Shooter
Entwickler: Mirage Interactive
Release:
19.11.2004
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Durchschnittswertung

59%Gesamt
59%

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Lesertest von mr archer

Kennt Ihr polnische Partisanenfilme aus der Zeit vor 1989? Die gehörten in unserem Nachbarland zum nachmittäglichen Wochenend-Fernsehritual wie in der DDR die Olsenbande und in der BRD Bud Spencer und Terence Hill. Polen ging es in WK II bekanntlich besonders dreckig und das beschäftigt die Fantasie unserer Nachbarn bis heute.

Zum Beispiel auch die Jungs von Mirage Interactive. Die traten 1999 mit "Mortyr" in das Licht der FPS-Entwickler-Welt - der polnischen Antwort auf "Wolfenstein", wie man immer mal wieder liest. Nichts, was man heute noch ruhigen Gewissens zum Anspielen empfehlen könnte. Es sei denn jemand interessiert sich für die wohl absurdesten Zensur-Maßnahmen von NS-Symbolik im Geltungsraum der BPjM überhaupt. Und für eine nicht weniger absurde Trash-Geschichte um Nazis in der Zukunft. Klingt auf dem Papier aber lustiger als es in der Realität dann ist. Das Spiel war trotzdem so etwas wie ein Untergrund-Hit. Dann folgte noch "Sniper: Path of Vengeance", mit dem Mirage andeutete, dass sie auch andere Settings interessieren. Nützte aber nix. Heute stehen sie unter dem Kuratell von City Interactive und produzieren jedes Jahr einen Call of Honour - Klon mit WK 2 - Setting und reißerischem Cover, das den einen oder anderen unbedarften Fehlkäufer anlocken soll.

"Mortyr 2" ist von 2004 und das Mirage-Spiel, wo man meint, die Jungs könnten vielleicht doch noch die Kurve kriegen. Fast taugt es was.

Die Story ist wie einem der eingangs erwähnten Partisanenfilme entlehnt: Der britische Sondereinheitler Sven Mortyr operiert sich hinter den Nazi-Linien im Einzelkampf durch das besetzte Europa, um Geheimwaffen des Gegners zu zerstören. Es geht in 11 Levels vom Nordkap bis hinunter ins sonnige Griechenland. Mit dem Future-Trash des ersten Teils hat das Ganze nix mehr zu tun. Stattdessen spielt mein eine Remineszenz an die frühen MoH oder CoD-Teile. Historisch korrekte Waffen mit forderndem Handling. Panzermissionen. Schützengräben unter Dauerbeschuss. Gesprengte Eisenbahnbrücken. Usw. usw. Das Ganze ist recht abwechslungsreich und kurzweilig. Die Grafik ist brauchbar wenn auch für 2004 stark veraltet und erinnert etwas an die Lithtech-Engine. In Norwegen wird es zu Beginn sogar mal kurz stimmungsvoll, wenn das Polarlicht über den Himmel zuckt.

Hinzu kommt mit Story-Partner Gunnar das trotteligste Mitglied des Deutschen Widerstands ever. Eine bekloppte Railshooter-Sequenz auf einem Jeep. Absurde deutsche Todesschreie ("Ihr Arschlöcher!") Und extrem schwülstige Pathos-Mucke aus allen Rohren. Mit einer Kiste Bier dazu könnte man hier also durchaus für zehn Stunden seinen Spass haben.

Aber leider, leider steht dem die AI im Weg. Oder besser gesagt ihr Fehlen. Auf diesem Sektor herrscht in Mortyr 2 das blanke Grauen. Zeitverzögert reagierende Gegner. Harakiri-Granatenwürfe. Gescriptete Wegfindungsroutinen, selbst im Kampf. Inkonsistentes Reagieren auf Beschuss. Es ist ein Panoptikum des Schreckens.

Schade, Mirage. Ihr wart diesmal so dicht dran.
Pro
  • Abwechslungsreiche Schauplätze
  • Hin und wieder hübsch anzusehende Szenarien (Norwegen, Schützengraben, Klosterkirche Griechenland)
  • brauchbares Leveldesign
  • Schöne Zugeständnisse an den Trash: B-Partisanenfilm-Story, absurde Todesschreie der Gegner, schwülstige Pathos-Mucke zwischen Maiparade und Kasernenhof-Marsch, Nazi-Geheimwaffen zwischen Nurflügler und V3-Atomrakete
  • gute Abstimmung der vier Schwierigkeitsgrade
  • recht fordernder allgemeiner Schwierigkeitsgrad aufgrund des anspruchsvollen Waffenhandlings (starkes Streuen bei Dauerfeuer aus größerer Entfernung, Snipergewehr erfordert präzisestes Zielen)
Kontra
  • Grauenhafte, tölpelige, lächerliche, sagenhaft dämliche AI (gescriptete Laufwege!)
  • eine der lächerlichsten Railshooter-Fahrsequenzen der FPS-Geschichte
  • völlig missglückte, sinnbefreite Flugsequenz
  • nerviges Gegner-Respawning (selbst in geräumte MG-Nester!)
  • Plot- und Logiklöcher von der Größe des Ozonloches über der Arktis diesen Sommer
  • kurze Spielzeit von maximal zehn Stunden ohne jeglichen Wiederspielwert
 

Mortyr 2

Mortyr 2
mr archer
mr archer 02.11.2011 PC 
59%
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