Im Test: Rollenspiel japanischer Art
Das große Verschwinden
Die Geschichte von Lost Sphear klingt interessant: In der Fantasywelt verschwinden auf einmal ganze Städte, Wälder, Ozeane, Personen und Truhen von der Bildfläche und zurück bleiben nur weiß schimmernde Flächen - und Erinnerungen. Während der Mond eine omnipräsente Rolle einnimmt, fällt auch auf, dass der Tag/Nacht-Wechsel irgendwie fehlt und Monster das Land unsicher machen - vielleicht hängt das ja alles irgendwie zusammen.
In dieser Welt folgt man Kanata und seinen Gefolgsleuten durch weitläufige leere Landschaften und darf mit seiner einzigartigen Fähigkeit anhand von Erinnerungen, die wiederum auf Gefühlen beruhen, die verschwundene Welt schrittweise wiederherstellen. Erinnerungen erhält Kanata z.B. durch gewonnene Kämpfe gegen Kreaturen,
Eine Geschichte zum Vergessen?
Wenn sich die Geschichte, die hauptsächlich auf kleinen Texttafeln mit maximal drei Zeilen fortgeführt wird (keine Sprachausgabe; aber deutsche Texte), wirklich um die Natur der Welt, die Erinnerungen und die Gefühle konzentriert, dann ist Lost Sphear interessant - gerade ab der zweiten Hälfte. So ist es zum Beispiel sehr gelungen, wenn man die Erinnerungen an eine verschwundene Person mit der Hilfe von anderen Menschen zusammenträgt und anhand ihrer Aussagen die Vermisste wieder herbringt.
Nur leider wird das Potenzial der Geschichte und die Verstrickung mit einem garantiert nicht bösen Imperium durch viele aufgeblasene und unnötige Dialoge in die Länge gezogen - vieles erscheint als hohles "Blabla", das weder Story noch Charaktere voranbringt. Hinzukommen vorhersehbare Entwicklungen und peinliche bzw. witzig gemeinte Momente mit Fremdschämfaktor zum Kopfschütteln.
Spärliche Inszenierung
Da sich aufgrund der limitierten Grafikmöglichkeiten nur schwer die Reaktionen der Charaktere darstellen lassen, erscheinen manchmal Ausrufe- oder Fragezeichen oder Tränchen über ihren Köpfen, um ihre Emotionen oder die Verwunderung zum Ausdruck zu bringen, was schon irgendwie niedlich wirkt. Animierte Zwischensequenzen oder comichafte Szenen zur Story-Fortführung, wie es zum Beispiel Battle Chasers: Nightwar vorgemacht hat, fehlen.
Weltkarte, Schauplätze und Kämpfe
Zwischen den Schauplätzen, deren Qualität zwischen arg leblos, stinklangweilig und überraschend gelungen schwankt, bewegt man sich auf der Weltkarte von Ort zu Ort (zu Fuß, mit dem Schiff oder in der Luft). Zufallskämpfe gibt es auf der Weltkarte nicht. Auf der Übersichtskarte dreht sich alles um Fortbewegung/Reise, Artefaktbau und Rohstoffsammlung - mit mäßig gelungener und eher zweckmäßiger als schöner Grafik, wobei sich die eigentlich wichtigen Interaktionsorte kaum vom Hintergrund abheben.
Wie in anderen Japan-Rollenspielen unterteilt sich das Spielgeschehen in Lost Sphear also in drei Teile: Bewegung auf der Weltkarte, die Erforschung der Schauplätze und die Kämpfe auf Schlachtfeldern.
Erweiterte Setsuna-Kämpfe
Trifft man zwischen den Dialogen und dem Inventar-Management auf Gegner, darf gekämpft werden.
Im Vergleich zu I Am Setsuna sind die Kämpfe nicht mehr ganz so einschläfernd und belanglos. So lassen sich die Positionen der Charaktere bei der Platzierung der Angriffe nun verändern und daher können mehrere Gegner bei geschickter Platzierung von Attacken getroffen werden. Dadurch sind die Kämpfe weniger statisch.
Durch diese Neuerungen werden die taktischen Kämpfe etwas komplexer, nur sind die meisten gegen die putzig bis bescheuert aussehenden Standard-Kreaturen ohnehin zu einfach und erfordern nicht einmal komplexere Fähigkeitenreihen - zumal gestorbene Charaktere einfach (mit wenig Lebenspunkten) wiederbelebt werden. Durch die verbesserbaren Gegenstände und die Artefaktturmboni wird die Party zu schnell zu stark für die normalen Kämpfe (auf Schwierigkeitsgrad „Normal“). Erst bei längeren Bosskämpfen, sofern diese nicht mit fast unfairen Bombastflächenangriffen beginnen, muss man die Fertigkeiten der Charaktere besser aufeinander abstimmen. Manche Bosse verfügen zudem über Fertigkeiten, die Party-Mitglieder mit einem Angriff töten, was sicherlich nicht ideal gestaltet ist. Verbesserungsbedürftig sind gleichermaßen die verschachtelten Menüs, die oft zu spät erklärten Fähigkeiten/Systeme und die PC-Umsetzung im Allgemeinen.
PC-Umsetzung
Die getestete PC-Version bietet nur ein Minimum an Grafik-Optionen (Vollbild/Fenster und vier Auflösungen). Maus-Unterstützung fehlt gänzlich. Bei der Steuerung der Kämpfe und beim Inventarsystem wäre eine Maus hilfreich gewesen. Anpassbare Tastenbelegungen gibt es nicht. Die Standard-Tastenbelegung ist schon etwas seltsam (zurück im Menü ist zum Beispiel K). Generell ist die Steuerung auf Gamepad/Controller ausgelegt. Zwischendurch waren gelegentlich kleine Ruckler zu beobachten, die bei solch einer Grafikkulisse eigentlich nicht passieren dürften.
Fazit
Nach I Am Setsuna ist Tokyo RPG Factory und Square Enix auch mit Lost Sphear nicht der große Wurf gelungen. Die Entwickler haben zwar das Kampfsystem aufgewertet und deutlich vertieft, dabei aber irgendwie vergessen, die Gefechte gegen normale Gegner interessanter, fordernder oder gar überraschend zu gestalten - sie sind zu einfach und zu schnell vorbei. Erst wenn die Roboteranzüge zum Einsatz kommen, wird es etwas unterhaltsamer, sofern Bosskämpfe nicht mit ungeschickten Soforttod-Mechaniken nerven. Ansonsten kümmert man sich in dem Rollenspiel nach klassischer japanischer Bauart um die Wiederherstellung einer verschwindenden Welt anhand von Erinnerungen. Daraus machen die Entwickler zu wenig, weil der Held diese meist schnöde einsammelt und Entscheidungen oder Wahlmöglichkeiten fehlen. Es gibt nur wenige emotionale Höhepunkte in den mäßig inszenierten Gesprächen in schnöder Textform, zumal viele Dialoge zu lang, zu unfokussiert oder zu peinlich sind - gerade der Auftakt ist hochgradig langweilig. Zudem wollen die Charaktere und vor allem der Hauptcharakter nicht wirklich in Erinnerung bleiben. Es sind die interessante und weitläufige Spielwelt, die zahlreichen Aufwertungsmöglichkeiten, die längeren Kämpfe und die meist gelungene Musikkulisse, die zum Weitermachen motivieren. Wenn man sich Zeit lässt, beträgt die Spieldauer ungefähr 20 Stunden, wobei der Vollpreis (50 Euro) bei der schnöden Grafik und der lieblosen PC-Umsetzung unverständlich ist. Und mit dem Remake von Secret of Mana vor Augen sowie dem anstehenden Project Octopath Traveler wird Lost Sphear schnell in Vergessenheit geraten.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Lost Sphear enttäuscht trotz guter Story-Ansätze und einem besseren Kampfsystem als in I Am Setsuna, da es zu langatmig, zu dröge und zu unfokussiert ist.
PC
Die PC-Umsetzung des Japan-Rollenspiels wirkt lieblos und geizt mit Optionen und Einstellungsmöglichkeiten.
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