198X in 2019
Diese schwedische Liebeserklärung an das Pixelspiel der späten 1980er erschien für PC und PS4 bereits im Sommer - Switch und Xbox One sollten im Verlauf dieses Jahres ebenfalls versorgt werden. Nun, da sich 2019 unweigerlich dem Ende nähert, muss man wohl konstatieren: Der System-Rundumschlag anno 2019 hat nicht funktioniert. Daher schnappen wir uns noch rasch die bereits veröffentlichten Fassungen - denn etwas Pixelliebe unter dem Weihnachtsbaum hat noch keinem geschadet…
198X stammt vom Stockholmer Team Hi-Bit Studios, Teile der Mannschaft sind nach eigenen Angaben aber rund um den Globus verstreut - so wirkte z.B. auch der japanische 16-Bit-Soundmagier Yuzo Koshiro (Streets of Rage, Shinobi, ActRaiser) an der Musikuntermalung mit. Im letzten Jahr halfen Crowdfunding-Kampagnen bei Kickstarter und Indiegogo dem Spiel auf die Zielgerade, übrigens soll 198X nur der erste Teil einer episodisch veröffentlichten Reihe sein - mal schauen, ob das ambitionierte Vorhaben klappt.
Ein verregneter Samstagabend Ende der 1980er Jahre, man hat nichts zu tun - da locken nur Videothek und Arcade.
Gemäß der Aristoteles’schen Weisheit, dass ein Ganzes mehr als die Summe seiner Teile sein könne, ist auch 198X mehr als die Aneinanderreihung fünf kurzer Arcade-Happen: Die Geschicklichkeitseinlagen (dazu gleich mehr) sind vielmehr nur das spielerische Fleisch zwischen wunderschönen, mit Pixeln gemalten Zwischensequenzen, die eine vage, aber trotzdem gefühlvolle Coming-of-Age-Geschichte erzählen. Der jugendliche Protagonist Kid streift durch die Straßen von Suburbia, melancholische Klänge sorgen für eine heimelige Atmosphäre, wenn Kid an Reihenhäusern vorbeiläuft, im Regen vor einer Videothek wartet oder in die örtliche Spielhalle abtaucht - man spürt, dass sich das Leben eines amerikanischer Teenagers in den späten 1980ern tatsächlich so angefühlt haben könnte. Zwar werden Themen wie die erste Liebe nur gestreift, grafische Details wie die Turnschuhe der Spielfigur, der Walkman auf dem Bett oder die Neonreklame in den Straßen sorgen aber für eine glaubhafte Stimmung und emotionale Bindung.
Parforceritt durch die Genres
Von links oben im Uhrzeigersinn: die fiktiven Arcade-Oldies "Beating Heart", "Out of the Void", "Shadowplay" und "Kill Screen".
Das Gros der circa zweistündigen Spielzeit verbringt man aber mit fünf fiktiven Arcade-Titeln - die es zwar nie gegeben hat, die aber verdammt nah an ihren realen Vorbildern sind. Und die den Zocker einmal kreuz und quer die Genrelandschaft der beliebtesten Spielarten Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er scheuchen. Den Start macht „Beating Heart“ - eine ausgesprochen hübsche Hommage an Sidescroll-Prügler wie Final Fight oder Streets of Rage. Vor heruntergekommen Hinterhofkulissen kloppt man sich mit messernden Punk-Ladies und Motorradrüpeln, den obligatorischen Baseballschläger zum Aufsammeln gibt es auch. Bevor Langeweile aufkommt oder man sich fragen kann, ob Schlag- und Kicksprung-Kämpfe längerfristig motivieren würden, ist diese Episode schon vorbei - dann steht wieder Kids Geschichte für ein paar Minuten im Fokus. Die nächste Runde Eskapismus beamt den Spieler zum klassischsten alle Arcadegenres, dem Shoot’em-Up: „Out of the Void“ könnte beinahe als verschollene R-Type-Episode durchgehen - wenngleich Scoring- und Power-Up-System sehr simpel sind, ist der Look des Horizontalshooter unverschämt nah an den Klassikern. Drei weitere Arcade-Minis - das Out-Run-inspirierte Rennspiel „The Runaway“, das Dungeon-RPG „Kill Screen“ und der Ninja-Actioner „Shadowplay“ - sorgen für ähnlich nostalgische Ausflüge - allen gemein ist eine ordentliche Steuerung und simple, aber gut funktionierende Mechaniken; mitunter kann es sogar knifflig werden. Aber keine Sorge - euer fiktiver Teenie hat immer unendlich Continue-Münzen in der pixeligen Jeans.