Immersion neu definiert
Was ist Sid Meier damals Besonderes gelungen? Schon in
Der Erfinder großer Klassiker wie Pirates, Silent Service oder Civilization: Sid Meier
Silent Service war die Immersion sehr stark - also das Gefühl, ein Teil der Spielwelt zu sein. Doch in Pirates übertraf sich der Meister selbst. Es war die Summe der Einzelteile, welche die Faszination Pirates ausmachte. Da segelte man mit seiner Schaluppe „gefühlte“ Tage (real max. zehn Minuten) über den unbekannten, mitunter stürmischen Ozean, um dann endlich die ersehnte Meldung vom Ausguck zu erhalten: Schiff gesichtet! Es folgte ein simples Mini-Game, in dem man das gegnerische Schiff einholen und mit Breitseiten beharken musste, um es schließlich zu entern. Schon das allein machte einen Höllenspaß, war immer fair und der Ausgang wirkte nie willkürlich.
Es folgte so dann das „Herzstück“ des Spiels: Der Fechtkampf Kapitän gegen Kapitän. Hier nahm man direkten Einfluss auf den Verlauf der Schlacht. Wer gut war und mit dem Gegner kurzen Prozess machte, konnte selbst mit 25 Mann Besatzung gegen 120 Gegner bestehen - es musste nur schnell gehen, denn Besatzung wurde immer weiter runtergezählt. Waren alle Mitstreiter gefallen, bevor man den gegnerischen Kapitän bezwungen hatte, nützten auch die besten Fechtkünste nichts mehr, dann war die Schlacht unweigerlich verloren. Doch so weit kam es ja meist nicht. Wenn man sich nicht gerade mit 15 Mann gegen eine spanische Galeone mit 250 Mann wagte, ging alles gut. Und selbst wenn nicht, so konnte das Spiel verzeihen: Sterben war nicht möglich. Schlimmstenfalls landete man als Schiffbrüchiger für einige Monate auf einer Insel oder als Gefangener in einem Kerker. Das gab dann bei der „Endabrechnung“ Abzüge in der B-Note, aber man konnte dennoch ein sehr gutes Ende erreichen.
Vielfältiges Spielerlebnis
Die Faszination liegt auch darin begründet, dass das Spiel für die damalige Zeit so
Schwertkampf anno 1987...
unglaublich facettenreich war. Zu dem kriegerischen Geschehen gab es die Option, vergrabene Schätze zu finden oder die verschollen geglaubte Familie wieder zu vereinen. Wer wollte, konnte es auch als eine Art Handelssimulation spielen und seinen Reichtum mit diversen Waren mehren. Das Ziel bestand gleich aus mehreren Punkten: Zum Beispiel das Erreichen aller hohen Adelstitel bei allen Nationen. Dies war möglich, weil sich die Beziehungen zwischen den Nationen innerhalb der Spielzeit per Zufall änderten und man durch geschicktes Ausnutzen der diplomatischen Situation bei jeder Nation „punkten“ konnte. Hinzu kamen das Finden der gesamten Familie (Mutter, Vater, Schwester, Onkel). Oder das Finden der vier Inka-Schätze durch die Karten der Familienmitglieder, die Plünderung des Silver Trains oder der Treasure Fleet. Und schließlich die Heirat der schönsten Gouverneurstochter – mit Betonung auf „schön“! Der Autor dieser Zeilen musste im Juli 1987 beim ersten Durchspielen schmerzlich feststellen, dass die „erstbeste Tochter“ wahrlich keine gute Wahl war und am Ende zu signifikanten Punktabzügen führte! Oh Sid, was hast du mir damals schon alles Wichtiges beigebracht.
Die Abrechnung
Am Ende der Karriere (die Spielzeit konnte sich für damalige Verhältnisse sensationell
...im Vergleich zum Schwertkampf 2008 (Xbox-Version).
über Tage ausdehnen) wurde je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad ein bestimmter Teil der erbeuteten Schätze zugewiesen und eine Auswertung vorgenommen. Darin flossen persönliches Vermögen, Adelstitel, geschenkte Ländereien, der Status der Frau, das eigene Alter, die gefundenen Familienmitglieder, das Vermögen, welches der Crew nach Aufteilung zuging und die Anzahl der persönlichen Niederlagen ein.
Schließlich wurde dem Spieler mit Text und Bild präsentiert, wie er nach seiner Piratenkarriere weiterlebt. Das war je nach Erfolg ein Leben als Landstreicher bis zum höchsten erreichbaren Grad: Berater des Königs. Ich habe nicht locker gelassen, bis mir dies beim dritten Durchspielen endlich gelang. Ich denke bis heute mit einer großen Portion Wehmut an den Sommer 1987 zurück, als ich die pixeligen, aber wunderschönen Gewässer der Karibik unsicher machte...Ahoi! Und ne Buddel voll Rum!
PS: Kaum ein Spiel wurde derartig oft neu aufgelegt. Die Amiga- und die grafisch
Wer im Besitz der Originalkarte war, konnte sich glücklich schätzen. Ansonsten musste der Schul-Atlas herhalten.
nochmal deutlich verbesserte DOS-Gold-Edition von 1993 seien hier besonders hervorgehoben. Aber auch die 2004er Windows- sowie die iOS-Edition oder die aktuelle Windows-Phone- Version können sich sehen lassen. Allen ist eins gemeinsam: Die erstaunliche Faszination, die auch in zweiter Generation greift...meine Jungs lieben den Ausflug nach West-Indien jedenfalls genauso sehr wie ich damals.
PPS: Für nur 5,99 Dollar kann man auch auf aktuellen Rechnern die Ur-"PC-Booter"-Fassung von '87 (welche inhaltsgleich zur C-64 Version ist) und die MS-DOS-Gold-Edition von '93 vollkommen legal inkl. Handbuch, Karten und Soundtrack ohne DRM erwerben. Das Ganze läuft einwandfrei in einer Dos-Box und erfordert nach Installation keinerlei Fachkenntnisse. Bei
www.gog.com werdet ihr fündig.