Im Test: Ballern. Beute. Glückseligkeit.
Wieso nicht Pandora's Box?
Es kommt nicht häufig vor, dass eine Serie ein gesamtes Genre neu erfindet. Doch genau das hat das Gearbox-Team mit seiner frischen Annäherung an Ego-Shooter vollbracht. Die sorgsam eingemischten Action-Rollenspiel-Elemente wie Charakter-Entwicklung, Inventar und vor allem die zufällig generierte Beute in Form von Abermillionen Waffen-Kombinationen haben das 2009 erschienene Borderlands zum "Shoot-and-Loot"-Prototypen gemacht. Daher finde ich es sehr schade, dass die Entscheidung gefällt wurde, diesen Teil nicht mit in die Sammlung zu packen. Nicht nur, weil „Pandora’s Box“ dadurch natürlich vollständiger wäre als die aus Teil 2 sowie dem Pre-Sequel bestehende Handsome Collection. Die damaligen Download-Inhalte wie The Zombie Island of Dr. Ned oder The Secret Armory of General Knox sind immer noch klasse. Zudem lernt man im Pre-Sequel viele Figuren kennen, die auch in Teil 1 eine wesentliche Rolle inne hatten oder spielbar waren. Natürlich ist Borderlands (1) nicht so ausgefeilt wie die Nachfolger, sowohl was die Missionsstrukturen, die Geschichte als auch einige Mechaniken wie Elementarschaden oder –Resistenzen betrifft. Doch was den Humor, die überzeugende Schussmechanik und den gelungenen Comic-Grafikstil betrifft, hätte der erste Ausflug nach Pandora die Sammlung sehr passend komplettiert. Und die Aussage von Randy Pitchford, dass die Umsetzung von Borderlands 1 hier zu kompliziert gewesen sei, da der Titel auf einer "ganz anderen" Engine beruht, reicht mir nicht.
Unterschiedliche Qualität
Bedauerlich ist jedoch, dass die beiden Spiele von unterschiedlichen Teams umgesetzt wurden, die nicht auf jedem System die gleiche Sorgfalt walten ließen. Während Iron Galaxy (Killer Instinct, Wreckateer) mit Borderlands 2 eine ordentliche, wenngleich nicht über alle Zweifel erhabene Umsetzung sowohl auf PS4 als auch auf Xbox One abliefert, war Armature (Batman Arkham Origins Blackgate) mit The Pre-Sequel nicht ganz so sorgfältig: Auf beiden Systemen gibt es Probleme. Während die PS4 in einigen Momenten eine stabile Bildrate vermissen lässt, wird die One-Fassung von Tearing und in manchen Momenten kleinen Rucklern geplagt. Die einzige Hoffnung auf Besserung, die bei beiden Systemen bleibt, ist ein Patch, der das Problem vermutlich lösen könnte. Zum Testzeitpunkt jedoch bleibt ein schaler Beigeschmack, der angesichts der ordentlichen Portierung von Teil 2 definitiv nicht sein müsste - hier gerät die Bildrate auf beiden Systemen nur selten ins Stocken und die Kombination mit Tearing springt einem ebenso selten ins Auge.
Sofa-Quartett
Und mit einer "ordentlichen" Gruppe bekommt nicht nur der Streit um die Beute eine neue Dimension. Die Feuergefechte sorgen auf beiden Seiten des Schirms für ein herrlich angenehmes Chaos, das selbst die Ausflüge in die Gewölbe von Diablo 3 hinter sich lässt. Zwar gibt es keine Anpassungen der Figurenstufen, wenn hochrangige Charaktere mit neuen Helden eine Schneise der Zerstörung durch Pandora ziehen. Doch das wird dadurch ausgeglichen, dass die niedrigstufigen Figuren recht schnell durch die Startstufen gezogen werden und damit auch schnell zu potenten Mitstreitern werden. Die angesprochenen technischen Probleme werden im geteilten Bildschirm natürlich nicht geringer. Doch unter dem Strich stören sie den Spaß nicht mehr als im Solo-Abenteuer. Allerdings hätte der ohnehin schon unübersichtliche Inventar-Bildschirm besser skaliert werden müssen. Und je größer der Bildschirm ist, auf dem gespielt wird, umso weniger müssen sich die Augen anstrengen, während man sich auf seinen Bildausschnitt konzentriert - idealerweise wird Beamer-Benutzung empfohlen. Nichts davon bringt den Unterhaltungswert ins Wanken, der sich mit vier Spielern einstellt, doch in der Summe ist die Handsome Collection nicht ganz so hübsch, wie der Name suggerieren möchte.
Fazit
Borderlands 2. The Pre-Sequel. In einem Paket. Inklusive aller Download-Inhalte. Vier-Spieler-Splitscreen-Koop. Mehr Gründe braucht man eigentlich nicht, um sich The Handsome Collection zuzulegen. Gearbox hat mit dem leider nicht in der Sammlung enthaltenen ersten Borderlands das "Shoot-and-Loot"-Subgenre des Ego-Shooters aus der Taufe gehoben und mit den Fortsetzungen Schritt für Schritt verfeinert. Das Ergebnis war und ist eine leicht zugängliche, aber sehr motivierende Jagd nach Gegnern und Beute, die auch von einer gelungenen Schussmechanik sowie einem gesunden Humor profitiert. Dass viele kleine Mankos der Originale, wie z.B. das nicht immer optimale Balancing oder die umständliche Inventar-Handhabung bei der Umsetzung auf PS4 und Xbox One, mit übernommen wurden, ist schade, aber kein Beinbruch. Borderlands 2 mit allen Add-ons ist ein wahres Inhaltsmonster und dürfte einen dutzende von Stunden beschäftigen - Iron Galaxy hat bei der Umsetzung einen sauberen Job gemacht. Das kann man leider von dem für The Pre-Sequel zuständigen Team von Armature nicht sagen: Auf der PS4 sorgen gelegentliche Bildrateneinbrüche für Sorgenfalten, während die Spieler auf Xbox One mit Tearing vorliebnehmen müssen. Das ist vor allem daher bedauerlich, da diese technischen Probleme letztlich dafür sorgen, dass die Handsome Collection nicht die "sehr gute" Einschätzung bekommt, die sie sich durch den Couch-Coop für vier Spieler eigentlich redlich verdient hätte.
Einschätzung: gut
Wertung
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