NHL 0918.09.2008, Jörg Luibl
NHL 09

Im Test:

Die Eishockeywelt wird wieder klar dominiert: Während 2K Sports dieses Jahr mit NHL 2K9 in befriedigende Regionen abgleitet (zum Test), erreicht Electronic Arts mit NHL 09 (ab 9,94€ bei kaufen) einen Höhepunkt. Schon im letzten Jahr ist man mit fünf Prozent Vorsprung an der Konkurrenz vorbei geskatet, dieses Jahr sichert man sich sogar seit vielen Jahren erstmals wieder einen Gold-Award. Wie haben sich die Entwickler diese Auszeichnung verdient?

Der bange Blick aufs Eis

Das neue Anheben des gegnerischen Schläger in Aktion: Gerade in der Defensive hat man jetzt deutlich mehr Möglichkeiten, den Gegner abzufangen oder aufzuhalten.
Es steht 2 zu 2. Es ist das letzte Drittel. Und ich sitze noch knapp eine Minute auf der Strafbank, schaue direkt über die Bande. Unsere Jungs halten sich gut, lassen noch kein Überzahltor zu - ein schlechtes Gewissen habe ich trotzdem; dieser blöde Check war wirklich nicht nötig. Wenn die Zeit um ist, werde ich es meinem Coach zeigen. Ich will dieses Spiel gewinnen und endlich von der zweiten in die erste Sturmreihe aufsteigen! Noch zwanzig Sekunden, dann kann ich endlich auf's Eis. Noch zehn Sekunden. Noch fünf Sekunden. Noch eine Sekunde...

...ich bin wieder im Spiel, wir haben die Unterzahlsituation überstanden, ein blauer Pfeil markiert die optimalen Skatewege für meine Position. Als Spielmacher muss ich mich um die zentrale Position kümmern, nach vorne Druck machen und hinten aushelfen, den Puck klug verteilen und im besten Fall einnetzen. Meine Karriere und die Zahl meiner Erfahrungspunkte hängt von jedem Spiel ab. Mein Trainer notiert alles: Erfolgreiche Pässe, gewonnene Bullys, eingehaltene Laufwege, verursachtes Abseits, abgegebene Schüsse, Assists und natürlich Tore.

Profi-Karriere im Visier

Wenn ich mal in die NHL will, muss ich hier und jetzt in der 29 Teams starken AHL zeigen, was ich kann. Ich hab als junger Amateur bei den Iowa Chops in der dritten Sturmreihe angefangen und mich nach drei Spielen bereits eine Reihe nach oben gespielt. Aber wenn ich meine Saisonziele erreichen will, darf ich nicht nachlassen: 55 Assists, 157 Schüsse und zehn Tore stehen auf der Agenda meines Trainers. Das ist eine Menge Holz, wobei ihm die Vorlagen sogar wichtiger sind als meine Tore - ich soll mich als Teamspieler beweisen. Und der Mann hat Argusaugen: Ich bekomme in jeder Pause, nach jedem Match detailliertes Feedback über positives und negatives Spielverhalten.

In der Karriere fließen auch die erfolgreich absolvierten Bullys in eure Statistiken ein - euer Trainer notiert alles und gibt euch Feedback.
Ich schieb den Statistikdruck beiseite: Jetzt hab ich den Puck, schirme ihn schnell gegen den Gegner ab und skate dann nach vorne. Ich erreiche die blaue Linie. Das Publikum raunt. Die Kufen kratzen. Ich nehme links und rechts von mir unsere schwarzen Trikots wahr - soll ich einen Schlagschuss abfeuern, zu einem 1-gegen-1-Deke ansetzen oder lieber auf Nummer sicher gehen und passen? Ich will es wissen und ziehe den rechten Analogstick nach hinten, mein Schläger hängt in der Luft und als ich den Stick ruckartig nach vorne bewege, küsst er den Puck. Es kracht, er fliegt, die Sirene heult - TOOOOOOR! Verdammt, so gut hat sich selten ein virtuelles Eishockeytor angefühlt.

Spieler entwickeln

Wir haben dieses Spiel und ich habe an Erfahrungspunkte gewonnen. Aber wie soll ich mich entwickeln? Lieber die Präzision der Handgelenkschüsse verbessern oder die Beschleunigung? Oder lieber an den Dekes feilen? Ich muss mich entscheiden, wo die Reise hingehen soll. Und die Verbesserungen gehen als Rookie langsam vonstatten. Bevor man sie wirklich spürt, muss man mindestens eine halbe Saison hinter sich haben. Und erst nach der Amateursaison bekommt man vielleicht ein Angebot von einem NHL-Team, um dann wieder in der dritten Reihe zu starten. Aber diese Karriere macht einfach Spaß, man kann nicht aufhören, denn man wird schrittweise mit Hockeykarten und Meilensteinen belohnt - außerdem kann der eigene Spieler auch online eingesetzt werden!

Schön ist, dass man auf Wunsch alles authentisch erleben kann: Man steuert nur seinen Spieler, man muss sich in die Taktik des Trainers einfügen, man muss auf der Strafbank brüten oder auf seinen Einsatz warten. Dabei erkennt man, wie die eigene Energie langsam vom roten in den grünen Bereich steigt. Sobald man sich erholt hat, kann man über einen Knopfdruck theoretisch auch den Reihenwechsel erzwingen, aber Vorsicht - wenn man das im falschen Moment macht, etwa bei einem Tempo-Gegenzug, kassiert das Team vielleicht ein Tor. Wem das zu viel des Wartens ist, der kann auch alles so einstellen, dass man während des ganzen Spiels aktiv ist oder wenigstens einen anderen Spieler steuert.

          

Die verbesserte Spielmechanik

Wer eine Saison spielt oder sich in der Liga versucht, wird mit einer hartnäckigen und aufmerksamen KI kämpfen müssen. Die defensiven Automatismen sind sehr gut; One-Timer sehr swelten.
Was hat sich abseits dieser neuen Karriere getan? Auf den ersten Blick sieht NHL 09 so aus wie im Vorjahr. Aber wenn man auf dem Eis ist, spürt man zwei wesentliche Veränderungen: Erstens hat man in der Defensive mehr Möglichkeiten als zuvor, da man den Skill-Stick jetzt auch dort frei einsetzen kann und somit mehr als klassische Poke-Checks im Repertoire hat. Sprich: Wenn man in der Rückwärtsbewegung ist, kann man den Schläger quasi frei wie einen Besen bewegen, um den Puck abzufangen oder Schüsse abzuwehren. Außerdem gibt es ein neues Defensivmanöver über einen Knopfdruck, das Gegner geschickt am Passen oder Schießen hindert, indem man deren Schläger kurz vorher anhebelt.

Hätten sich die offensiven Manöver und das Pass-Spiel ähnlich stark verbessert, wäre Platin möglich gewesen. Aber leider bietet NHL 09 immer noch zu wenige Finessen für wirklich effizientes Passen - das ist der einzige Bereich, wo das dieses Jahr insgesamt unterlegene NHL 2K9 überlegen ist. Es ist nämlich unheimlich schwer, abseits der normalen Kurz- oder Langpässe zum nächsten Mitspieler auch mal gelupfte oder wuchtige Varianten hin zum übernächsten einzuleiten. Der Lupfer, der enthalten ist, ist dafür nicht effizient genug.

Neu sind die Deke-Stellungen des Analogsticks auf fünf (Rechtshänder) und sieben (Linkshänder) Uhr: Der Spieler gleitet quasi mit offenen Armen auf den Goalie zu und kann ganz zum Schluss entweder einnetzen oder zurückziehen.
Das führt dazu, dass auch dieses Jahr One-Timer schwierig einzuleiten sind. Das ist angesichts des Simulationsanspruchs und der guten Defensiv-KI zwar nicht schlimm, aber man fühlt sich in der Offensive etwas beschnitten. Man freut sich zwar über die eleganten neuen Einhandbewegungen für Links- und Rechthänder, die man vor dem Torwart nutzen kann, aber auch bei den Dekes hat sich nicht all zu viel getan - immer noch kann man sich den Puck seitwärts in 1-gegen-1-Situationen vorlegen, um am Verteidiger vorbei zu kommen.

Beim Schuss-System bleibt ebenfalls alles beim Alten: Wer als Kenner auf "manuelles Zielen" schaltet, muss auch dieses Jahr linke und rechte Gehirnhälfte anschmeißen, um in der Hektik dahin zu schießen, wo der Puck wirklich landen soll. Das Knifflige ist, dass der linke Analogstick nicht nur für die sechs möglichen Zielpositionen zuständig ist, sondern auch die Bewegungsrichtung bestimmt. Sprich: Wer nach links unten skatet und nach rechts oben schießen will, muss kurz vorher die Richtung ändern. Da man das auch nicht zu stark machen darf, weil der Puck sonst ein paar Meter rechts vorbei saust, ist hier viel Übung und Feinabstimmung notwendig - was allerdings auch trainiert werden kann und dem Simulationsanspruch gerecht wird; außerdem kann man ja auf "automatisches Zielen" umstellen, dann trifft man häufiger.

Online-Komfort & Community

Außerdem wurde der Umfang erweitert: Neben der heimischen DEL sind auch die tschechische und die russische Liga enthalten. Hinzu kommen die sinnvollen Online-Erweiterungen: Man kann nicht nur seinen selbst erstellten Spieler nutzen, sondern eigene Vereine gründen und zusammen mit sechs Freunden gegen ein anderes Team mit sechs Mann antreten. Wer eine Online-Liga ins Leben rufen will, kann bis zu 32 Mannschaften aufnehmen. Zwar ist der Netzcode nicht ganz so sauber wie bei NHL 2K9, aber die gelegentlichen Ruckler sind nicht spielbeeinträchtigend. Dafür hat die Lobby mit ihren Komfortfunktionen, Suchmöglichkeiten und Ranglisten deutlich zugelegt.

Neu ist auch die Medienzentrale für extrovertierte Eishockeyspieler: Hier könnt ihr eure Tore, besten Szenen oder Zeitlupen nicht nur farblich oder perspektivisch bearbeiten, sondern auch hochladen, um sie der Community zu zeigen. Ansonsten bleibt es bei dem prall gefüllten Angebot des letzten Jahres - inklusive Turniere, Play-Offs, Saisons und Training vom gezielten Scheibenschießen über Schlittschuhslalom bis hin zum 1-gegen-1-Shootout oder Torhütermodus in Egosicht samt Sichtkegel. Und auch die Laufwege könnt ihr dieses Jahr wieder individuell gestalten, indem ihr sie in einer Trainingshalle vormacht und aufzeichnet - so sind eigene Taktiken möglich.

     

Fazit

Das war vor ein paar Jährchen noch umgekehrt: Während NHL 2K9 im arcadigen Mittelmaß versinkt, steigt NHL 09 mit seinem Simulationsanspruch endlich wieder auf's goldene Treppchen. Aber nicht nur die Spielmechanik ist die bessere, auch die Ideen dahinter: Electronic Arts hat vor allem mit dem neuen Be A Pro-Modus eine frische Eishockey-Variante in petto, die ein klasse Mittendringefühl vermittelt und mich aufgrund des Feedback- & Belohnungs-Systems so motiviert auf's Eis lockt, wie seit langer Zeit nicht mehr: Der Jubel nach meinem ersten Tor war richtig laut. Und danach konnte ich nicht mehr aufhören, an meiner Karriere zu feilen. Ähnlich wie in FIFA 09 kümmert ihr euch hier von der Erstellung bis hin zum aktiven Spiel um einen Amateur, der zum Profi der NHL aufsteigen soll und später auch online loslegen kann. Da wartet dann ein Ligen- & Vereinssystem auf kooperative Matches mit bis zu sechs Freunden in einem Team. Dass NHL 09 kein Platin erobert liegt weniger an den sporadischen Rucklern in den Zwischensequenzen und Internetmatches, sondern vielmehr daran, dass man im Gegensatz zu den lobenswerten Fortschritten in der defensiven Spielmechanik die offensiven Möglichkeiten noch nicht ganz ausschöpft: Vor allem das Passen sollte mehr Finessen bieten und auch die Dekes könnten variabler sein. Man fühlt sich in der Offensive noch etwas eingeschränkt, was auch daran liegt, dass die defensiven Automatismen der KI lobenswert stark sind. Aber was soll's? Das Spiel macht Spaß, der Puck kracht und ich will endlich zurück auf's Eis, um an meiner Profikarriere zu feilen - vielleicht steht irgendwann der Manager der Detroit Redwings auf der Matte!

Pro

Eishockey mit Simulationsanspruch
klasse Karrieremodus
neues Mittendringefühl
eigenen Spieler online einsetzen
Skill-Stick auch in der Defensive
inklusive NHL, AHL, DEL
coole Animationen
online für bis zu zwölf Spieler
offline bis vier Spieler kooperativ
sehr gute Defensiv-KI
gute Fan- & Hallenakustik
guter Online-Modus
umfangreiches Training
Laufwege-, Team- & Spieler-Editor
Dynasty-Modus inkl. Verträge & Transfers

Kontra

es fehlen Pass-Finessen
One-Timer sehr knifflig
Dekes könnten variabler sein
Zwischensequenz
& Online-Ruckler
ab und zu Online-Abbrüche & Synchronisierungsfehler

Wertung

360

Sehr gute Kulisse, authentisches Spielgefühl und enormer Umfang inklusive Karriere- Eishockeyfans müssen zuschlagen!

PlayStation3

Auch auf der PS3 skatet NHL 09 an die Spitze des Eishockeysports!

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