Kolumne

hundertprozent subjektiv

KW 10
Freitag, 05.03.2004

Der Spieler & die Lust


Der echte Zocker ist eigentlich ein asexuelles Wesen mit bescheidenem Balzverhalten. Vor allem der vergebene, verheiratete oder sonstwie in einer Beziehung verhedderte Homo sapiens levelus zwischen Ende 20 und Anfang 30. Alle verliebten Turteltauben unter 20 können jetzt übrigens getrost wegklicken – das ist eine Kolumne für gestrandete Mannsgamer.

Spätestens nach der Erfüllung der biologischen Hauptquest, also wenn der freigespielte Nachwuchs zwischen Controllern und Kabeln krabbelt, herrscht Funkstille im Wohnungsnest. Aus feuchtfröhlichem Techtelmechtel und lustvollem Gekicher wird eine staubtrockene Schreibtisch-Couch-Beziehung - mit kribbelnden Dialogen à la:

Er: “Was guckst du heute Abend?“
Sie: “Ach, mal sehen. Spielst du denn was?“
Er: “Wenn du nichts gucken willst.“
Sie: “Ich muss sowieso Mails checken…“

Das eingespielte Zockerpärchen setzt also auf Hitzfelds Rotationsprinzip: Er am PC, sie vor der Glotze. Sie am PC, er an der Konsole. Während sie sich durch die bunte Ebay-Angebote wühlt, kämpft er sich durch Deus Ex 2. Wenn er vor den Rechner schlurft, schaut sie Frauentausch. Wenn etwas röhrt, dann sind es die Lüfter; wenn es irgendwo funkt, dann ist es der entmagnetisierte Monitor.

Zittrige Hände? Fiebriger Blick? Gerötete Wangen? Klar gibt`s das auch noch. Aber immer nur dann, wenn der Amazon-Mann klingelt! Da rast der Puls, da glühen die Backen: Tür auf, und man steht stramm wie eine Eins! Denn der Anblick des jungfräulichen Päckchens lässt dieses süße Kribbeln in den Nacken schleichen, das die Vorfreude entfacht.

Während der Postbote bereits sichtlich nervös an der Wand lang davonstolpert, streichelt man zärtlich über das Objekt der Begierde, kann nur noch an eines denken: ZOCKEN. Und ist euch mal aufgefallen, dass dieses schöne jiddische Wort auf den hinteren Plätzen eine verblüffende Ähnlichkeit mit diesem obszönen F-Wort hat? Biologisch befindet man sich jetzt jedenfalls im Endstadium der Balz.

Ist die Tür endlich geschlossen, übernehmen nach dem Anfass- sofort der Auspack- und Spieltrieb die Kontrolle über den bebenden Kreislauf. Aber Blut zirkuliert schon lange nicht mehr zwischen Hirnstamm und Schädelrinde – und schon gar nicht da, wo`s beim Roberto Carlos-Freistoß besonders weh tut. Nein, der Lebenssaft schießt zielgenau in die sensiblen Gliedmaßen, die den lustvollen Spaßverkehr garantieren: die Hände!

Ein Rest bleibt reserviert für Beine und Füße, damit man nicht wie ein Trottel sabbernd ins Wohnzimmer taumelt – der Spielehengst ist gierig, aber kein Tier. Doch Vorsicht: Vor die ungezügelte Lust haben die Götter die nervigen Mitmenschen platziert – Frauen, Kinder, Verwandte. Welch ein Glück, dass die Evolution den Zocker wiederum mit einer Geheimwaffe ausgerüstet hat, auf die selbst Alex D. und Sam Fisher neidisch wären: den Tunnelblick – im zweiten Waffenmodus irre glasig.

Wenn man mit dieser rot umrandeten Fieberpupille mechanisch Richtung Wohnzimmer marschiert, haben selbst die härtesten familiären Bossmonster keine Chance mehr: Sie greifen nach Jacken, schreien hysterisch nach Frischluft und nehmen Reißaus!

Oh, du herrlicher Funken der Freiheit: Plötzlich kommt Zunder in die muffigen Schlappen und man geht wieder ab wie eine Rakete! Zur Couch, zum Schreibtisch, dahin, wo die wahren Paläste der Lust warten, der ganze Harem aus gut gebauten Plattformen. Was ist schon ein pralles Babe gegen einen High-End-PC? Gegen Xbox, PS2 und GameCube?


Jörg Luibl
4P|Textchef

Aber wir sind keine Unmenschen. Und schon gar keine Frauenhasser. Also gibt`s noch einen asiatischen Link, damit die Trennung von Spiel und Lust wieder verschwindet!

 

Kommentare

darting schrieb am
PhobosOne hat geschrieben:
Tomek77 hat geschrieben: Ein echter Spieler kennt beide Welten und kommt auch in beiden gut zurecht. Das nennt man dann auch wohl Flexibilität. ;-)
So long.
schon,dein standpunkt is mir klar.Ich seh die Gefahr garnicht so bei uns,sondern bei den folgenden generationen.Wie du sagtest wird die hardware immer besser und ermöglicht immer tiefere spielintensivität.Und genau da seh ich das problem.Der Nachwuchs wird schon in Kindesalter merken,das wenn er stress mit seine freunde hat,er einfach ins internet geht und da zockt,was weder anstrengt noch was fordert.Den er hat die Macht.Er entscheidet über das Spiel,wenn er schlecht is und auf einer spielwiese nicht klar kommt,wechselt er einfach den server.Somit lernt er nie das man sich herausforderungen oder Konfrontationen (meistens :wink: ) stellen muss,was wir alle schmerzhaft beigebracht bekommen haben,aber,wie ihr sicherlich alle wisst,was im endefekt besser für uns,den mami wird nicht ewig leben.Und um noch mal auf das andere Thema zu spreche zu kommen.Zb. Mädchen.Klar,man kann im inet seine traumfrau kennen lernen,mit ihr chatten,sich mit ihr verabreden und dann?Dann sind dinge gefragt wie scharm,Taktgefühl usw.Und sowas lernt man nicht im internet,sowas is erfahrung die man nur praktisch lernen kann.So meinte ich das in etwa mit der oben gepostete erfahrung.

der tomek77 hat wohl recht!!!!!!!!!!!!!! :idea:
J0DA schrieb am
Wow 8O ich bin überweltigt der erste Artikel den ich auf der Seite lesen kann es locker mit einen Zeitungskolumne aufnehmen, weiter so!
lAmbdA schrieb am
Tomek77 hat geschrieben: Ein echter Spieler kennt beide Welten und kommt auch in beiden gut zurecht. Das nennt man dann auch wohl Flexibilität. ;-)
So long.
schon,dein standpunkt is mir klar.Ich seh die Gefahr garnicht so bei uns,sondern bei den folgenden generationen.Wie du sagtest wird die hardware immer besser und ermöglicht immer tiefere spielintensivität.Und genau da seh ich das problem.Der Nachwuchs wird schon in Kindesalter merken,das wenn er stress mit seine freunde hat,er einfach ins internet geht und da zockt,was weder anstrengt noch was fordert.Den er hat die Macht.Er entscheidet über das Spiel,wenn er schlecht is und auf einer spielwiese nicht klar kommt,wechselt er einfach den server.Somit lernt er nie das man sich herausforderungen oder Konfrontationen (meistens :wink: ) stellen muss,was wir alle schmerzhaft beigebracht bekommen haben,aber,wie ihr sicherlich alle wisst,was im endefekt besser für uns,den mami wird nicht ewig leben.Und um noch mal auf das andere Thema zu spreche zu kommen.Zb. Mädchen.Klar,man kann im inet seine traumfrau kennen lernen,mit ihr chatten,sich mit ihr verabreden und dann?Dann sind dinge gefragt wie scharm,Taktgefühl usw.Und sowas lernt man nicht im internet,sowas is erfahrung die man nur praktisch lernen kann.So meinte ich das in etwa mit der oben gepostete erfahrung.
johndoe-freename-43185 schrieb am
@PhobosOne
Ich glaub du vergisst etwas: Die Spiele entwickeln sich mit der Technik weiter. Es gibt schon jetzt teilweise die Möglichkeit in einem Spiel mit seinen Mitmenschen über ein Headset zu sprechen. Wart´s mal ab wie´s in 10 Jahren aussieht. Oder kannst Du im echten Leben auf einem Drachen reiten? Ausserdem gehts beim Spielen nicht um die Hardware sondern um das Spielen an sich. Und dazu brauchst du schon noch deinen Verstand, soziale Kompetenz (sonst wirst Du von den anderen Spielern gekickt) und natürlich auch eine gewisse Portion an Geschicklichkeit. Die körperliche Stärke spielt da aber keine Rolle. Ist auch besser so. Nicht der Stärkste gewinnt, sondern der beste Spieler.
Ein echter Spieler kennt beide Welten und kommt auch in beiden gut zurecht. Das nennt man dann auch wohl Flexibilität. ;-)
So long.
Ps. Der Artikel ist einfach klasse. Hat meine Laune schon zwei Tage in Folge angehoben. :-)
lAmbdA schrieb am
lol,man könnte echt meine das es sich bei dieser kolummne um ne doktor arbeit über meine schwester und ihr freund handelt.Er is arbeitslos und wen sie müde nach hause kommt,verzieht sich er vor die glotze,weil die dame sims zocken will.Aber dennoch,sie lieben sich und gehn auch weg auf partys oder der gleichen.Ich denk nicht das da was falsch läuft.
Aber dennoch,wie ich noch jünger war,war ich immer mit den kumpels auf der strasse unterwegs und haben mit münzen geflippt,gepokert oder was weis ich nicht alles.Im sommer war da die hölle los.Nach hause gekommen,rucksack in die ecke gepfeffert und ab.
Ein NES war was absolut neues und konnte sich niemand leisten.Und Heute?Die Strassen wie lehr gefegt,alle haben ihre konsole bzw pc und brauchen nicht mehr raus,da sie sich alleine unterhalten können.Schon traurig irgentwie,denn inet hin oder her,den spass den wir hatten und die erfahrungen die du gesammelt hast bekommts du von keinem spiel,seite oder n online bestelltes buch.Früher war es wer der stärkste ist und heute was die beste konsole is...
naja,was will man machen.Irgentwann kann man in 10sec ne seite voll tippen,wärend man das sprechen verlernt hat.
schrieb am