Nikolas Tesla alias Andrew Ryan
Ganz recht: Close to the Sun erinnert nicht nur vage an BioShock, sondern orientiert sich geradezu überdeutlich daran, wenn es nicht nur ein visuell und akustisch vergleichbares Szenario erschafft, sondern auch ähnliche erzählerische Elemente aufgreift. Natürlich ist seine Geschichte trotzdem eigenständig, dreht sich mit Nikola Tesla um die fiktive Version einer realen Person und spielt auch weder in einer Stadt in den Wolken noch am Meeresgrund, sondern auf einem gigantisch großen Schiff, der Helios.
Abgesehen davon bewegt man sich Ende des 19. Jahrhunderts auf strikt vorgegebenen Wegen durch den Ozeanriesen. Nur hin und wieder öffnet man einen Raum, der fürs Weiterkommen nicht dringend nötig ist. Man darf Close to the Sun also ruhigen Gewissens zu den „Wander-Simulatoren“ im Geiste von Dear Esther zählen.
Die Grenzen der Wissenschaft
Doch warum ist man als Rose Archer überhaupt auf der Helios unterwegs? Auslöser ist ein Brief, den sie von ihrer Schwester erhielt. Die hat nämlich unter Tesla an einem Projekt geforscht, das sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse auf den Kopf stellt – und so ganz nebenbei eine Katastrophe auslöst. Was genau passiert, will ich gar nicht verraten. Wissen solltet ihr allerdings, dass sich Close to the Sun nicht nur um das Auflesen der erzählerischen Brotkrumen dreht; ihr erlebt vielmehr
Stilistisch und auch erzählerisch erinnert vieles auf der Helios an BioShock.
einen waschechten Gruseltrip.
„Grusel“ deshalb, weil ich anders als Entwickler-Studio Storm in a Teacup nicht von ausgewachsenem Horror sprechen würde. Ein paar überraschend gute Schockmomente habe ich durchaus erlebt! (Auch wenn ausgerechnet der „Fear Effect“ in dieser Form nicht funktioniert, doch das nur am Rande.) Alles in allem lebt die Inszenierung aber vor allem von der durchgehend bedrohlichen Stimmung. Denn wo brutal zugerichtete Leichen die matt erleuchteten Hallen des Meereskreuzers „zieren“, wird die ständige Gefahr schnell greifbar.
Entspanntes Davonlaufen
In Wirklichkeit ist sie das nur leider nicht. Denn man erkennt recht bald, dass es zwar Gegner gibt, vor denen man allerdings nur in klar abgesteckten Verfolgungs-Szenen davonläuft. Es gibt keine selbstständig durch die Flure schlürfenden Bösewichte, vor denen man sich Zähne klappernd verstecken müsste, und man weiß auch stets, dass die Verfolgung an einem festgelegten Punkt beendet sein wird. So lange man die Taste zum Rennen gedrückt hält, ist man in Sicherheit. Es fehlt Ungewissheit, sprich Nervenkitzel. Eine einzige, spielerisch jedoch ebenfalls stark beschränkte Ausnahme zeigt, wie spannend ein echtes Katz-und-Maus-Spiel sein könnte.
Und das ist nicht der einzige Punkt, an dem der Thriller schwächelt, denn auch beim ruhigen Erkunden sowie dem Lösen einfacher Rätsel fühlt sich die Kulisse im Grunde wie eine sterile Schleuse an. Hier und da liest man zwar Notizen der Besatzungsmitglieder, doch zum einen erzählt Storm in a Teacup bis auf ein, zwei kurze Ausnahmen keine interessanten Geschichten abseits des roten Fadens und zum anderen kann man die allermeisten Zettel oder Zeitungsschnipsel überhaupt nicht lesen – jedenfalls nicht, ohne die Texte über
Details am "Wegesrand" ergänzen die Handlung - erzählen aber kaum zusätzliche Geschichten.
einen weiteren Tastendruck als HUD-Nachricht über dem Spiel einzublenden. Die eigentlichen Gegenstände wirken dadurch nicht wie Objekte der Spielwelt, während das in ähnlichen Abenteuern die Immersion spürbar erhöht.
Und Schluss!
Auch der restlichen Interaktion fehlt oft die Verbindung zwischen Spieler und Spielwelt. Immerhin öffnet Rose zwar Türen, indem sie die Klinke herunterdrückt. Man sieht, wie sie auf Leitern klettert und ihre Beine über Hindernisse schwingt. Hebel, Knöpfe oder Ventile fasst sie aber nicht an und auch das ist in meinen Augen eine vertane Chance. Zu allem Überfluss ist die akustische Abmischung stellenweise so misslungen, dass man Rose oder ihre Gesprächspartner nicht hört. Wer genau was in einer entscheidenden Szenen kurz vor Schluss tut, habe ich deshalb nur spekulieren können.
Ganz allgemein fühlt sich auch der Abschluss wie ein Versäumnis an, denn der Besuch auf der Helios endet, als wäre Close to the Sun nur die Vorgeschichte dessen, was im eigentlichen Abenteuer geschehen soll. Dabei genügt die Handlung sehr wohl dem Anspruch einer vollständigen Geschichte. Entscheidende Punkte werden aber so abrupt fallengelassen oder so zurückhaltend ausgearbeitet, dass ich den Abspann mit dem Gefühl verfolgt habe: ‚Irgendetwas fehlt hier.‘