Auf Stagnationskurs?
Egal ob FIFA, NBA 2K, WRC oder Moto GP: Jährlich erscheinende Spielereihen vermitteln vor allem im (Motor-)Sportbereich häufig den Eindruck, nichts weiter als überteuerte Lizenz-Updates zu sein, die mit etwas Glück neben altbekannten Inhalten auch ein paar mechanische oder technische Detailverbesserungen bieten. Bei F1 2021 kennt man viele Modi, Einstellungen, Features und Abläufe ebenfalls schon aus den Vorjahren. Dazu gehören u.a. die vorgefertigten oder individuell anpassbaren Wagen-Setups, das dynamische Wettersystem, die freie Gestaltung von Rennwochenenden und eigenen Meisterschaftskalendern sowie das Sicherheitsnetz in Form einer Rückspulfunktion. Mit dabei sind außerdem wieder Reifenverschleiß, Benzinverbrauch sowie die nicht immer nachvollziehbaren Inkosequenzen bei Strafsystem und dem leicht verbesserten Schadensmodell – sofern man diese meist mehrfach abgestufen Funktionen in den Optionen aktiviert. Dort findet man auch die üblichen Fahrhilfen, die vom ABS über die Traktionskontrolle bis hin zum automatischen DRS- und ERS-Management reichen. Zusammen mit 110 verfügbaren KI-Stufen sollten damit selbst blutige Anfänger in der Lage sein, die etwa 1000 PS starken Flitzer auf den lizenzierten Pisten zu halten und um Siege mitzufahren.
Anspruchsvollere Fahrphysik, weniger taktische Mittel
Stadtkurse wie Monaco zählen immer noch mit zu den anspruchsvollsten Stationen im Rennkalender.
Kenner des Vorgängers werden dagegen vom Fahrverhalten der aktuellen F1-Modelle überrascht sein: Codemasters hat die Physik überarbeitet und dabei nicht nur das wertvolle Feedback von Fahrern einfließen lassen, sondern auch die neuen Vorgaben der FIA umgesetzt. Zwar fühlen sich die reaktionsfreudige Steuerung, die physikalischen Kräfte und ERS-Funktionen wie der "Überholknopf" über weite Strecken vertraut an, aber durch die vorgeschriebenen Änderungen am Unterboden und dem damit verbundenen Abtrieb-Verlust weht unter bestimmten Bedingungen jetzt ein anderer Wind. In schnellen Kurven kann es z.B. häufiger passieren, dass man plötzlich von seinem außer Kontrolle geratenen Heck überholt wird, während man beim Herausbeschleunigen aus langsamen Kurven oder nach Schikanen jetzt noch mehr Feingefühl auf dem Gaspedal beweisen muss, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Wer brutal über die Randsteine (Curbs / Kerbs) brettert, wird ebenfalls sein blaues Wunder erleben: Gingen solche Aktionen im Vorgänger oft ohne schwerwiegende Konsequenzen über die Bühne, enden sie hier meist mit einem fatalen Dreher. Dabei versteht es sich von selbst, dass der Anspruch ohne die optionalen Fahrhilfen und bei nassen Witterungsbedingungen nochmal deutlich zulegt. Das haptische Feedback beim DualSense geht zwar ähnlich in Ordnung wie die Rückmeldungen beim Xbox-Controller über die Impulse-Trigger, ein Lenkrad mit Force Feedback bleibt dennoch die erste Wahl. Zwar sind die Rückmeldungen auch dort nicht perfekt und das rechtzeitige Abfangen der Fahrzeuge nicht selbstverständlich, doch fällt der Reifenverschleiß beim Fahren mit einem Wheel tendenziell deutlich geringer aus als beim Rasen mit einem Controller.
Die neuen FIA-Richtlinien wirken sich außerdem auf das Motorenmanagement aus: Ab sofort ist es nicht mehr möglich, die Motorleistung während des Rennens zu verändern, um z.B. spontan mehr Leistung abzurufen oder gegen Ende Benzin zu sparen. Das ist zwar hinsichtlich des angestrebten Realismus nachvollziehbar, in spielerischer Hinsicht aber trotzdem sehr schade, weil F1 2021 damit einer tollen taktischen Komponente beraubt wird. Keine nennenswerten Veränderungen gibt es dagegen bei der F2. Die Nachwuchsserie ist einmal mehr im Paket enthalten, doch wie in den Vorjahren muss man sich zunächst noch mit der Lizenz aus dem vergangenen Jahr begnügen. Die aktuellen Fahrzeuge, Teams und Piloten werden erst später mit einem kostenlosen Update nachgereicht. Die noch fehlenden Strecken wie Imola und Portimao kommen ebenfalls mit Verspätung. Ob auch Experimente wie das erstmals in Silverstone ausgetragene Sprint-Rennen-Format Einzug ins Spiel halten werden, wird sich noch zeigen.
Rivale oder Teamkollege?
In den neuen Abteilungs-Ereignissen muss man schwere und mitunter kostspielige Entscheidungen treffen - etwa dann, wenn das Personal angesichts des Zeitdrucks und zahlreicher Überstunden überlastet ist.
Bei den Spielmodi trifft man ebenfalls auf viele alte Bekannte: Neben Einzelrennen und dem Zeitfahren mit Online-Bestenlisten können sich Solisten auch in Meisterschaften stürzen, um für die Original-Teams in die Rolle realer F1-Piloten zu schlüpfen. Wer dagegen lieber ein eigenes Team gründen und sich neben dem Fahren mit Managementaufgaben und der Weiterentwicklung des Boliden beschäftigen möchte, wird wieder im Karrieremodus fündig. Das Layout wurde zwar überarbeitet, doch früher empfand ich gerade im Bereich Forschung & Entwicklung die Übersicht tatsächlich besser. Ein zweischneidiges Schwert sind außerdem die Änderungen an den Trainingsprogrammen: Auf der einen Seite ist es gut, dass manche Aufgaben zusammengefasst und das Prozedere dadurch etwas entschlackt wurde. Auf der anderen Seite sind manche Bonusziele viel zu schwammig formuliert. Dort heißt es z.B. „Fahre eine Runde unter einer bestimmten Reifentemperatur“, ohne eine konkrete Angabe zu bekommen, wo genau die Grenze dafür liegt. Neu hinzu gekommen sind außerdem die Abteilungs-Ereignisse, die dem Teamchef weitere schwere und mitunter kostspielige Entscheidungen abverlangen. Die wahrscheinlich wichtigste Neuerung ist jedoch, dass man die gesamte Karriere jetzt mit einem Mitspieler in Angriff nehmen darf – sei es kooperativ im gleichen Team oder als Rivalen in unterschiedlichen Rennställen. Zwar gab es früher bereits eine Koop-WM im Spiel, aber „Mein Team“ ist im Vergleich mit all seinen Möglichkeiten und Aufgaben eine ganz andere Dimension. Wer sich nicht mit all den Management-Aspekten im eigenen Team herumschlagen möchte, findet übrigens immer noch die klassische Karriere, in der neben dem Fahren lediglich die Weiterentwicklung des Fahrzeugs und die Duelle mit Rivalen auf dem Programm stehen. Aber egal ob abgespeckt oder das volle Programm: Die Karriere der F1-Spiele gehört immer noch zum Besten, was man im Rennspiel-Genre finden kann!