Knights in the Nightmare31.05.2010, Benjamin Schmädig
Knights in the Nightmare

Im Test:

Stellt euch vor, ihr sitzt in der ersten Klasse und habt weder von Buchstaben noch von Zahlen die leiseste Ahnung. Vielleicht habt ihr schon mal geschrieben oder drei und vier zusammengezählt. Von Differenzial- und Integralrechnung sollt ihr allerdings erst in vielen, vielen Jahren erstmals hören. Könnt ihr euch auch vorstellen, dass eurem Mathe-Lehrer genau das völlig schnuppe ist - dass der innovative Pädagoge schon nach wenigen Stunden eine Klausur zum Stoff der neunten und zehnten Klasse schreiben lässt? Wie würdet ihr euch dabei fühlen? Wie in den ersten Gefechten von Knights in the Nightmare (ab 59,27€ bei kaufen)!

Du wirst wissen, dass du nichts weißt!

Verabschiedet euch davon, eine Einheit anzutippen, um ihr einen Befehl zu erteilen. Denkt nicht einmal daran, euch um das Leben eurer Kämpfer zu kümmern. Hofft nicht auf einen Schlagabtausch im Rundentakt, erwartet auch keine fließende Echtzeitschlacht. Hier ist alles neu, irgendwie anders oder zumindest so versteckt, dass man es auf dem gewohnten Weg nicht findet. Glaubt aber bitte bloß nicht, das Spiel würde euch Stück für Stück mit seinen ungewöhnlichen Grundlagen vertraut machen. Entweder lest ihr vor Beginn des Abenteuers ein »Telefonbuch« zu Steuerung und Regelwerk oder ihr steigt - gewiefter Spieleprofi, der ihr seid - ins Spiel ein, das euch daraufhin schon im ersten Kampf eure Unfähigkeit vor Augen führt! Ich wüsste nicht, wann ich mich jemals in einem Spiel dermaßen schlecht aufgehoben gefühlt hätte; Knights in the Nightmare ist in der Tat ein Albtraum!

Quält euch durch das nur minimal interaktive Tutorial. Lest im Handbuch, während ihr die ersten Kämpfe bestreitet. Gebt dem Spiel eine Stunde Zeit. Nein, gebt ihm drei, besser noch: fünf

Ritter im Albtraum: In der Tat!
Stunden Zeit. Dann wird es irgendwann »Klick« machen - mehrmals sogar, bevor ihr alle wichtigen Mechanismen durchschaut habt. Die Frage ist: Als was entpuppt sich der neuartige Cocktails aus Taktik-Rollenspiel und Geschicklichkeitsspiel letztendlich?

Die drei taktischen Stufen

Die Aufteilung der Elemente ist zunächst furchtbar simpel: Lässt man die zahlreichen Sprechblasen-Dialoge vor und nach den Kämpfen außer Acht, kümmert man sich zuerst um die Charakterentwicklung sowie das Verbessern von Waffen. Anschließend legt man fest, welche Kämpfer mit welchen Waffen am Scharmützel teilnehmen sollen, bevor man sich schließlich ins Gefecht stürzt. Das tut man immer und immer wieder - Abwechslung oder die Wahl des nächsten Geplänkels bietet Knights in the Nightmare leider nicht. Ich darf lediglich vom Hauptmenü aus einmal gewonnene Scharmützel beliebig oft wiederholen, um Erfahrungspunkte und Ausrüstung zu sammeln - immerhin.

Waffen und Figuren

Charakterentwicklung und Waffenverbesserung sind noch denkbar einfach: Ich verteile auf dem Schlachtfeld gewonnenen Erfahrungspunkte nach Belieben an alle Krieger oder spare sie für später auf. Ich kann Krieger auch im Austausch für eine Waffe aus meinem Team entlassen. Und ich kann ihre Seele auf einen anderen Krieger übertragen, um dessen Level zu verbessern. Das erhöht immerhin nicht nur die ohnehin begrenzte Lebensdauer des Empfängers, es wird auch wie ein freiwilliges Opfer inszeniert - ein wenig Tränenfutter eingeschlossen. So richtig wachsen mir die Gefährten trotzdem nicht ans Herz, weil sie buchstäblich austauschbare Charaktere ohne erzählerischen Hintergrund sind. Valkyrie Profile spielte auf ähnliche Weise mit Begleitern, die man zu einem beliebigen Zeitpunkt entlassen durfte. Im Gegensatz zu Knights in the Nightmare hatten die Kämpfer der Walküre allerdings eine Geschichte.

Stattdessen haben hier auch die Waffen ein Haltbarkeitsdatum. Man kann Schwerter oder Zauberstäbe gleichen Typs zwar fusionieren, um die verbleibenden Züge zu addieren, aber die Lebensdauer bleibt begrenzt, da man relativ selten neue Waffen gleichen Typs auf dem Schlachtfeld findet - ihre Werkzeuge sind ähnlich vergänglich wie die Protagonisten selbst. Einen Händler gibt es übrigens nicht. Ich kann lediglich nicht benötigte Ausrüstung einstampfen und die Rohstoffe zum Verstärken meiner Waffen nutzen.         

Perfekte Planung, sicherer Sieg?

Sind Seele und Säbel gestärkt, muss ich schließlich das bevorstehende Gefecht planen. Genauer gesagt muss ich die jeweils nächste Runde - ein Kampf dauert etwa sieben bis zehn Runden - schon im Vorfeld präzise durchkonstruieren, denn sobald das Scharmützel beginnt, wird mein Handlungsspielraum eingeschränkt sein. Das Knifflige: Ich sehe zwar präzise, auf welchen Feldern ich Krieger positionieren darf, allerdings können sich die wenigstens davon im Gefecht bewegen. Jeder Soldat kann zudem je nach Charakterklasse nur bestimmte Felder in bestimmten Richtungen und Höhenlagen attackieren. Fernkämpfer zielen z.B. stets nach links und nach unten - selbst wenn ich sie bereits am linken unteren Rand platziere. Weil es meist nur drei Felder gibt, auf  die ich eine Einheit überhaupt stellen darf, muss ich deshalb gut überlegen, wer welche Position sinnvoll besetzen kann.

Doch damit ist es längst nicht getan: Ich bestimme auch, welche Waffen zum Einsatz kommen sollen und welcher Ritter welche Waffe nutzen darf. Um zu sehen, welchen Charakterlevel eine Waffe erfordert und auf welchem Level sich der gewünschte Krieger befindet, muss ich mich aber durch Anzeigen wühlen, die solche Informationen an jeweils anderer Stelle und in teils schlecht lesbaren Buchstaben »verstecken«. Vor der Waffenwahl sehe ich z.B. kaum, wie viele Runden eine Waffe noch haltbar ist. Ich darf zwar die Art des Menüs wählen und die Ausrüstung nach verschiedenen Kriterien sortieren. Das ständige Wechseln von Sortierung und Menüs ist allerdings zäh und unbequem - der kleine Touchscreen wirkt überfordert.

Interessant ist übrigens die Art und Weise, wie ich noch vor der Planung bestimme, welche Monster mir begegnen werden. Die rollen nämlich wie die Anzeige eines einarmigen Banditen an mir vorbei - meine Wahl fälle ich, wenn ich auf »Stop« tippe.

Ohne durchdachte Planung kein Sieg: Vor jeder Runde steht das Ausknobeln einer Taktik.
Das ist deshalb wichtig, weil ich für den Sieg eine bestimmte Gruppe an Gegnern bezwingen muss. Welche Gruppe das sein soll, darf ich allerdings selbst bestimmen. Das ist clever, denn es lässt mich über den Ausgang des Gefechts mitbestimmen.

Feuer und Eis - die taktische Komponente

Aber es sind ja nicht nur die Menüs der Waffenwahl; auch die eigentlichen taktischen Überlegungen wirken in ihrer Vielschichtigkeit so überladen, dass die Aufstellungsarbeit vor jeder einzelnen Runde in einen unnötigen Geduldstest ausartet. So gibt es zwei Waffentypen - Gesetz und Chaos - von denen ich am mindestens jeweils einen in den Kampf mitnehmen sollte. Außerdem gehören meine Krieger nicht nur einer von sieben Charakterklassen, sondern auch einem von sechs Elementen an. Letzteren sind auch die Waffen zugeordnet, so dass ich vor jeder Zuweisung Überlegungen der komplexen Art anstellen muss...

Um ein Feuer-Monster zu bekämpfen, stehen mir diese Eis-Waffen zur Verfügung. Die mächtigste Waffe ist eine Gesetz-Waffe - mein gesetzter Krieger kann das Monster aber nur im Chaos-Modus treffen. Ich brauche also einen anderen Kämpfer, doch der besitzt nicht den von der Waffe geforderten Level. Kann der erste vielleicht von einer anderen Position aus das Monster attackieren? Und wie ersetze ich dann den von dieser Position verdrängten Ritter? Nein, lieber noch mal von vorn...

Ich liebe taktische Tiefe, wirklich! Ich verliere mich gerne in den Untiefen eines Disgaeas. Und in Ansätzen gilt das auch für Knights in the Nightmare. Im Gegensatz zu Disgaea gelingt es ihm allerdings nicht, den willkommenen Tiefgang in essbaren Häppchen zu servieren. Wo ich anderswo alle wichtigen Informationen stets im Blick habe, damit ich mich auf die wichtige Entscheidung konzentrieren kann, jongliere ich hier einen Wust schlecht sortierter Informationen, anstatt zum Ziel zu gelangen.         

Angriff!

Doch irgendwann geht es endlich los! Mal habe ich fünf, mal sieben, mal zehn Runden lang Zeit, drei oder vier Monster zu besiegen; gelegentlich steht mir natürlich auch ein großer Boss-Unhold im Weg. 60 Sekunden ist eine Runde lang und wenn die Zeit auf Null fällt, ist die Runde beendet. Dann beginnt erneut die vorherige Phase der taktischen Planung, bevor die nächste startet. Aber trotz der Zeitanzeige wird nicht in Echtzeit gekämpft. Wie das geht? Ganz einfach: Jeder Angriff und jeder Treffer, den ich einstecke, kosten Zeit.

Ein Treffer ist dabei nicht der Schaden, den meine Kämpfer nehmen. Im Gegenteil: Die Monster können meinen Rittern keinen Kratzer zufügen. Schaden nehme ich vielmehr dann, wenn die

Die paar grünen Bälle? Kleinigkeit! Später ist der ganze Bildschirm voll mit feindlichen Geschossen.
Kugeln, Pfeile, Bumerangs oder Luftblasen der Gegner die Spitze des Stylus' berühren! Nein, natürlich interagiert das Spiel nicht mit dem DS-Stift. Mit dessen Spitze steuere und verkörpere ich aber den so genannten Wisp - eine von den Toten auferstandenen Seele, die in den Kampf mit den Unholden gerufen wurde. Und weil dieser Wisp auch dann im Bild ist, wenn ich den Stift anhebe, muss ich ihn durch ständiges Berühren des Bildschirms von Gefahr fernhalten, während ich gleichzeitig meinen Soldaten Befehle erteile.

Der taktische Wisch

Grundsätzlich ist das ganz einfach: Ich berühre einen Krieger, ziehe in die Richtung des gewünschten Ziels, hebe den Stift kurz an und schon führt der Kämpfer einen Angriff aus. Mit einem solchen Angriff sammle ich Magiepunkte, füge dem Feind aber so gut wie keinen Schaden zu. Die magischen Punkte brauche ich aber, um die zentralen Spezialangriffe auszuführen. Was auf ähnliche Art und Weise funktioniert: Erst fahre ich auf eine der während der Planung gewählten Waffen, ziehe diese auf den entsprechenden Charakter und anschließend in Richtung des gewünschten Ziels. Diesmal hebe ich den Stift allerdings erst dann an, wenn der Spezialangriff voll aufgeladen wurde - bis es so weit ist, wische ich zum Ausweichen feindlicher Geschosse längs und quer über den Bildschirm. Und wenn es schließlich kracht, sprudeln zahlreiche Magiepunkte aus dem Getroffenen, die ich durch Drüberwischen auflese. Eine packende Verbindung von Rundenkampf und Echtzeitgeplänkel?

Tatsächlich gefällt mir die Idee - genau so wie mir die Ausführung missfällt. Denn was auf dem Papier spannend klingt und was tatsächlich packend ist, wenn es denn funktioniert, artet auf dem Touchscreen viel zu schnell in ein unübersichtliches Wischiwaschi aus, das weder mit Taktik noch mit einem befriedigenden Geschicklichkeitstest zu tun hat. Während ich etliche Geschosse und meinen Wisp im Blick behalten muss, sehe ich jedenfalls kaum, wie viel Zeit mir in der aktuellen Runde bleibt oder welches Monster gerade wo lang läuft. Es hilft nicht, dass fast jeder Menüpunkt so klein ist, dass man schon sich schon konzentrieren muss, das richtige Symbol zu treffen. Ja, es ist viel Fingerfertigkeit gefragt und das ist gut so! Allerdings ist das reine Hin- und Herziehen des Stifts eine schlechte Entschuldigung für gute Reaktionstests oder Minispiele. Als Gegenbeispiel schwebt mir z.B.

Farbenfrohe Zeichnungen und Dialogboxen erzählen die Geschichte.
eine Situation vor, in der ich entweder einen Ritter per Minispiel aus dem Würgegriff eines Monsters befreien oder anderswo einen Angriff auszuführen könnte.

Feind oder Waffe?

Weshalb ich mich dennoch über die Erfolge meiner Ritter freuen kann? Weil die taktischen Möglichkeiten im Kampf zwar eingeschränkt, aber durchaus knifflig sind! U.a. muss ich mich immerhin entscheiden, einen Gegner anzugreifen oder Objekte zu zerstören, in denen weitere Waffen liegen. Diese Entscheidung ist - genau wie der Einsatz jeder Waffe - deshalb so vertrackt, weil er nicht nur Magiepunkte kostet, sondern weil die Anzahl der bei einem Treffer freigesetzten Magiepunkte stetig abnimmt. Abhilfe schafft der manuelle Wechsel zwischen Gesetz und Chaos. Doch dann muss ich andere Waffen und oft auch andere Angriffsmuster nutzen...

Nicht zuletzt kann ich während der Planungsphase zudem Gegenstände statt Waffen ausrüsten, um sie im Gefecht auf einen Charakter zu ziehen, der nicht zu meiner Truppe gehört. Auf diese Weise erhalte ich weitere Waffen. Und falls ich den richtigen Gegenstand auf den entsprechenden Krieger ziehe, schließt der sich meiner Gemeinschaft an. Erst dann kann ich ihn nach dem Kampf trainieren oder seine Seele aufnehmen. Keine Angst: Wenigstens an diesem Punkt gibt sich Knights in the Nightmare großzügig: Euch schließen sich stets so viele zufällige Ritter an, dass ihr selbst ohne eigene Armee jeden Kampf bestehen könnt!     

Fazit

»Wisp« heißt nicht umsonst »Wisch«: Knights in the Nightmare ist ein hektisches Wischiwaschi auf dem Touchscreen. Es ist gut gedacht, innovativ und taktisch vielfältig - in der Handhabung aber ebenso unübersichtlich wie überladen. Und das wird leider selbst dann nicht besser, nachdem man stundenlang durch das kalte Wasser des unbarmherzigen Einstiegs geschwommen ist: In der Planungsphase wird das umfangreiche Taktieren unter einer Menüflut, im Kampf unter einem Wust an feindlichen Geschossen und anderen Informationen begraben. Clevere Entscheidungen haben das Nachsehen hinter dem ständigen Hin- und Herziehen des Stifts - das darf einem Taktikspiel nicht passieren! Die Art und Weise wie Gesetz und Chaos, Charakterklassen und Elemente sowie die Vergänglichkeit aller Figuren und Waffen ineinander greifen, lässt spielerische Klasse erahnen. Das Verfallsdatum der Ritter ist allerdings geradezu symptomatisch für dieses Abenteuer.

Pro

ungewöhnliche Mischung aus Taktik und Geschicklichkeit
farbenfrohe Zeichnungen, mächtige Spezialangriffe
manuelle Charakter- und Waffenentwicklung

Kontra

katastrophale »Einführung« in Inhalt und Steuerung
überladene, unübersichtliche taktische Gefechtsplanung
Schwerpunkt auf Ausweichen statt Geschicklichkeit & Taktik
unsinnig kleine Symbole, unübersichtliche Kampf-Anzeigen
keine Auswahl des Szenarios, kein Waffenkauf o.ä.
»Verfallsdatum« für alle Ritter und Waffen

Wertung

NDS

Taktische Geplänkel und Geschicklichkeitstests? Leider gehen viele der innovativen Ideen in der fehlenden Übersicht unter.

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