Klonarmeen und Speicherplatzmangel
Dass man hier gegen maschinelle Klonarmeen antritt, lässt sich durch die Massenfertigung der Roboterwesen erklären und spielt daher im Vergleich zu anderen Action-Titeln keine all zu große Rolle. Dennoch hätte man auf Dauer für mehr Abwechslung bei den Gegnern sorgen können. In den ersten Stunden gibt es immer wieder das eine oder andere Modell, das neu ist und für das man sich erst einmal eine Angriffstaktik zurechtlegen muss. Doch spätestens wenn man mit A2 in die Geschichte eingreift, sind es nur noch die Bosse, die einen fordern. Der Rest wird zu Kanonenfutter – selbst die Feinde, mit denen man beim ersten Aufeinandertreffen massive Probleme hatte. Das ist insofern schade, da den Kämpfen so Spannung verloren geht. Andererseits kann es mit dem erzählerischen Unterbau auch als Bild dafür verstanden werden, dass die Maschinenwesen nicht lernen, die Androiden hingegen schon. Und das wortwörtlich: Denn mit einem Erfahrungspunktsystem, das in Levelaufstiegen gipfelt, hat man nicht nur einen Vergleich zur Stärke der Gegner. Zusätzlich kann man die Androiden auch noch mit erbeuteten oder teuer erkauften Chips ausstatten, die einem Vorteile wie z.B. eine höhere Ausweichdistanz, automatische Heilung nach sechs Sekunden ohne kassierten Treffer oder erhöhte Zeitlupendauer nach einem perfekten Ausweichen verschaffen.
Die Kulisse zeichnet mal idyllische, dann wiederum sehr düstere Bilder von der Erde nach dem Krieg gegen die Maschinenwesen.
Es gibt Unmengen an Chips in Kategorien wie Angriff, Verteidigung, Unterstützung oder Hacken, die zudem noch kostenpflichtig verschmolzen werden können, um die Auswirkungen zu stärken. Verschiedene Stärken des jeweiligen Effekts oder Bonus muss man ebenso bedenken wie die Kosten für den Einbau. Der Speicherplatz ist knapp bemessen. Und auch wenn er ausgebaut werden kann, hat man nie genug offene Plätze, um diesen oder jenen Wunsch-Baustein einzusetzen. Dementsprechend muss man eine ökonomische Auswahl treffen, abwägen, welche Module man tatsächlich benutzt und kann sich sogar zusätzlichen Platz verschaffen, indem man Chips für Hud-Elemente entfernt. Die Anzeige, wann man außerhalb der auch als Teleportstationen verwendeten Automaten speichern darf, braucht man nicht? Dann weg damit, um Platz zu schaffen. Die Minikarte braucht man ebenfalls nicht? Wie sieht es denn mit der Anzeige der Lebensenergie der Gegner aus? Oder der eigenen? So kann man auch abseits der Grundschwierigkeitsstufen nicht nur die Anzeige, sondern auf subtilem Weg das Anforderungsprofil beeinflussen, das aber auch mit allem Standardoptionen einen angenehmen Spagat zwischen Spielfluss und knackigen Situationen schafft – und das ohne Grind.
Technik-Expertise
Dass man sich für Platinum Games als Entwickler entschieden hat, wirkt sich auch auf die Kulisse aus. Das Androiden-Abenteuer bringt wie auf der PS4 flüssige 60 Bilder pro Sekunde auf den Schirm, was der Kampfdnamik zugute kommt. Auf der One X kann man eine 4K-Auflösung (2160p) abrufen, muss dann aber in wenigen Gebieten mit Einbrüchen in der Bildrate leben. Dutzende Gegner, hunderte Projektile, schicke Animationen und dazu Explosionen: Die Gefechte werden innerhalb einer offenen Welt sauber inszeniert. Die Ausmaße der zu erforschenden Areale sind zwar deutlich kleiner als z.B. Horizon. Und die Unmengen an Aufgaben führen einen letztlich immer wieder durch die gleichen Gebiete. Doch aus der Gewöhnung, die man beim x-ten Besuch des von verrückten Robotern bevölkerten Vergnügungsparks empfindet, wird niemals Langeweile. Nicht nur, weil das Gefühl der Überraschung des ersten Abstechers in diesen oder jenen Bereich nachschwingt. Zudem finden sich überall genug Details und Geheimnisse, während die Areale sich mitunter bedingt durch Story-Erlebnisse teils drastisch verändern. Man sollte sich nicht wundern, wenn man nach mehr als 40 Stunden nur etwas über 50 Prozent der teilweise von
Die Androiden 2B und 9S sind Teil einer verschachtelten Geschichte, die sich im Wesentlichen um die "Menschlichkeit" dreht.
der gesteuerten Figur bzw. dem Status innerhalb der Geschichte abhängigen Missionen gefunden und noch lange nicht alle Waffen entdeckt oder gar alle möglichen Fischsorten geangelt hat.
Außerdem strahlt die Spielwelt mit ihrer beeindruckenden Wüstenlandschaft, den manchmal an ein braungraues Enslaved erinnernden Großstadtruinen, den Katakomben, Techzentren oder Maschinenfabriken eine Grundfaszination aus, an der ich mich nicht satt sehen kann. Es hat nicht die technische Brillianz und Komplexität eines Horizon oder God of War. Aber es wirkt auch in düsteren Momenten ungemein stimmungsvoll und selbst mit seinen kargen Betonskeletten merkwürdig einladend. Daher kann ich auch über kleine Unstimmigkeiten wie Pop-Ups, immer wieder schwache Texturdetails in der Umgebung, gelegentliche Probleme mit Schattenwurf oder Diskrepanzen in der Zeichendistanz hinwegsehen. Denn wenn ich in den selten Momenten der Ruhe die Einsamkeit genieße, mit 2B oder 9S den Blick schweifen lasse und mich vermutlich ebenso wie die Androiden frage, ob die Menschen jemals wieder einen Fuß auf ihren Heimatplaneten setzen können, nimmt mich Nier: Automata auch ohne den letzten Grafikschliff gefangen – woran auch der sehr gelungene Soundtrack von Keiichi Okabe und Keigo Hoashi seinen Anteil hat. Dynamisch auf die Situation reagierend, mal getragen, mal choral, dann wieder hektisch oder pompös, finden die zwei immer wieder die richtigen Töne, um die entstehenden Emotionen auch akustisch einzufangen.