir das vorgestellt hatte. Man schweißt mit einer Art Laser Verbindungsstücke auf und schon löst sich die Hülle vom Rumpf. Mit einem Greifarm, der wie ein futuristisches Elektro-Lasso aussieht, ziehen wir die Platten dann vom Schiff weg und in die dafür vorgesehene Weiterverarbeitungsanlage. Wobei sich größere Platten nur vom Fleck bewegen, wenn man sie mit „Elektro-Seilen“ dort festmacht, wo sie hin sollen. Wenn man sich dabei an so einem Teil festhält, rauscht man wie auf einem schwerelosen Surfboard durchs All - was genauso sinnlos wie ausgesprochen cool ist.
LYNX vergibt zum Glück bessere Lizenzen, sobald man bestimmte Quoten erfüllt hat, sodass man später nicht nur kleine „Taxis“ zerlegt, sondern auch größere Transporter und Containerschiffe. Außerdem konnte ich schon ein paar der Werkzeuge und Ausrüstungsteile kaufen, die ich anfangs mieten musste. Das lässt den riesigen Schuldenberg zumindest ein kleines Stück schneller schrumpfen. Manchmal finden wir sogar zurückgelassene Sauerstoffflaschen in den Kabinen, mit denen wir kostenlos unseren Vorrat auffüllen. Ach, und es gibt auch eine Menge Logbucheinträge in den Wracks – sentimentale Privatnachrichten meistens. Aber wie ich gehört habe, sollen irgendwo ein paar sehr interessante Dinge passiert sein...
Reaktionsketten
Im schwerelosen Orbit Raumschiffe verschrotten: cooles Handwerk als Videospiel.
Überhaupt: Man kann mächtig kreativ sein, was das Auseinandernehmen der Schiffe angeht. Die werden natürlich immer komplexer, weshalb man bei manchen erst herausfinden muss, in welcher Reihenfolge man welche Teile entfernen oder deaktivieren muss. Falls du Triebwerke aus der Verankerung reißt, ohne die Treibstoffzufuhr zu unterbrechen, fliegt dir nämlich mit Sicherheit das gesamte Heck in die Luft. Wenn du merkst, dass du da einen Fehler gemacht hast, kannst du nur schnell genug Distanz gewinnen, um nicht kurz darauf in einem neuen Klon aufzuwachen. Denn die kosten natürlich auch Kohle.
Schneidet man eine Kabine auf, während die noch voller Sauerstoff ist, kommt einem außerdem das Inventar druckvoll entgegen geflogen. Und wenn man nicht aufpasst, bekommt man von elektrisch geladenen Terminals eine gewischt. Oder der Raumanzug fängt Feuer. Spätestens mit dem Reaktor sollte man aufpassen, denn der ist besonders empfindlich und muss nach dem Lösen aus der Verankerung schnell abgeliefert werden, um nicht zu überhitzen.
Hoppla! Überhitzt der Reaktor, muss man schnell sein, um ihn zu retten. Gelingt das nicht, explodiert ein Großteil des Wracks.
Im Weltall gelten eben eigene Regeln, das betrifft auch das schwerelose Schweben in alle Richtungen. Hat man den Dreh aber raus, macht das Verschrotten gewaltig Laune. Mit Erfahrung und ein bisschen Experimentieren findet man dann Wege, um bestimmte Teile besonders schnell oder besonders sauber oder besonders cool herauszulösen. Sprich, wenn man das Handwerk einmal beherrscht und ihm quasi seinen eigenen Stempel aufdrückt, fühlt man sich wie ein Meister seines Fachs. Das macht hier wirklich viel aus.
Ein Blick in die Zukunft?
Auf Dauer gleicht sich das Auseinandernehmen der gar nicht so verschiedenen Schiffe natürlich sehr, obwohl die alle etwas anders zusammengesetzt sind. Man kann zwar so arbeiten, dass man für jeden Auftrag nur ein paar Minuten zur Verfügung hat, ich genieße aber lieber das Zen-artige Zerlegen ohne Countdown. Nur ab und zu hätte ich gerne die Möglichkeit, auch mal einen Vertrag mit Zeitdruck anzunehmen, aber vielleicht kommt das ja noch. Mehr Schiffstypen wird es ohnehin geben, neue Werkzeuge ebenso und einiges mehr – das meint LYNX wohl mit Early Access.
Ich hoffe außerdem, dass sie noch an der Performance drehen. Wenn man nicht gerade einen High-Tech-Prozessor im Helm hat, stellt der den Hangar und vor allem das Innere der Raumschiffe nämlich nicht gerade flüssig dar. Schön wäre auch, wenn wir uns irgendwann um Schiffe kümmern müssten, die schon bei ihrer Ankunft bestimmte Defekte aufweisen und in denen deshalb Gefahren lauern, die es sonst nicht gibt. Sogar verunglückte Frachter, in denen man miteinander verschmolzene Metalle auf andere Weise trennen muss als im Normalfall, könnte ich mir vorstellen. Und wenn es dann noch Radiostationen gäbe, zwischen denen man wechseln könnte...