„Ich kann deinen Controller mit meiner Willenskraft bewegen“
Die Bosskämpfe sorgten außerdem für weitere Höhepunkte innerhalb dieser famosen Tactical Espionage Action – allen voran die kultige Begegnung mit Psycho Mantis und dessen „Machtdemonstrationen“, mit denen Kojima auf unterhaltsame Weise die vierte Wand durchbrach – genau wie mit der Frage nach Meryls Funkfrequenz als Mini-Kopierschutz, da sich diese auf der Rückseite der Originalverpackung befand. Für mich zählt die Auseinandersetzung mit Psycho Mantis zu den besten und kreativsten Bosskämpfen aller Zeiten. Doch auch die Konfrontationen mit den restlichen abtrünnigen Mitgliedern der Fox Unit hatten es in sich, seien es die packenden Scharfschützelduelle gegen Sniper Wolf, die Kämpfe gegen Vulcan Raven sowie Revolver Ocelot oder das Auftauchen des ominösen Ninja-Cyborgs. Und selbstverständlich Liquid Snake, der mir damals nicht nur an Bord des schwer bewaffneten Hind D, sondern auch im finalen Zusammentreffen mit Metal Gear viele Schweißperlen auf der Stirn beschert hat. Hier zeugten die Bosskämpfe noch von Klasse, kreativen Impulsen, Abwechslung und Anspruch –
Die Codec-Gespräche waren informativ, witzig, nützlich und unterhaltsam.
eine Qualität, die schon in Metal Gear Solid 4 nachließ und die man bei The Phantom Pain noch stärker vermisst.
Viele Fragen, starke Twists, interessante Charaktere
Und all das wurde eingebettet in eine großartig inszenierte Geschichte, die zwar auf den ersten Blick inhaltlich mit atomarer Bedrohung durch Terroristen an einen durchschnittlichen Actionfilm erinnerte, aber mit überraschenden Wendungen, interessanten Charakteren und Ereignissen durchaus Emotionen weckte und mit gesellschaftskritischen Untertönen zum Nachdenken anregte. Für mich war Metal Gear Solid eines der ersten Videospiele, das ich trotz der Gewalt und des militärisch geprägten Szenarios als Anti-Kriegsspiel wahrnahm – man denke z.B. an die rührende Szene mit der sterbenden Scharfschützin Sniper Wolf und Hal Emmerich. Gleichzeitig sorgte das Drehbuch mit Ereignissen wie den tödlichen Anfällen wichtiger Figuren und mysteriösen Charakteren wie dem Cyborg immer wieder für tolle Spannungsmomente und fantastische Aha-Effekte.
Dabei setzte Kojima hier noch nicht so stark auf Zwischensequenzen, sondern überzeugte durch eine gelungene Balance aus Film und Spiel. Die Codec-Gespräche waren dabei ein wesentlicher Bestandteil, den man schon von den MSX-Einsätzen kannte. Wie schön es doch war, von Mei Ling mit Sprichwörtern bombardiert zu werden, von Naomi Hunter nach der Folter-Tortur eine Nanomaschinen-Massage mit dem DualShock-Controller zu bekommen oder den nützlichen Hinweisen des Colonels, Master Miller oder Nastasha Romanenko zu lauschen. Es hat einfach Spaß gemacht, zwischendurch mit den Leuten zu plaudern, zu denen später auch noch Meryl Silverbourgh, Hal Emmerich und der geheimnisvolle Informant „Deepthroat“ hinzu stießen.
Die Schlange spricht Deutsch
Guter Klon, böser Klon.
Metal Gear Solid ist der einzige Teil innerhalb der Reihe, der nicht nur mit Untertiteln versehen, sondern auch mit deutschen Sprechern lokalisiert wurde – ein Aufwand, den sich Konami rückblickend betrachtet besser gespart hätte. Spätestens wenn ich erneut die schrille Stimme der im Original so süßen Analystin Mei Ling höre, läuft es mir in der deutschen Fassung eiskalt den Rücken runter und ich sehne mich umgehend nach den Originalsprechern rund um David „Snake“ Hayter, der in The Phantom Pain leider durch Kiefer Sutherland ersetzt wurde, obwohl der 24-Darsteller ebenfalls einen guten Job macht.
Bei Remake The Twin Snakes, das in Zusammenarbeit mit Silicon Knights („Eternal Darkness“) entwickelt wurde und exklusiv für Nintendos GameCube erschien, hatte man bei Konami ein Einsehen und verzichtete lieber auf eine komplette Lokalisierung, wie man es zuvor schon beim Nachfolger Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty getan hatte, der 2001 zuerst auf der PlayStation 2 erschien. Dabei nutzte die Neuauflage für die Würfel-Konsole nicht nur die verbesserte Technik der Fortsetzung, sondern implementierte auch einige Mechaniken wie die Ego-Perspektive und wurde durch weitere Zwischensequenzen ergänzt, die unter der Mithilfe des japanischen Regisseurs und Drehbuchautors Ryuhei Kitamura entstanden.
Ein Meilenstein
Das Gamecube-Remake nutzte Technik und Mechaniken des zweiten Teils.
Doch egal ob PlayStation-Original oder Gamecube-Remake: Für mich markiert Metal Gear Solid eine der beeindruckendsten und intensivsten Erfahrungen, die ich jemals mit Videospielen machen durfte und legte den Grundstein für eine Faszination, die bis heute anhält. Zwar verlor Kojima wahrscheinlich selbst irgendwann den kompletten Durchblick bei all den komplexen Handlungssträngen mit ihren Organisationen, Charakteren und Ereignissen, doch es gibt für mich kaum eine andere Spiele-Reihe, die mich ähnlich gepackt hat, wie diese hier. Bleibt nur zu sagen: Danke, Hideo Kojima! Danke für Metal Gear Solid und dieses beeindruckende, kreative Stück Videospielgeschichte, das die Symbiose aus Film und Spiel sowie das gesamte Stealth-Genre entscheidend prägte.