Früher war alles besser
Bereits mit dem ersten Sprung auf die Plattformen in der zwar dreidimensionalen, aber auf eine 2D-Ebene beschränkten Umgebung sowie dem ersten Schwerthieb des Gottes Helios als Spielfigur wird klar, dass SolSeraph sich an ActRaiser orientiert. Ursprünglich 1992 auf dem Super Nintendo erschienen sowie auf Wii im Rahmen der Virtual Console erneut veröffentlicht, hat sich die Mischung aus klassischer 2D-Plattformaction und strategischem Stadtbau schnell eine stattliche Fangemeinde sichern können und ist Stammgast in den Listen der besten SNES-Titel. Eine hohe Einstiegshürde für Ace Team, aber auch eine, die bei einer Neuninterpretation eines 27 Jahre alten Spiels genommen werden dürfte. Sollte man meinen. Denn die zumeist seitwärts scrollende Plattform-Action in SolSeraph ist nur konzeptionell gelungen. Die Kulisse ist dank Unreal-Technologie zwar fast überall prinzipiell ansehnlich, zeigt aber auf One X und Switch Schwächen. Die Bildrate z.B. hat auf dem Premium-System von Microsoft immer wieder Probleme, sich auf einem flüssigen Niveau einzupendeln. Auf Switch läuft es tatsächlich sauberer, ist aber vor allem am großen Flachbild-TV ein Pixelbrei sondergleichen. Gerade so, als ob die Auflösung für den Mobilbetrieb optimiert wurde und dann im Dock auf 720p aufskaliert wird.
Die Plattform-Sequenzen fallen durch träge Umsetzung der Knopfeingaben sowie problematische Kollisionsabfrage auf.
Das größte Problem ist aber nicht die Technik, die über alle Systeme hinweg auch bei Kollisionsabfragen nicht immer über alle Zweifel erhaben scheint. Es ist vielmehr die leichte Trägheit beim Umsetzen der Knopfeingaben, die sich auf allen Systemen zeigt und die zu häufig stört, als das man sie ignorieren könnte. Vor allem beim Übergang von (Doppel-)Sprüngen in die bescheidenen Angriffskombos und beim „schnellen“ Wechsel von Angriffen in die geschützte Schildposition bzw. den Ausweichschritt nach hinten gibt es immer wieder störende Verzögerungen, die unnötige Abzüge der knappen Lebenspunkte nach sich ziehen. Man lernt zwar schließlich, diese Trägheit in entscheidenden Situation vorwegzunehmen und so die Auswirkungen zu minimieren. Frustrierend ist es aber dennoch – zumal ActRaiser damals diese Probleme nur sehr eingeschränkt hatte und Ace Team schon bei Abyss Odyssey (veröffentlicht 2014) ähnliche Probleme hatte. Doch SolSeraph hat wie sein Vorbild noch ein zweites Spielelement: Strategischen Siedlungsbau. Dieser ist jedoch anders als vor mehr als 25 Jahren weniger in einem klassischen SimCity verhaftet, sondern ist letztlich nurmehr das Fundament für eine Variante der Tower Defense.
Oberflächliche Strategie
Um der in regelmäßigen Abständen auf festen Wegen näherkommenden Monstermassen Herr zu werden, muss man Verteidigungsanlagen an oder Fallen auf den Straßen platzieren. Diese fordern wie auch die zivilen Gebäude wie z.B. Wohnhäuser, Farmen usw. in erster Linie Holz als Baustoff, der allerdings begrenzt ist. Und damit hat man die einzige wirkliche Herausforderung: Man muss in der Frühphase erfassen, an welchen Positionen Holzfäller-Lager Sinn ergeben, dann so schnell wie möglich die Zugänge dorthin ermöglichen und kann sich dann um die Versorgung der Bevölkerung sowie die Verteidigung der Siedlung kümmern. Zwischen den Wellen sollte man die Zeit nicht nur für eine Optimierung der simpel gestrickten Abwehrmaßnahmen sorgen, in die man auch mit Götterkräften eingreifen darf, sondern tunlichst einen Tempel in der Nähe der Monsterportale aufbauen, damit man die hinter Wolken versteckten Lager freilegt und diese dann mit Helios in einer weiteren 2D-Plattformsequenz reinigt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass mit der nächsten Welle hier keine Gegner
Die strategische Seite mit Siedlungsbau und Tower Defense bleibt durchweg oberflächlich.
mehr auftauchen. Stattdessen sorgt jede Reinigung nur dafür, dass der Schutzwall vor dem letzten Bossareal kleiner wird und man sich so an die finale Auseinandersetzung heranarbeitet, bevor es in einem neuen Land mit ggf. neuen Gebäuden, aber dem gleichen Basiskonzept weitergeht.
Die prinzipielle Mischung aus Plattform-Action und Siedlungsbau bzw. Tower Defense Light hat wie im Vorbild ihren Reiz. Nur gibt es mittlerweile in jedem Einzelbereich Titel, die zeigen, wie es besser geht, so dass auch die Summe der Elemente nur sehr eingeschränkt zu unterhalten versteht. Ace Team verpasst es leider, sowohl den Plattformer als auch die Aufbau-Strategie auch nur ansatzweise mit Tiefgang auszustatten. Herausfordernd ist SolSeraph – keine Frage. Doch dass der Schwierigkeitsgrad sich eher durch Trial&Error sowie technische Unzulänglichkeiten ergibt, ist bedauerlich und nur ein schwacher Trost dafür, dass alle Mechaniken an der Oberfläche bleiben, anstatt das Konzept des Klassikers angemessen in die Gegenwart zu transportieren.