Alle Zusatzinhalte auf allen Systemen
Auf allen Systemen sind die Zusatzfälle wie z.B. Reefer Madness, Nicholson Electroplating, The Consul's Car, The Naked City sowie A Slip of Tongue dabei, die auch schon vor sechs Jahren in der Complete Edition für PC enthalten waren. Wie gehabt bleibt es bei komplett englischer Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln sowie Menüs. Man erlebt über knapp fünfzehn Stunden ein weitgehend linear konzipiertes Krimi-Abenteuer, das aufgrund der vielen Autofahrten in 90 fiktiven Limousinen samt freier Routen zwar an ein
Grand Theft Auto 5 erinnert, aber kein Spielplatz in offener Welt ist. Leider erlebt man sowohl in den taktikfreien Faustkämpfen als auch hüftsteifen Schießereien banale Action, die man ebenso wie das monotone Fahren am liebsten überspringen würde, um endlich den nächsten Fall zu lösen. Aber das war damals gar nicht das größte Problem.
Die Schießereien und Faustkämpfe gehören nicht zu den Stärken des Spiels (PS4 Pro).
Dass L.A. Noire zwar solide unterhalten, aber nicht begeistern konnte, lag an den Defiziten des Spieldesigns. Denn bei all der zeitgeschichtlichen Recherche hatten die Entwickler vor allem den Anspruch vergessen: Was zu Beginn noch neugierig machte, weil man aktiv Spuren suchte, Verdächtige verhörte und Beweise untersuchte, wurde nach ein paar Stunden immer monotoner, weil sich all das wiederholte und man zu wenig gefordert wurde - es gab keinerlei nennenswerte Deduktion, Kombination oder gar Rätsel, eher eine geführte Schnitzeljagd.
Auf PS4 und One kann man Objekte übrigens per Anlogstick drehen, während man auf Switch die Joycons à la Move einsetzen kann - die Gestensteuerung klingt aktiver, ist aber nerviger; aufgrund der Ungenauigkeiten und Verzögerungen empfehlen wir daher das Gamepad. Besser gelungen ist die Touchscreen-Steuerung gerade im mobilen Betrieb: An einem Tatort kann man wie in einem klassischen Point&Click bequem per Wischen die Kamera positionieren oder Phelps per Fingertipper zu einer neuen Position bringen.
Psychologische Verhöre
Das Highlight des Krimi-Abenteuers sind die Verhöre, in denen man sein Gegenüber beobachten muss (PS4 Pro).
Was die Motivation auch heute aufrecht erhält, ist das aktive Verhören, das die Beobachtung zum zentralen Erlebnis macht. Wie funktioniert das? Das Ganze läuft ohne Zeitdruck wie etwa in
Alpha Protocol oder situative Spannung à la
Heavy Rain ab, so dass man ganz in Ruhe die Mimik eines Verdächtigen studieren kann, um ihn einzuschätzen. Man hat also genug Muße, um seine Menschenkenntnis unter Beweis zu stellen – man kann z.B. in seinen Notizen nachsehen und über den rechten Analogstick plötzlich sein Gegenüber taxieren, das vielleicht in diesem Moment blinzelt. Ein Hinweis auf eine Lüge? Schätzt man einen Verdächtigen richtig ein, kann man ihm vielleicht weitere Details zum Fall entlocken. Wer ihn beschuldigt, muss allerdings einen Beweis aus seinem Notizbuch vorlegen – z.B. die Aussage eines Zeugen oder einen Gegenstand.
Zwar wirkten dieses Situationen vor allem aufgrund der stark begrenzten Fragemöglichkeiten manchmal etwas künstlich, außerdem wiederholten sich die Lösungsansätze sowie das verräterische Blinzeln zu oft, aber es war ein kreativer Schritt hin zu emotionaler und psychologischer Gesprächsführung, der immer noch fasziniert. Apropos Dialoge: Rockstar hat die drei möglichen Fragen getauscht, um Phelps als Charakter gerechter zu werden, der sich angeblich in einen rasenden Psychopathen verwandelte, wenn er sein Gegenüber zu oft anzweifelte. Ehrlich gesagt ist mir das damals nicht so extrem vorgekommen, zumal Phelps aufgrund seiner Zeit im Krieg durchaus plausible manische Züge zeigen konnte. Aber wie auch immer: Hatte man damals immer die Wahl zwischen "Wahrheit", "Anzweifeln" oder "Lüge", muss man sich jetzt zwischen "Guter Cop", "Böser Cop" und "Beschuldigen" entscheiden. Das klingt jetzt rheotorisch plumper und wirkt sich nicht spielentscheidend aus.
Keine spielmechanische Entwicklung
Man kann Objekte aufnehmen, drehen und genauer untersuchen - auf Switch auch aktiv mit den Joycons (PS4 Pro).
Am Ende jedes Falls bekommt man weiter eine spielerisch irrelevante Wertung von bis zu fünf Sternen, die bloß Outfits oder Fahrzeuge freischaltet - all das hat leider keinen Einfluss auf die eigene Karriere im Dezernat oder auf das Lob des Chefs. Hinzu kommen lediglich so genannte "Intuitionspunkte", mit denen man wie bei einem Quiz eine falsche Antwort streichen oder sich alle Beweise an einem Tatort anzeigen lassen kann - quasi wie Hot Spots in einem Adventure.
Obwohl man ständig im Rang aufsteigt und viel zu viel überflüssige Intuitionspunkte sammelt, hat man schon nach zwei, drei Stunden alles gesehen und alles erlernt, was man in Los Angeles machen kann. Schade, dass man diese Karriere nicht so abwechslungsreich inszenieren konnte, dass man mit dem Wechsel in ein neues Dezernat auch mal neue Polizei- oder Ermittlungstechniken erlernte; oder meinetwegen neue Möglichkeiten in der Beweisanalyse oder Verhörmethode. So wendete man viel zu früh immer dieselben Methoden an, öffnete zig Handtaschen und Wohnungen, klapperte immer dieselben Routinen ab, egal ob auf Adventure- oder Actionseite. Das wäre überhaupt nicht schlimm, wenn diese spielerischen Elemente interessant, spannend und anspruchsvoll genug gewesen wären. So kann man sich in L.A. Noire zwar immer wieder gemütlich einem Fall widmen, braucht aber zwischendurch längere Pausen, um aufgrund der Wiederholungen wieder motiviert zu sein.