Special: Pentiment (Adventure)

von Matthias Schmid



Pentiment: Im Gespräch mit Obsidian Entertainment
Im Talk mit Obsidian Entertainment
Publisher: Microsoft
Release:
15.11.2022
22.02.2024
22.02.2024
15.11.2022
15.11.2022
Spielinfo Bilder  
KotOR 2, Neverwinter Nights 2, Fallout: New Vegas, South Park: Der Stab der Wahrheit, Pillars of Eternity 1 & 2, The Outer Worlds. Das amerikanische Studio Obsidian Entertainment hat schon mehrere Lieblingsspiele und moderne Klassiker entworfen, das Team ist einer der besten Rollenspiel-Entwickler der Welt. Doch das mittlerweile zu Microsofts Studio-Familie gehörende Entwicklerhaus ist im Jahr 2022 mehr als nur ein RPG-Fabrikant: Bald verlässt das Survivalspiel Grounded die Game-Preview-Phase und dann gibt es mit Pentiment noch den Indie-Star des letzten Xbox-Showcase. Bevor ihr Schnappatmung bekommt: Nein, wir haben nicht mit Feargus Urqhart über Avowed und The Outer Worlds 2 gesprochen (würden wir auch gern, klar), sondern mit Studio Design Director Josh Sawyer über eben dieses hochinteressante Adventure namens Pentiment. Wie kommt ein US-Entwickler dazu, ein Spiel mit einem bayerischen Bibelmaler zu machen? Und dann noch in diesem schrulligen Look! Kommt mit uns und Josh auf eine Reise ins 16. Jahrhundert und erfahrt, wie die Macher recherchiert haben, welche Rolle Themen wie Armut, Religion oder Bildung spielen und wie klug sie unterschiedliche Schriftarten im Spiel einsetzen.

Damit ihr erstmal wisst, über welches Spiel wir mit Josh gesprochen haben, empfehlen wir unsere News-Meldung anlässlich der Ankündigung von Pentiment. Wie dort vermerkt, geht es in dem charmanten Adventure mit Holzschnitt- & Buchmalerei-Look um das Leben eines bayerischen Künstlergesellen im 16. Jahrhundert. Das klingt schrägt und das sieht auch so aus: Wie im Trailer zu sehen ist, reist man als Spieler ins fiktive oberbayerische Dorf Tassing – und zwar zum Zeitpunkt des Übergangs vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Hauptfigur Andreas Maler treibt sich auf dem belebten Marktplatz herum, sitzt in der Schreibstube oder entscheidet per Dialog, wo er seine Wanderjahre verbracht hat. Im Spielverlauf wird er Zeuge eines Mordes und muss Schrifträtsel lösen, um den Kriminalfall aufzuklären.

4Players: Ich habe gelesen, du hattest Deutsch als Studienfach. Sollen wir das Interview vielleicht gleich auf Deutsch machen?

Josh Sawyer: Nein, Englisch ist doch besser. (Josh lacht und antwortet in gutem Deutsch)

4Players: Du arbeitest schon ziemlich lange bei Obsidian. Könntest du unseren Lesern bitte einen kurzen Überblick über deine Karriere als Spielemacher geben?

Josh Sawyer: Ich habe die Lawrence-Universität in Wisconsin im Mittleren Westen besucht und dort meinen Abschluss in Geschichte gemacht, mit Fokus auf das Heilige Römische Reich und den Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit; sowie auf die Themen Hexenverfolgung und Hagiographie (Anm. d. Red.: Das ist die wissenschaftliche Erforschung der Darstellung des Lebens von Heiligen). Dinge also, um die es auch in unserem Spiel geht. Danach habe ich mir selbst Webdesign beigebracht und 1999 einen Job in Südkalifornien gefunden – bei Interplay. Nach einem halben Jahr dort habe ich meinen Chef Feargus Urqhart überzeugt, mich zum Game Designer zu befördern – und habe dann an Icewind Dale 1 & 2 gearbeitet. Nach dem Zerfall der Black Isle Studios bin ich für ein paar Jahre zu Midway, um 2005 dann quasi zurückzukehren – zu Obsidian Entertainment. Dort habe ich dann zuerst an Neverwinter Nights 2 mitgewirkt und danach war ich Game Director für Fallout: New Vegas und beide Pillars-of-Eternity-Teile.

Na, wie viele Spiele kennt ihr, die in einem fiktiven bayerischen Kloster des 16. Jahrhunderts spielen?
Na, wie viele Spiele kennt ihr, die in einem fiktiven bayerischen Kloster des 16. Jahrhunderts spielen?
4Players: Springen wir gleich zu eurem Spiel Pentiment: Es geht da um einen Bibel-Illustrator namens Andreas Maler, der im fiktiven oberbayerischen Städtchen Tassing in einem Benediktinerkloster arbeitet. Wie bist du auf dieses Szenario gekommen? Du hättest ja auch einen Bauern aus dem Allgäu zum Protagonisten machen können…

Josh Sawyer: Mein Vater war Künstler, viele Menschen in meiner Familie haben in diesem Bereich gearbeitet. Ich wollte eine Weile lang selbst Illustrator werden, finde also Kunst und Gestaltung, aber auch Kunstgeschichte sehr interessant. Zudem fasziniert mich, wie wichtig die Kunst zur Dokumentierung geschichtlicher Ereignisse ist – seien es Gemälde, Holzschnitte oder Bilderhandschriften in alten Büchern. Also habe ich mir für unser Spiel einen Künstler ausgesucht, der im Kloster arbeitet, aber in der Stadt wohnt. Er pendelt also zwischen Schreibstube und Dorfleben, bekommt direkt mit, wie das Leben beider Gruppen ist. Außerdem gefällt mir die Vorstellung eines Kunsthandwerkers, der eine höhere Bildung hat – er ist quasi ein Studienabbrecher der damaligen Zeit. Er hat nämlich in Erfurt, also am selben Ort wie Martin Luther, studiert. Einerseits ist er also ein Künstlergeselle, der seinen Meister machen will, andererseits hat er einen akademischen Hintergrund, der ihm vielleicht dabei helfen kann, den Kriminalfall des Spiels zu lösen.

4Players: Hand aufs Herz: Pentiment hört sich supercool aus, aber es könnte schon sein, dass es nicht gerade ein Topseller wird. So ganz ohne Knarren und Unreal-Engine-5-Grafik in 4K. Wie hast du deine Vorgesetzten überzeugt, dass das Spiel entwickelt wird?

Josh Sawyer: Ganz wichtig war es, meinem Boss klar zu machen, dass ich wirklich nur ein paar Leute für das Projekt brauche. Wir starteten zu zweit, ein Art Director und ich, mittlerweile sind wir dreizehn Leute – das ist also schon noch ziemlich klein gehalten. Mindestens ebenso entscheidend war der Release im Game Pass: Auf einer Plattform, wo die Leute eine große Bandbreite von Titeln einfach ausprobieren können, darf so ein Spiel dann auch richtig nischig ausfallen. Die Kombination aus überschaubarem Budget und Game Pass hat es mir dann letztlich recht leicht gemacht, die Chefetage zu überzeugen – vermutlich auch, weil nach all den Jahren genug Vertrauen da ist, dass ich nicht überdrehe oder falsch abbiege.

Josh Sawyer ist Studio Design Director bei Obsidian Entertainment. Er hat einen Abschluss in Geschichte und z.B. schon an Fallout: New Vegas gearbeitet.
Josh Sawyer ist Studio Design Director bei Obsidian Entertainment. Er hat einen Abschluss in Geschichte und z.B. an Fallout: New Vegas gearbeitet.
4Players: Wie können wir uns die Recherche vorstellen: Waren Art Director Hannah Kennedy oder du selbst vor Ort in Bayern und habt ihr euch in Bibliotheken durch Berge alter Wälzer gewühlt? Oder kann man das heutzutage ganz leicht online bewerkstelligen?

Josh Sawyer: Da kann ich gerne einen kleinen Schwank erzählen, wenn ihr Zeit habt. Ich habe das Kloster Ettal in Bayern besucht, das – wie die Abtei in unserem Spiel – ein Doppelkloster war; dort lebten also Mönche und Nonnen. Leider brannte Ettal, wie generell viele Klöster in Europa, zwischenzeitlich fast komplett nieder und musste neu aufgebaut werden. Deshalb ist der Eindruck, den man dort bekommt, natürlich nicht mit der damaligen Zeit vergleichbar. Aber egal – ich war dort und habe natürlich auch den Souvenirshop besucht. Ich wandte mich an den dort arbeitenden Bruder und fragte, ob ich mir hier etwas anschauen könnte, das mehr mit der Geschichte der Klosters zu tun hätte – und er wies mich die ausliegenden Bücher hin. Ich fragte dann, ob es nicht noch etwas gäbe – schließlich könnte ich mir die Bücher auch aus den USA übers Internet bestellen –, woraufhin er mich dann tatsächlich an die Staatsbibliothek in München verwies. Leider hatten wir nicht die Zeit, die auch noch zu besuchen, doch zum Glück gibt es auch digitale Sammlungen wie die des Morgan Library & Museum oder eben der Bayerischen Staatsbibliothek, wo man enorm viel gescanntes Originalmaterial einsehen kann. Außerdem hat sich Hannah eine Faksimilie der Nürnberger Chronik besorgt und wir haben die Huntington Library hier in Los Angeles, wo es viele frühe Druckerzeugnisse gibt, oder das Getty Museum mit einer wunderbaren Sammlung von Bilderhandschriften. Wir hatten also wirklich viel Anschauungsmaterial.

Kommentare

Easy Lee schrieb am
Spannend irgendwie, auch wenn mich das Erscheinungsbild nicht gerade einlädt. Ab einem gewissen Punkt der audiovisuellen Reduktion frage ich mich halt, ob ein Buch nicht ein besserer Zeitvertreib wäre. Gerade wenn es um Zeit geht, die ich anspruchsvolleren Themen widme.
CLKRUN schrieb am
Solon25 hat geschrieben: ?19.07.2022 17:00 Wieder mal ein schönes Interview welches ich mit Interesse gelesen habe. Das Thema des Spieles ist wirklich ungewöhnlich. Aber man bekommt durch das Lesen einen Eindruck.
Hier gabs damals auch noch ein Interview in Hörerform von ''Auf ein Bier'' xD
https://www.gamespodcast.de/2022/06/19/ ... -nicht-e3/
batsi84 schrieb am
Khorneblume hat geschrieben: ?19.07.2022 22:10 Ein Spiel welches ich überhaupt nicht einordnen kann. Alleine für die Wahl des Szenarios verdienen die Jungs von Obsidian meinen Respekt.
Ich denke es wird vom Grundprinzip eine ähnliche Richtung wie z.B. "The Procession to Calvary" einschlagen. Nur nicht so albern und historisch fundierter :)
Bussiebaer schrieb am
Schönes Interview, bin auf das Spiel schon gespannt :-D
schrieb am