Bionic Commando: Rearmed 211.02.2011, Jörg Luibl
Bionic Commando: Rearmed 2

Im Test:

Vor knapp zwei Jahren bescherten Capcom und GRIN allen Veteranen ein nostalgisches Comeback in die frühe Arcade-Zeit: Mit Bionic Commando: Rearmed kehrte ein Klassiker aus NES-Zeiten zurück, der längst verloren geglaubte Plattformgelüste befriedigte. Es war die alte, die schwere und die heroische Schule, die da auf Xbox 360, PlayStation 3 und PC mit viel Schwung unser Gold eroberte. Kann der Nachfolger noch höher hinaus?

Einstürzende Schwungbauten

Nein, er stürzt sogar ab auf ein befriedigendes Niveau. Entschuldigung für den Wertungsspoiler, aber genauso schnell landet man als Spieler auf dem frustrierenden Boden der Tatsachen, wenn man mal wieder unbeabsichtigt in den Tod stürzt. Diesem Bionic Commando fehlt die explosive Flüssigkeit und der konsequente Fokus. Woran liegt das?

Nicht an der belanglosen Story, die den Trash mit seinem frisch gegelten Schnäuzerhelden einfach anbeten muss: Die ein paar Jahre nach dem Vorgänger angesiedelte Geschichte um den Angriff von Terroristen, die nur schlagfertige Bioniker aufhalten können, enthält so dämliche Dialoge zwischen Mensch und Maschine, dass sie schon wieder witzig sind - wer nach Sprüchen aus dem Universum der alten Automatenhelden lechzt, wird hier fündig. Egal, ist ja kein Rollenspiel, sondern ein Actionspiel. Selbst dass man die PS3-Version tatsächlich nur online spielen kann (zumindest muss man im Netz sein, um sie zu starten, danach kann man auch offline weiter spielen), ist zwar ebenso nervig wie überflüssig, aber nicht entscheidend für die qualitative Beurteilung.

Viel schlimmer und vor allem wertungsrelevanter ist etwas ganz anderes: Die Sprung- und Schwungmechanik. Die wurde tatsächlich nicht verbessert - im Gegenteil: Schon im Vorgänger haben wir die gewöhnungsbedürftige Steuerung als Kontrapunkt aufgeführt, sie hätte unbedingt modernisiert oder ergänzt werden müssen, indem man das freie Schwingen weiter fördert, aber diesmal hat man sie noch verschlimmbessert. Das kann nicht am Entwicklerwechsel liegen, denn das neue Team von Fatshark besteht zu einem großen Teil aus ehemaligen GRIN-Leuten. Scheinbar haben die Schweden die Evolution ihrer Spielmechanik aber gar nicht im Sinn gehabt. Der erste Teil war noch ein Remake im klassischen Sinne, aber hier erwartet man den nächsten Schritt nach vorne für diesen Schwungplattformer - aber es geht zurück.

Steife Steuerungszicken

Schwing dich ins Glück? Nein, so flüssig ist die Steuerung nicht...
In Nathan Spencers adretter Uniform samt neuem Schnäuzer fühlt man sich nämlich nicht agiler, sondern steifer und beschränkter - Trine und Shadow Complex spielen sich dagegen wie visionäre Plattformer. Warum kann ich meinen Greifarm nicht präziser und freier auswerfen? Warum muss ich im Gegensatz zum Vorgänger auch noch einen Knopf drücken? Man kann ihn nur gerade nach oben, direkt vorwärts oder schräg im 45-Grad-Winkel abfeuern, um Simse, Dächer oder Gegenstände wie Fässer in die Fänge zu bekommen. Was sich simpel und ausreichend anhört, ist aber in der Praxis mit dem Analogstick plus Knopfdruck zu fummelig: In der Hitze des Gefechts verzeiht das Spiel keinen einzigen Pixel Abweichung, sonst hält der Greifer nicht. Das führt dazu, dass der Arm quasi wie eine Schlange heraus schnellt, immer wieder, bis man endlich mal hat, was man haben will. Warum gestaltet man das nicht intuitiver?

Bitte nicht falsch verstehen: Ich mag anspruchsvolle Plattformer, ich beiße mich auch gerne in Steuerungen hinein , aber dann muss ich dafür belohnt werden! Das Spiel darf nicht in einfachen Situationen so oft unterbrochen werden. Warum kann ich nicht in einem flüssigen Ablauf von Plattform zu Plattform schwingen? Ja, das klappt auch hier, das Spiel ist ja kein Totalabsturz, aber es funktioniert nicht gut und oft genug. Warum werde ich in meinen Aktionen so oft unterbrochen, muss umständlich immer wieder das Seil ausfahren oder den Arm bzw. Analogstick ausrichten? Hätte man die Kontrolle nur etwas freier und verzeihlicher gestaltet, würde man nicht so oft in den weit verschachtelten, verdammt hohen Arealen abstürzen - das vergrößerte Design der Welt zwingt noch mehr zur vertikalen Erkundung. Man stürzt zwar nicht im Sekundentakt, aber innerhalb eines Levels immer wieder an  blöden Stellen - nicht weil das Ganze so schwierig wäre, sondern weil sich das Ganze so chaotisch anfühlt. 

Strunzdumme Feinde warten auf simple Ballereien.
Das liegt auch an der fehlenden Übersicht: Einerseits ist es klasse, dass man das Leveldesign gegenüber dem Vorgänger so klar geöffnet und umfangreicher gestaltet hat - so gibt es trotz einiger monotoner und redundanter Passagen alternative Routen, mehr Schalter und Apparate sowie mehr Geheimnisse; sehr schön! Andererseits verliert man im Kletteralltag häufig die Übersicht der nächsten Schritte, weil man im Trüben des kleinen Maßstabs unterwegs ist. Man kann in der Vertikalen oder Horizontalen nicht scrollen, so dass man sich nie einen Ausblick auf die nächste Tour und das große Ganze verschaffen kann - manchmal muss man fast blind schwingen oder springen.

Unglücklich ist auch, dass es im kooperativen Abenteuer zu zweit keinen automatischen Übergang in den geteilten Bildschirm gibt, wenn sich die beiden Figuren zu weit voneinander entfernen - so kann man die umfangreichen Level kaum sinnvoll zusammen erkunden, weil der Bereich begrenzt ist und die Trennung mit einem kurzen Zeitlimit bis zur Wiedervereinigung auch noch sanktioniert wird. Es ist nicht alles schlecht an den Zusätzen: Der gewollte Tod von oben weiß als neue Bewegung zu gefallen. Man kann sich mit einer Stampfattacke in eine untere Ebene stürzen, um gleich mehrere Feinde zu erwischen oder brüchigen Boden aufzureißen - da hilft übrigens auch eine Granate und schon lösen sich die porösen Felsen in einer Kettenreaktion auf. Das macht Wege frei, von denen es deutlich mehr gibt, zumal man manche Passagen erst mit der richtigen Waffe oder Technik öffnen kann, so dass man einige Level öfter besuchen muss.                

Springen ohne Sinn

Technisch hinterlässt das Spiel eine sehr gute Figur: Auch an Bord eines Helis darf man aufräumen.
Es gibt also durchaus interessante Neuerungen. Aber was soll bitte der Sprungknopf? Es war ja gerade der Clou an diesem Klassiker, dass man nicht wie in jedem Mario hüpfen konnte, sondern schwingen musste. Anstatt das Schwingen weiter zu perfektionieren, baut man das kurze Hüpfen ein. Es gibt keinen Doppel- oder Weitsprung, sondern nur den Hopser. Eigentlich müsste ich mich als Jump'n Run-Fan ja darüber freuen. Dieser im wahrsten Sinne des Wortes überflüssige Steuerungszusatz sorgt allerdings nicht für ein frisches Spielgefühl. Es gibt sogar einen Erfolg, wenn man das Spiel ohne einen Sprung schafft! Im Gegenteil, denn das Erkunden fühlt sich mit Sprung sogar noch fehleranfälliger an: Wenn man den scheinbar einfachen Sprung nutzt, wird man ihn verfluchen, weil er nicht punktgenau und präzise ausgeführt wird - aufgrund der klitzekleinen Verzögerung landet man oft in harmlosen Abgründen. Vielleicht hätten die Schweden doch mal Mario spielen sollen...

Es ist schon eine Leistung, ein Spiel über Zusätze zu verschlechtern. Hinzu kommen nahezu das ganze Spiel über, von vorne bis hinten, stupide 08/15-Ballereien gegen zig dumme Feinde, die weder Deckung noch Hindernisse wirklich clever nutzen - man hat theoretisch endlos Munition in der Wumme, man ballert damit alles stoisch über den Haufen. Ja, sie knien auch mal hinter einer Kiste, aber sie bleiben dann tatsächlich unendlich lange so sitzen und verhalten sich wie passive Moorhühner ohne Killerinstinkt, fliehen nicht bei Granatenwurf und setzen auch nicht nach. Klar ist es cool, dass die Schrotflinte die Feinde ein paar Meter wegpustet. Klar ist es cool, dass man sich ein Fass heran ziehen und als Deckung vor sich her schleppen oder werfen kann. Aber es wird kaum für spannende Situationen gefordert! Auch zu zweit macht die Ballerei nicht mehr Laune, weil auch einer alles platt machen könnte - lediglich in manchen Bosskämpfen ist das Duett ein taktischer Vorteil.

08/15-Ballereien und Herausforderungen

Manchmal muss man Apparaturen bedienen oder Stromkanonen nutzen. Leider hapert es an der zickigen Steuerung.
Wozu brauche ich all die neuen Waffensysteme bis hin zum Maschinengewehr oder der brutzelnden Elektroklaue und coolen Zusätze wie mehr Gesundheit, Selbstheilung, Aufwärtshaken & Co? Sie müssen bei ihrem Einsatz rocken und mir ein Jauchzen entlocken - tun sie aber nicht, weil die dämliche Pistole auch alles umhaut. Dauert nur länger. Warum staffiert man die Levels erst so üppig aus, wenn die Feinde das nicht nutzen? Auch die Scharfschützensitze sind keine große Herausforderung, wenn man mit seinem Fadenkreuz quer ballernd durch den Level rauscht - immerhin kann man da endlich mal genau so scrollen wie an Bord eines Helis. Und immerhin sorgen die Bosse für etwas mehr Anspruch in einem viel zu simplen Geballer: Zwar ist der erste Blechhaufen noch ein Klacks, aber später wird man gefordert und atmet regelrecht auf, dass es endlich wieder Laune macht, sich anzustrengen.

Aber darf ich an dieser Stelle schon mal vor den ohnehin berüchtigten Herausforderungen warnen, die aufgrund der Steuerung natürlich bockschwer werden? Eine einzige Trial&Error-Odyssee für Schwungmasochisten! Schade übrigens nicht nur, dass die Schweden die Balance so kippen, sondern einen der coolsten Zusatzmodi gleich ganz gestrichen haben: "Boden nicht berühren". Das hat damals wirklich Laune gemacht, weil es abseits von klassischem Deathmatch und Capture the Flag das fiese Zerschießen von Plattformen verlangte, um den Gegner gen Boden zu schicken - was natürlich ungeheuer gut zum Spielprinzip passte.

Das ist natürlich alles ärgerlich, denn dieses Spiel lockt mit seinen technischen Reizen, so dass man sich gerade als Freund alter Plattformer umgehend austoben will, wenn es irgendwo rumst und kracht. Die Kulissen sehen noch einen Tick lebendiger aus als im Vorgänger, die Szenarien sind deutlich abwechslungsreicher: Man bekommt zwischen illuminiertem Hafenviertel, Dschungelfestungen, verschachtelten Minen und wüsten Bergen einiges zu sehen, wobei vor allem die Hintergründe mit Bewegung oder stilsicheren Unschärfen punkten - es ist immer was los in der Tiefe des Raums, das Abenteuer sieht immer richtig gut aus. Hinzu kommt ein gelungener, wenn auch nicht ganz so markanter House- und Chiptune-Soundtrack aus den Keyboardhänden von Simon Viklund.     

Fazit

Wie ärgerlich ist das denn? Wie kann man denn so tief fallen, von 85% auf 70%? Ich fahre eigentlich auf die Serie ab, weshalb das Ganze noch abgefedert wird! Da rechnet man mit einer Verbesserung, vielleicht sogar mit einem genialen Plattformer und dann serviert Fatshark diese frustrierende Steuerung, die sogar noch zickiger ist als im Vorgänger. Was bringt mir die wirklich ansehnliche Kulisse mit ihren tollen Hintergründen, wenn ich als Held in ihr so oft fluchen muss? Nicht, weil ein Schwung oder Sprung so knifflig wäre, sondern weil selbst einfache Manöver nicht klappen und man so selten in einen Spielfluss kommt. Zwei weitere Designfehler kommen hinzu: Der sinnlose Hüpfer sei mal geschenkt, weil man ihn nicht braucht und abschalten kann. Aber die strunzdummen 08/15-Feinde führen das neue und theoretisch interessante Waffenarsenal ad absurdum - man kann doch alles mit der Wumme wegballern! Natürlich ist das immer noch ein solides Arcade-Spiel: Am Ende retten die fordernden Bosse, der kooperative Modus sowie die alternativen Levelrouten meine befriedigende Einschätzung. Verdammt, da war so viel mehr drin, und ich rede hier nicht von Revolutionen oder Innovationen, sondern von Weiterentwicklungen! Beim ersten Teil musste man sich ja mechanisch noch an das Remake-Korsett halten - das war auch gut so. Aber man hätte für diesen zweiten Teil das faszinierende Kernelement von Bionic Commando weiter ausbauen müssen: Das Schwingen! Aber bevor ich mich noch über die dumme Pflicht zur Online-Aktivierung auf der PS3 aufrege, hör ich lieber auf und mach den Wertungsdeckel drauf.

Pro

ansehnliche Kulisse
zig Waffen und Upgrades
alternative Levelrouten möglich
kleine Schalterrätsel
kooperativer Spielmodus+ fordernde Bosskämpfe
gute Musik & Soundeffekte
abwechslungsreiche Schauplätze
sehr umfangreiche Levels

Kontra

zickige Schwung-Steuerung
zu viele strunzdumme Feinde
kein Splitscreen im Multiplayer
Pistole reicht lange aus
frustrierendes Sprungtiming
kein Levelscrollen oder Zoom
kein dynamischer Splitscreen im Koop
kein Online-Koop
teilweise recht monotone Levels

Wertung

360

Technisch hui, Steuerung pfui: Das frustrierende Schwingen konterkariert die tollen Kulissen.

PlayStation3

Ansehnlich, bockschwer, schwungsteif. Und wer hat sich bitte den Online-Zwang für die PS3 ausgedacht?

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