Test: Outcast - Second Contact (Action-Adventure)

von Jörg Luibl



Outcast - Second Contact (Action-Adventure) von Bigben Interactive
Ohne Voxel, ohne Magie
Entwickler:
Publisher: Bigben Interactive
Release:
14.11.2017
14.11.2017
14.11.2017
Erhältlich: Digital, Einzelhandel
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Verdammt lang her, aber ich erinnere mich sehr genau. Denn 1999 war ein besonderes Spielejahr, weil vor allem Outcast für ein exotisches Abenteuer der besonderen Art sorgte. Wie viele andere war ich mit Cutter Slade in einer exotischen Parallelwelt namens Adelpha unterwegs und fühlte mich wie ein Pionier. Was damals das Faszinierende war, habe ich in einem Rückblick sowie einem Video bereits erläutert. Was heute das Ernüchternde an der Neuauflage von Big Ben Interactive und Appeal ist, die sowohl digital als auch in der Box veröffentlicht wird, erkläre ich im Test.


Sag mir, wo die Voxel sind?

Ich habe mich auf Outcast - Second Contact gefreut. Aber spätestens im leidlich animierten Comic der Einleitung manifestierte sich die Skepsis, dass man gerade die exotischen Reize dieses Abenteuers heutzutage nicht mehr replizieren kann. Manchmal ist es auch spielehistorisch besser, bei der Primärquelle zu bleiben und den Klassiker im Original statt modernisiert zu erleben. Ganz einfach, weil sich der besondere Charakter dieses Spiels natürlich im Kontext seiner Zeit zeigen konnte - also im Vergleich mit dem, was man 1999 mit Voodoo-Grafikkarten noch so erleben konnte. Und das war u.a. Age of Empires 2, EverQuest, Grand Theft Auto 2 oder Ultima IX.

Man startet mit kleinen Übungen: Schleichen, Schwimmen, Schießen.
Man startet mit kleinen Übungen: Schleichen, Schwimmen, Schießen. Leider sind subtile Manöver später nahezu überflüssig...
Das herausstechende Merkmal von Outcast war ja vor allem eines: Die visuelle Magie der Voxel und die für damalige Verhältnisse enorme Freiheit und Rätselhaftigkeit in der Spielwelt. Was Artdesigner Franck Sauer damals inszenierte, hatte magische Sogkraft. Denn egal ob in Sumpf, Wüste oder Arktis: Adelpha lockte mit weiter Sicht, tollem Wasser und angenehm sanftem Gelände, wobei die Farben und Formen ineinander zu fließen schienen – es entstand eine ganz andere grafische Wahrnehmung, in der nicht einzelne Punkte, sondern Flächen im Vordergrund standen, fast wie bei einem animierten Aquarell. Diese visuelle Magie ist mit den gewöhnlichen Polygonen verflogen. Und was damals Weite sowie Exotik suggerierte, wirkt heute nicht nur räumlich beschränkt.

Wüste, Schnee und Sumpf

Auch wenn die Landschaft dieser Neuauflage gut aussieht, auch wenn es je nach Region fruchtbar oder verschneit, sumpfig oder sandig sein kann, das Wasser schön glitzert und die zwei Monde in der Ferne für außerirdisches Flair sorgen, ist die
Man braucht angesichts der trägen Steuerung starke Nerven, um solche Höhen zu erklimmen.
Man braucht angesichts der trägen Steuerung starke Nerven, um solche Höhen zu erklimmen. Obwohl Appeal alles von der Bewegung bis zum Kampf modernisieren wollte, fühlt es sich nicht so an...
Kulisse trotz intensiver Farben nichts Besonderes mehr, zumal es auch auf PlayStation 4 Pro nicht komplett flüssig läuft. Es gibt eine fast schablonenhafte, weil exakt dem Original nachempfundene Topographie, nur sporadisch Tiere und nicht mal einen Tag- und Nachtwechsel. Auch wenn man den Einwohnern bei der Arbeit zusehen kann: Man fühlt sich zu schnell wie an einer bunten Oberfläche, die mit jedem Kontakt mehr Risse bekommt und einen komplett veralteten Kern offenbart. Wenn die Talaner lippenasynchron reden, sich wie Roboter drehen oder hüftsteif bewegen versinkt Outcast im Zeitalter von Destiny 2 oder Horizon Zero Dawn nicht nur stilistisch und technisch im grafischen Mittelmaß.

Viel schlimmer als die erwartbare visuelle Ernüchterung ist nämlich, dass auch die Story sowie das Spieldesign so ernüchtern. Cutter Slade hat sich zwar seinen rauen Charme mit der Stimme von Manfred Lehmann (Bruce Willis) bewahrt, aber er ist als Charakter ein plumper Klotz der 80er, wiederholt sich viel zu oft in seinen Ansprachen wie "Hey Zwerg, komm mal her!" und seine Sprüche wirken genauso wie die Gespräche mit den immer gleich aussehenden Talanern im besten Fall eher unfreiwillig komisch als interessant. Und man muss leider sehr viel mit den meist nervig vertonten Aliens quatschen. Das Dialogsystem ist ohne rhetorische Interaktionen auf eine simple Auswahl an Begriffen beschränkt, aber lebt wie schon der Klassiker vom Reiz des Fremden: Was haben Ulukaï, Krakit, Sankaari oder Magwa zu bedeuten? Warum werden Schmiede hier Fühler genannt?

Die Magie der Voxel ist verflogen...
Die Magie der Voxel aus dem Original ist verflogen...
Während man als Commander der US-Navy die fremde Welt erkundet, um dort drei Wissenschaftler zu finden, eine Sonde zu reparieren und ein Schwarzes Loch zu schließen, muss man die seltsamen Begriffe, die Gesellschaft sowie die Hierarchie der Außerirdischen erstmal verinnerlichen. Und so füllt sich das Archiv wie ein Sprachlexikon. Trotzdem müsste man selbst diesen fremdsprachlichen Ansatz heutzutage eleganter und vor allem spannender in der Übersetzung lösen - das ist alles viel zu automatisiert, viel zu schnell durchschaut. Damals hatte ich sofort Lust, mir seitenweise Notizen zu machte, heute fühlt sich das an wie eine linguistische Update-Datei, die einfach nebenbei läuft. Außerdem sind die Menüs zu steril designt, auf Konsolen erkennt man zudem kaum den Unterschied zwischen offenen und ausgegrauten erledigten Aufträgen.
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Kommentare

Kirk22 schrieb am
Hab die Schnauze endgültig voll! Appael hat es doch tatsächlich geschafft, den Achondar-Bug mit ins Remake zu nehmen. Konnte man sich im Original wenigstens noch aus dem Gehege rauscheaten, ist das hier nicht möglich, wodurch ich nicht mehr weiterkomme. :evil: Das Fans so etwas noch verteidigen, ist mir unverständlich.
Jörg Luibl schrieb am
Wir haben neben der Prozentwertung auch eine Schulnote - die lautet "Ausreichend" bei Outcast. Damit drücken wir unsere Ernüchterung aus, das ist aber noch kein kompletter Verriss wie bei "Mangelhaft" oder "Ungenügend". Dass die Wahrnehmung eine andere ist, ist schon klar, aber wir arbeiten seit Jahren daran, die Wertungsskala auch im mittleren Bereich zu füllen.
Über Bord werfen wollen wir die spielkulturell dämlichen Zahlen aus spielepolitischen Gründen nicht, denn ohne diese Wertung verlieren wir sofort Relevanz. Wir stehen in der Tradition klassischer Spielemagazine und würden als reines Feuilleton untergehen. Und so lange sich Publisher auf eben diese und Metacritic berufen, wenn sie auch fragwürdiges Spieldesign oder Mikrotransaktionen rechtfertigen, wäre es doch schade, wenn gerade wir mit unserer kritischen Haltung und tendenziell weniger Prozenten nicht mit in der Verlosung wären.
-svega- schrieb am
4P|T@xtchef hat geschrieben: ?23.11.2017 10:00
-svega- hat geschrieben: ?23.11.2017 00:11 Letztendlich geht es doch um den Unterschied zwischen Sätzen wie "Warum ernüchtert die Neuauflage des Klassikers?" und "Warum ernüchtert "mich persönlich" die Neuauflage des Klassikers?".
Ich versuch es nochmal: Es gibt da keinen Unterschied. Deine Beispielsätze sind identisch, wenn man ohnehin subjektiv arbeitet. Und "persönlich" ist dann ein überflüssiges Füllwort, das ich bei Korrekturen sofort streiche, denn jeder unserer Tester schreibt aus seiner Perspektive - manchmal auch in Ich-Form. Wer anderes als er selbst könnte da also etwas gut oder schlecht finden? Und das Beste ist doch: Diese sehr ehrliche Form der Kritik versteckt sich gar nicht erst hinter einer postulierten Allgemeingültigkeit, die einem "objektive" Tests mit ihrer unpersönlichen Art vorgaukeln. Wir erheben gar keinen Anspruch auf irgendeine Wahrheit, wir haben nur Meinungen. Und die darf man gerne kritisieren!;)
Dagegen sage ich auch nichts. In der Regel schätze ich deshalb eure Rezensionen ja auch .
Allerdings in Kombination mit einer 50% Bewertung, die auf der Mathematik Eurer Bewertungsphilosophie basiert, ist meiner Meinung nach die Gesamtkritik nicht mehr nur einfach eine diskussionswürdige, subjektive Meinungsäußerung.
Da ändert der Hinweis eures Moderators, dass 50% rein mathematisch "Durchschnittlich" bedeutet auch nichts dran, denn das Gros der Computerspieler versteht unter 50% ein "Miserabel". Das wird im Fall Outcast Remake dem Spiel nicht wirklich gerecht.
Wäre es mit Blick auf die begrüßenswerte Subjektivität nicht auch eine Überlegung wert, das Prozentbewertungsystem über Bord zu werfen und durch ein "sehr Gut-Gut-Durchschnittlich-Mangelhaft" oder ähnliches zu ersetzen?
Dann würde Durchschnittlich auch wieder Durchschnittlich bedeuten.
UluKay schrieb am
Ich gehöre auch zu den Outcast Veteranen. (Bin 60 ) Für mich war es eine schöne Reise in die Vergangenheit. (Konto leergeräumt um mir einen Pentium 450 zu leisten :-). Klar kann es gegen aktuelle Spiele nicht ankommen. Aber es hat Charme. Und das vemisse ich bei aktuellen Spielen schon des öfteren. Ich hab es schon deshalb zum Vollpreis gekauft, damit die sympatischen Entwickler vielleicht irgendwann wirklich die Chance bekommen ein Outcast 2 zu machen.
Jörg Luibl schrieb am
Ja, das sollte auch nicht so sein. Wir geloben Besserung.
schrieb am

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