Ab ins Reich der Mitte
Es gibt nicht viele, in unseren Breitengraden prominente Videospiele, die auf ein Szenario im antiken oder modernen China setzen. Einen großen eigenen Titel inszeniert Ubisoft dort zwar auch nicht, aber immerhin tauscht „Mythen aus dem Reich des Ostens“, der zweite DLC zu
Immortals Fenyx Rising, die griechische Sagenwelt des Hauptspiels durch einen Schauplatz, der an die chinesische Mythologie angelehnt ist. Produziert wurde das Add-on passenderweise in Ubisofts Dependance in der zentralchinesischen Metropole Chengdu, das übrigens auch die Welthauptstadt der Pandas ist...
Ku trifft Gonggong: Der Held der Erweiterung (links im Bild) bekommt es mit dieser launischen Sagengestalt zu tun.
Held der Erweitwerung ist der junge Krieger Ku, der wie Fenyx im Hauptspiel damit konfrontiert wird, dass er der einzig lebende Mensch zwischen vielen Versteinerten ist. Und erneut gibt es einen unzugänglichen Berg, auf dessen Spitze das Unheil thront - diesmal ist es ein von Blitzen und wilden Wolken eingerahmter Riss, der das Schicksal der Welt bedroht. Ku wird rasch vom Niemand zum Helden, trifft die Göttin Nüwa, hilft einem legendären Krieger und mausert sich sogar zum Drachenretter. Leider hat die Geschichte ein paar Probleme: Ubisoft Chengdu zeigt und erklärt viel zu wenig, oftmals wirken die Zwischensequenzen wie abgewürgt und man fragt sich, ob man gerade etwas verpasst hat. Der Humor ist ähnlich albern, aber leider merklich schwächer als im Hauptspiel. Und bei mir wollte der mythologische Hintergrund nicht recht zünden, was vielleicht auch der Tatsache geschuldet ist, dass ich als Westeuropäer mit der griechischen Sagenwelt einfach viel mehr verbinde. Die Fantasiewelt des DLCs hat wenig Charakterköpfe, kaum einprägsame Monsterfeinde und auch die Gespräche der Figuren gehen mythologisch nicht in die Tiefe.
Alles neu?
Buchstäblich sagenhaft: Auch die Erweiterung bietet eine traumhafte Spielwelt, die man als Videospieler unbedingt erkunden möchte. Dieses Bild stammt aus dem Fotomodus des Spiels.
Bevor sich das Folgende nach einer Generalabrechnung mit dieser Erweiterung anhört:
Immortals Fenyx Rising hatte fast alles richtig gemacht - eine riesige, prachtvolle Spielwelt voller cooler Kämpfe, schlauer Rätsel oder strahlender Panoramen entführte erkundungswillige Videospieler in ein stets lockerleichtes Abenteuer. Das versucht zwar auch dieser DLC, doch beinahe alles wirkt wie ein immer noch gutes, aber doch merklich schwächeres Abbild: Es gibt weniger Waffen, weniger Outfits, weniger Reittiere und sogar weniger Spezialattacken in den Kämpfen. Und sobald unser neuer Held einen Feuervogel zur Seite gestellt bekommt und die Flugschwingen ausklappen kann, mutet er ganz einfach an wie eine Fenyx-Kopie. Ich habe zwar nicht erwartet, dass die komplette Spielmechanik umgekrempelt wird - aber wenn man schon einen DLC mit anderem Setting und frischen Helden macht, dann doch bitte etwas konsequenter!
Ein paar große Brocken bitten Ku zum Tanz - dieses Duell dauert überraschend lange.
An der Spielwelt selbst liegt das aber nicht: Die sieht erneut sehr hübsch aus und bietet eine Vielzahl von Schatztruhen, Scharmützeln, Geschicklichkeitsprüfungen und Kopfnüssen. Der Schauplatz ist zwar deutlich kleiner als das Areal des Hauptspiels, aber dennoch so weitläufig, dass man darin etliche schöne Paläste, zerstörte Landschaften oder einen wirklich riesigen Baum platzieren kann. Die Tartaros-Dungeons (also die Rätselkammern) wurde durch ähnlich aufgebaute Levels ersetzt, die man nun durch das Betreten von Portalen erreicht: Dort gibt es wieder fordernde Physik-Spielereien, Flug-Kurse und Denkaufgaben - hier konnte Ubisoft Chengdu beinahe das hohe Niveau des Hauptspiels halten. Auch in der offenen Spielwelt sind die kleinen Aufgaben, rund um Schatztruhen oder Münzen für die Charakterverbesserung, kurzweilig und doch anspruchsvoll: Die Sternbild-Aufgaben, wo man Kugeln sammeln musste, blieben erhalten, setzen jetzt aber noch häufiger auf kleine Wind-Umlenk-Tricks. Die Bilder-Schieberätsel ersetzte Ubisoft Chengdu durch eine neue Mechanik, dazu gesellen sich Sprungprüfungen und Flug-Parcours, die aber nicht ganz so spaßig sind wie Odysseus Pfeil-Herausforderungen. Trotzdem: Der lockere Mix aus Herumfliegen, Anhalten, Kämpfen und Knobeln ist nach wie vor die große Stärke des Titels!
In diesen abgeschlossenen Rätsel-und Geschicklichkeitswelten kann Ku auf einer Wolke reiten. Wen erinnert das noch an Son Goku?
Die sehr kurze Geschichte des DLCs können flinke Spieler in drei Stunden abarbeiten, wer sich Zeit für etliche Nebenaufgaben nimmt und auch die Charakterverbesserung vorantreibt, dürfte wohl acht bis zehn Stunden lang die Geschicke von Ku lenken. Auf mehr Spielzeit kommt man nur, wenn man auch wirklich alle Schatztruhen heben und Mini-Missionen schaffen will. Das auf Stunden heruntergebrochene Preis-Leistungs-Verhältnis liegt demnach knapp unter dem Niveau des Hauptspiels - auf humoristische Auslassungen göttlicher Kommentatoren müsst ihr dabei aber ebenso verzichten wie auf ausgefeilte Questreihen der Götter oder optionale Tages-Challenges. Mythen aus dem Reich des Ostens ist dabei, wie schon der Vorgänger
Ein Neuer Gott ganz simpel vom Hauptmenü aus anwählbar; die Erweiterung kostet einzeln 14,99 Euro und ist natürlich Teil des Season Pass.