Im Test: Übersinnlich oder wahnsinnig?
Ein etwas anderes Gerichtsverfahren
Der Star-Anwalt kippt fast aus den Latschen, als er vom martialischen Rechtssystem der übersinnlichen Monarchie erfährt. Nicht nur ein harmlos wirkender Junge soll zum Tode verurteilt werden: Auch Phoenix droht in diesem Staat die Todesstrafe, wenn er es nicht schafft, einen Freispruch für seinen jungen Fremdenführer zu erwirken, der ihm doch gerade noch so unbeschwert den Tempel und andere Sehenswürdigkeiten zeigen wollte. Kein Wunder, dass sich im Königreich schon seit Jahren kein Anwalt mehr getraut hat, den Anklagen zu widersprechen. Der Beweis für die Verbrechen kommt schließlich direkt von oberster Stelle: Die wie eine Göttin verehrte Kronprinzessin und Priesterin Rayfa Padma Khura’in startet vor Gericht regelmäßig Seancen, um die letzten Erlebnisse, Gefühle und Gedanken von Todesopfern in einer Projektion sichtbar zu machen. Widerspruch scheint also zwecklos, schließlich hat der Richter die ganze Wahrheit praktisch bequem vor Augen – oder etwa doch nicht? Zumindest in diesem Fall spürt Phoenix, dass etwas faul ist und setzt sein eigenes Leben für den jungen Ahlbi aufs Spiel, der einen Wächter erschlagen und ein Artefakt gestohlen haben soll, das als wichtigstes nationales Heiligtum verehrt wird.
Slapstick und Wortspiele bis zum Abwinken
Schon in den Vorgängern handelte es sich um alles andere als gewöhnliche, dröge Gerichtsverfahren: Zeugen bekommen Tobsuchtsanfälle, verkleiden sich kurzerhand, zerhacken in Rage riesige Fische, offenbaren gespaltene Persönlichkeiten oder stellen andere derart bizarre Wesenszüge zur Schau, dass daneben selbst alte Gerichts-Soaps wie Barbara Salesch seriös wirken. Auch diesmal geht es wieder heiß her: Capcom hat erfreulich viel Liebe ins Design der verschrobenen Charaktere fließen lassen, die zum Großteil herrlich bescheuerte Wortwitz-Namen besitzen: Der zunächst noch gutmütige, relaxte Hippie-Gitarrist und Obermönch trägt z.B. den passenden Namen Pees’lubn Andistan’dhin. Fühlt er sich erst einmal in die Enge gedrängt, wird aus dem vorgeblich friedensliebenden Barden aber plötzlich ein rasender Metal-Gitarrist, der seiner Wut in wilden Gitarrensoli vor pulsierenden Riesenboxen freien Lauf lässt.
Ein besonderer Tanz
Noch schöner als die Aufführung an sich ist allerdings, dass sie auch im Kontext des Falls und der Rätsel eine ganz besondere Bedeutung erhält. Ich will nicht zu viel verraten, aber ihr solltet beim Zuschauen und -hören gut aufpassen und euch nicht nur berieseln lassen. Allgemein kann es nicht schaden, die zahlreichen Dialoge aufmerksam zu studieren, weil sich daraus hilfreiche Hinweise ergeben. Manchmal ist das aber gar nicht so einfach, weil sich die Figuren wortwörtlich den Mund fusselig reden. Alle Themen, Indizien, Bedenken und Smalltalk-Gespräche werden in beachtlicher Länge ausgewalzt.
Esoterisches Verhör toter Zeugen
Es dauert eine Weile, bis man ein Gefühl für die automatisch weiterlaufenden Eindrücke bekommt: Wann man sie stoppen sollte, wie nun die Eindrücke dem Tathergang widersprechen könnten und welche gesammelten Beweisstücke man aus der Gerichtsakte zum Anzweifeln präsentieren sollte. Der Schmerz vorm Tod z.B. tritt im Gegensatz zur Version der Anklage erst ein, nachdem es in der Videosequenz dunkel wird. Im Prinzip logisch, im Laufe der Videosequenz mitunter aber etwas verwirrend dargestellt. Deutlich überzeugender wirken wieder die klassischeren Schlussfolgerungen des jungen Apollo Justice und seiner liebenswert aufgedrehten Anwaltspartnerin Athena. Sie müssen Phoenix‘ Adoptivtochter, die Magierin Trucy Wright, in einem Mordfall verteidigen. Nachdem dem Magier Mr. Reus (nicht verwandt mit Fußballstar Marco) auf der Bühne ein echtes Schwert statt einer Requisite in die Seite gerammt wurde, wird Trucy nicht nur des Todschlags, sondern des Mordes bezichtigt.
Fast wie früher?
Mit bloßem Ausprobieren kommt man hier nur selten weiter, meist muss man mit wachem Geist bei der Sache sein, um kleine Unstimmigkeiten zu entdecken. Wie kann z.B. die häschenhafte Assistentin Bonny de Famme das Geschehen unter der Bühne mitbekommen haben, wenn sie die ganze Vorstellung über für das Publikum sichtbar war? Apollo und Athena verlassen sich auf ihre Menschenkenntnis und ihre besondere Auffassungsgabe: Apollo kann feinste Gemütsänderungen an verräterischer Mimik wie leichtem Zittern oder Zwinkern erkennen, während Athena kleinste Unregelmäßigkeiten beim Sprechen registriert, etwa eine zitternde Stimme.
Etwas umständliches Herumschnüffeln
Fazit
Respekt an Capcom: Statt nur zum x-ten Mal ein Standard-Programm abzuspulen, haben sich fast alle Teile des Teams noch einmal richtig ins Zeug gelegt: Derart zauberhaft inszenierte Zwischensequenzen, Schwenks und Animationen hätte ich der Serie gar nicht zugetraut! Schön, dass sie nicht bloßes Eye-Candy bleiben, sondern in die angenehm kniffligen Gerichtsverfahren und Ermittlungen eingebunden wurden. Auch die Geschichte rund um das esoterische Königreich und diverse andere Rätsel hat immer wieder meine Neugier geweckt, zumal sie oft vom gewohnt bizarren Humor aufgelockert wird. Ab und zu übertreiben es die Dialogschreiber mit dem Auswalzen von Details, was im Gegenzug aber zu einer üppigen Spielzeit von rund 25 bis 30 Stunden führt. Außerdem ging mir mitunter die Beweissuche in den übersinnlichen Visonen auf die Nerven, weil sie im Vergleich zum klassischen Verhör oft zu vage und verwirrend bleibt. Die meiste Zeit über hat mich Phoenix Wrights aktuelles Abenteuer mit seinen knackigen Rätseln und viel Humor aber gut unterhalten.
Pro
Kontra
Wertung
3DS
Gelungene und aufwändig produzierte Ausgabe des albernen Gerichtsabenteuers mit kleinen Macken bei Dialogen und den übersinnlichen Ermittlungsmethoden.
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