Disney Infinity27.08.2013, Mathias Oertel
Disney Infinity

Im Test:

Sammelfiguren, die in einem Spiel zu virtuellem Leben erweckt werden? Das gab es doch schon einmal? Richtig: Activision hat vor etwa zwei Jahren die Skylanders mit großem Erfolg in die Regale gestellt. Disney Interactive möchte auf diesem Modell aufbauen und schickt die Stars der eigenen Animations-Studios ins Rennen. Ist Disney Infinity (ab 52,00€ bei kaufen) mehr als ein Nachahmer?

Der Funke und die Fantasie

"Jede große Idee beginnt mit einem Funken Fantasie. Mit etwas Zeit, Hingabe und Sinn für Abenteuer kann sie wachsen. Sie beginnt zu leben und zu strahlen. Bis aus Fantasie Realität wird. Die Fantasie kann einen überall hin bringen, man muss nur den ersten Schritt tun." 

Mit diesen Worten, untermalt von einer ruhigen, aber unverkennbar von Disney geprägten Orchestermusik, beginnt Disney Infinity - und das sehr stimmungsvoll. Man steuert den Funken, der nach und nach ein leeres All zu einer bunten Disney-Welt macht, in der man Jack Skellington, Ralph, Woody, Buzz Lightyear, Captain Jack Sparrow und vielen anderen begegnet. Und ganz nebenbei erlernt man die Grundlagen der Steuerung, bis man schließlich als Finale des Einstiegs das aus den Intros der Filme bekannte Schloss sieht - eine klasse Idee, die mit einem enormen Wiedererkennungswert Sympathiepunkte sammelt.

Preise von Grundausstattung, weiterer Figuren sowie zusätzlicher Playsets:

Starterset mit drei Figuren und drei Abenteuer-Welten: ca. 70 Euro

Einzelfiguren: ca. 10 - 12 Euro

Playsets mit zwei Figuren und einer neuen Abenteuer-Welt: ca. 30 Euro

Power-Up-Münzen (Zweierpack): ca. 6 Euro

Bislang verfügbare Welten:

Die Monster Universität (Starterset)

Fluch der Karibik (Starterset)

Die Unglaublichen (Starterset)

Zum Start erhältliche Welten:

Cars

Lone Ranger

Geplante Welten (u.a.):

Toy Story

Ralph Reichts

Phineas und Ferb

Sämtliche Welten und Charakter-Daten sind bereits auf Disc enthalten und werden durch die Figuren und Playsets freigeschaltet. Ich muss zugeben: Obwohl Disney Infinity (DI) eigentlich der Trittbrettfahrer ist, der das Erfolgsmodell von Activisions Skylandern nachzunahmen versucht, fühle ich mich spontan mehr zu diesem Projekt hingezogen. Mein Herz schlägt schon seit meiner Kindheit für die Animationsfilme der Disney-Studios - eine Faszination, die bis heute Bestand hat. Durch den Bekanntheitsgrad der Welten und das für meinen Geschmack schickere Aussehen der Figuren, sammelt Infinity hier weitere Pluspunkte. Doch das ist nicht alles: Denn neben dem eigentlichen "Spiel" bekommt man hier mit der so genannten "Toy Box" (Spielzeugkiste) einen potenten Editor, in dem man seine eigenen Welten erstellen und manipulieren darf. Und dass das Entwicklerteam von Avalanche mit solchen Spiel- und Motivationszeit verlängernden Elementen Erfahrung hat, wurde zuletzt mit dem Spiel zu Toy Story 3 unter Beweis gestellt. Dort gab es ebenfalls eine Zweiteilung zwischen "Spiel" und Spielkiste, bei der man die Umgebung verändern und damit neue Missionen freischalten konnte.

Das Preismodell

Nachdem Activision vorgemacht hat, wie man in virtuellen Welten zum Leben erweckte Sammelfiguren zu Geld machen kann, ist es nicht verwunderlich, dass sich Disney Interactive mit einem frappierend ähnlichen Konzept zu neuen Umsatzhöhen aufschwingen möchte. Bedeutet dies im Gegenzug, dass man wie bei Skylanders bestimmte Bereiche nur mit bestimmten Figuren betreten darf? Und wie funktioniert der Einbau neuer Welten? Wie sieht es überhaupt mit den Preisen aus?

Nun, im Starterpack (das ca. 70 Euro kostet) finden sich neben drei Figuren (Sully, Mr. Incredible,  Jack Sparrow) und der „Toy Box“ der Zugriff auf drei so genannte „Abenteuerwelten“, in diesem Fall Die Unglaublichen, Die Monster Universität und Fluch der Karibik. Jedes dieser Abenteuer dauert in etwa viereinhalb bis sechs Stunden. Will man alles sammeln, was die Welten hergeben, kann man nochmals ein bis drei Stunden aufrechnen. Macht in etwa 15 bis knapp über 20 Stunden, die man mit den Abenteuern verbringen kann – plus natürlich die Zeit, die man in der Spielzeugtruhe mit der eigenen Welt verbringt.

Die Helden aus Cars sowie Radiator Springs als Spielwelt sind als seperate Figuren bzw. Playset erhältlich.
Die Helden aus Cars sowie Radiator Springs als Spielwelt sind als seperate Figuren bzw. Playset erhältlich.
Das Schöne bei den Abenteuern: Es gibt keine Gebiete, auf die man nicht von Anfang an zugreifen kann. Man kann mit der Grundausstattung die drei Abenteuer von Anfang bis Ende durchspielen, ohne vor verschlossenen Türen zu stehen, für die man eine andere Figur benötigt. Hier hat man sich gegenüber den Skylanders einen kleinen Vorsprung herausgearbeitet. Dass er letztlich nur klein und nicht gravierend ausfällt, liegt in der Natur der Dinge. Denn natürlich macht man über Videos an bestimmten Stellen Werbung für andere Helden und möchte die vorzugsweise jüngeren Spieler animieren, weitere Figuren zu erwerben. Die erfüllen im Wesentlichen zwei Zwecke: Zum einen ist kooperatives Offline-Spiel außerhalb der Toy Box nur mit Figuren aus dem gleichen Abenteuer-Set möglich. Wer also Jack Sparrow bei der Jagd auf den Kraken unterstützen möchte, muss in die Tasche greifen und sich Captain Barbossa oder Davy Jones für etwa zehn bis zwölf Euro kaufen. Damit hat man aber auch gleichzeitig Zugriff auf bestimmte Herausforderungen in den Welten, die nur einer Figur vorbehalten sind.

Die Add-ons und die Power-ups

Weiterhin gibt es "Tresore", die nur von diesem Charakter geöffnet werden können und die zusätzliche Bauteile beinhalten, die man wiederum in der Toy Box verwenden kann. Wer alle Figuren eines Playsets sein Eigen nennt, kann einen Supertresor öffnen, in dem sich viele und aufwändige Preise verbergen. Im Fall von Die Unglaublichen ist dies jedoch eine Extrausgabe von gut 40 Euro. Ich habe hier weniger Probleme als seinerzeit beim ersten Abenteuer von Activisions Sammelfiguren, bei der die zum Kauf neuer Charaktere anreizenden Einschränkungen größer waren als nötig.

Viel Spiel, viel Variation

Doch wie sieht es mit dem eigentlichen Spiel aus? Das gestaltet sich, je nach ausgesuchtem Abenteuer abwechslungsreich, wobei alle eine gesunde Mischung aus Erforschung der offenen Welten sowie speziell auf das jeweilige Universum abgestimmten Sonderaufgaben bieten. Während in der Monster Universität eher harmlose Aktivitäten und Schleichen auf dem Programm stehen, geht es bei den Unglaublichen handfest zur Sache: Man findet kaum eine Mission, bei der man nicht in einfach zu kontrollierenden Gefechten gegen immer größere Schergen von Syndrom antreten muss. In Fluch der Karibik wiederum findet man sich zusätzlich zum Kampf auch häufig auf hoher See segelnd wieder, so dass beinahe der Hauch eines kindgerechten Assassin's Creed 4 aufkommt. Und so hüpft, kämpft und erforscht sich durch die angenehm großen Areale, erledigt Missionen oder Herausforderungen und sammelt dabei rote bzw. grüne Kapseln, die wiederum neue Bauteile für die Toy Box und/oder die Spielwelt bereithalten. Denn wie schon in der Toy Box von Toy Story 3 darf man in einem überschaubaren Rahmen für Spielwährung neue Inhalte freischalten, die wiederum neue Missionen öffnen. So entsteht ein unterhaltsamer Kreislauf, der auch durch das zeitlos comichafte Artdesign und die Musikuntermalung am Leben gehalten wird, die sich an den Melodien der Filme orientiert oder sie direkt kopiert.

Jede Spielwelt (hier: Fluch der Karibik) hat ihre eigene Stimmung und ihren eigenen Fokus. Allen gemein ist der sympathische Comicstil.
Jede Spielwelt (hier: Fluch der Karibik) hat ihre eigene Stimmung und ihren eigenen Fokus. Allen gemein ist der sympathische Comicstil.
Doch egal ob man sich die drei Startwelten bzw. die Gebiete von Cars (Fokus auf Rennen und rennähnliche Challenges)oder Lone Ranger (minimales Warenmanagement gepaart mit Wildwest-Action und vielen Hol-/Bringaufgaben) anschaut: Das Anforderungsprofil ist eher bescheiden.  Abgesehen vom höchsten Schwierigkeitsgrad der dreistufigen Herausforderungen sind selbst jüngere Spieler meist unterfordert. Bei den meisten Sammelmissionen weist ein Kompass (optional) den Weg, bei Kämpfen unterstützt eine Zielhilfe und bei Sprungsequenzen weist wie in Tomb Raider Underworld ein leicht erleuchteter Vorsprung auf den nächsten sicheren Halt hin. Und selbstredend zieht der Verlust eines Lebens keine weitreichenden Konsequenzen wie Erfahrungs- oder Geldverlust nach sich. Dass man die eventuell über Disney Infinity erstmals mit Spielen in Kontakt geratenden Jungzocker nicht frustrieren und damit vom Kauf zukünftiger Figuren abhalten möchte, ist legitim. Allerdings hätte man mit nur wenigen Handgriffen auch die Spieler noch stärker ins Boot holen können, die schon etwas mehr Erfahrung mit Eingabegeräten haben. Stattdessen ärgern sich Alt und Jung gleichermaßen über die mitunter störrische Kamera und das etwas träge Fahrverhalten nicht nur der Cars-Boliden, sondern aller im Spiel enthaltenen Gefährte im Allgemeinen.

Die Spielzeugtruhe

Angesichts des selbst für Anfänger höchst moderaten Schwierigkeitsgrades ist ausgerechnet die Toy Box ein nicht ganz so einfach zu bedienender Selbstbau-Themenpark. Mit hunderten möglichen Bauteilen (je mehr Playsets und Figuren man hat, desto mehr Optionen hat man) sowie zahlreichen Modifikationen, die auch per Power-Disc freigeschaltet werden, ist der Fantasie kaum eine Grenze gesetzt. Das gilt übrigens auch räumlich. Denn man kann nicht nur in der Horizontalen (an-)bauen, was das Zeug hält, sondern vor allem auch nach oben. Mit rudimentär akkurater Physik, Schaltern, die mit Aktionen in Verbindung gesetzt werden können und zahlreichen anderen Hilfsmitteln kann man sich hier seine eigenen kleinen oder großen Spielwelten bauen. Rennen, Geschicklichkeitsspiele, Sprung-Herausforderungen: Vieles ist möglich.

Die Crux: Die Kleinen, für die die Abenteuer relativ leicht scheinen, werden ohne die Hilfe der Eltern bzw. der älteren Geschwister so schnell auf keinen grünen Kreativzweig kommen. Zu hakelig ist die Steuerung, zu vielfältig die Möglichkeiten, die sich in der Spielzeugkiste ergeben. Zwar gibt es Tutorials, die in die Grundlagen einführen – danach wird man allein gelassen. Sinnvoller wäre es gewesen, eine Toy-Box-Kampagne anzubieten, die über die Basisfähigkeiten hinausgeht, so dass der kreative Funke, der im Einstieg so treffend zitiert wird, auf die jungen Weltenerbauer überspringt. Immerhin gibt es für jede Figur, die man hat, auch in der Toy Box eine eigene Herausforderungen sowie eine stattliche Anzahl bestehender Minispiele. Natürlich kann man seine Weltkreationen mit Freunden teilen oder sie in die eigene Spieltzeugkiste einladen. Zusätzlich gibt es von Disney freigegebene bzw. erstellte Welten zum Download, so dass man einen zusätzlichen Eindruck von dem bekommt, was möglich ist - bzw. was man nicht in Angriff nehmen sollte.

Technische Einschränkungen

In der Welt des Lone Ranger muss man vielen Revolverhelden die Stirn bieten.
In der Welt des Lone Ranger muss man vielen Revolverhelden die Stirn bieten.
Denn obwohl die stilsicher eingesetzte Kulisse mit Comic-Einschlag theoretisch nicht allzu große Ansprüche stellen sollte und insgesamt gut zur Thematik passt, zeigt ausgerechnet einer der offiziellen Download-Level von Disney der Engine die Grenzen auf. Zwar demonstriert der Abschnitt eindrucksvoll, wie hoch man in der Spielzeugtruhe bauen kann, doch auf "Null-Level" ruckelt das Geschehen auf allen Systemen derart stark, dass die in den Abenteuern angenehm stabile Bildrate mitunter auf einstellige Werte abfällt. Interessanterweise hat die Wii U-Fassung die kleinsten Probleme, zeigt aber auch deutlichen Schluckauf. Sehr schade ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Gamepad bei der Auswahl der Bauteile einen leichten Komfortvorteil bietet, diesen aber bei der konventionell über die Sticks umgesetzten Platzierung der Versatzstücke nicht weiter ausbauen kann. Ansonsten nehmen sich die Versionen nicht viel: Die Effekte wie z.B. das Adhoc-Umschalten der Umgebung oder des Himmels, wenn eine Power-Disc eingesetzt wird, sind sehenswert. Die Hintergründe sind sauber, die Sichtweite ansprechend.

Einzig bei den mitgelieferten Sprachen gibt es noch leichte Unterschiede: In der 360-Version muss man auf englischen Ton oder Texte verzichten. Das ist zwar ärgerlich, kann man jedoch verschmerzen, denn die deutschen Stimmen sind richtig gut. Viele der bekannten Synchronsprecher wurden zudem hinter das Infinity-Mikrofon gestellt, was in der englischen Fassung nur selten der Fall zu sein scheint, so dass die hiesige Sprachausgabe authentischer wirkt.

Fazit

Natürlich ist das Konzept der zu virtuellem Leben erweckten Sammelfiguren nicht neu. Und auch wenn Disney Infinity nicht ganz so restriktiv mit den innerhalb des Startersets zur Verfügung stehenden Möglichkeiten umgeht wie seinerzeit Skylanders, hat man nicht das komplett uneingeschränkte Vergnügen zur Verfügung. Will man z.B. offline zu zweit in den Abenteuern antreten, sind Zusatzanschaffungen nötig. Doch letztlich bekommt man bereits mit dem Einstiegspaket ein abwechslungsreiches, wenngleich selbst für Kinder viel zu leicht zu bewältigendes Spielerlebnis in drei thematisch sowie mechanisch unterschiedlichen Welten mit je etwa vier bis sechs Stunden Unterhaltung. Die bislang angebotenen zusätzlichen Playsets pendeln sich ebenfalls auf diesem Niveau ein und schalten darüber hinaus weitere Bausteine für die Toy Box frei. Hier haben kreative Nachwuchsspieler haufenweise Möglichkeiten, ihre Disney-Fantasien auszuleben. Insofern die steile Lernkurve mit den gerade mal nötigsten Tutorials nicht für Frust bei den jungen Weltenbauern führt. Unter dem Strich fühle ich mich mit der gelungenen Mixtur aus klassischen Spielmechaniken in den offenen Welten sowie dem umfangreichen Editor von Disney Infinity wohler als in den bislang linearen Abenteuern der Skylands.

Pro

die drei Startwelten sind spielerisch abwechslungsreich...
mächtiger Editor... 
offene Welten mit viel Filmflair
sehr sympathisches Artdesign
an die Filme angelehnte oder daraus übernommene Soundtracks
gute deutsche Sprachausgabe
zusätzliche Playsets schalten neue Gebiete frei (Add-On-Charakter)
viele (teils optionale) Aufgaben
Heldengalerie als sich ständig verändernde visuelle Fortschritts-Anzeige

Kontra

... aber nur in Ausnahmefällen fordernd
... der allerdings nicht sehr intuitiv zu bedienen ist
Engine bei vielen vertikalen Elementen in der Toybox anfällig
keine englische Sprachversion enthalten (360)
nicht immer Original-Sprecher im Englischen
Bedienung der Toy Box hakelig
Abenteuer lassen sich kooperativ nur mit Figuren des gleichen Sets spielen

Wertung

360

Die Mischung aus Sammelfiguren, potentem Editor, offenen Spielwelten mit abwechslungsreichen Aufgaben sowie viel Disney-Flair geht auf - trotz Detailschwächen und mitunter maroder Kameraführung.

PlayStation3

Dank des potenten, aber nicht immer leicht zu bedienenden Editors ist Infinity mehr als nur ein Skylanders-Verschnitt mit offenen Welten und Disney-Figuren.

Wii_U

Dank des potenten, aber nicht immer leicht zu bedienenden Editors ist Infinity mehr als nur ein Skylanders-Verschnitt mit offenen Welten und Disney-Figuren. Leider wird das GamePad nicht optimal in der Toy Box genutzt.

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