Wenn ich mal nicht toll bin…
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Im Laufe der Zeit gewinnt Twinsen immer mehr Fortbewegungsmittel dazu, so dass er den ganzen Planeten bereisen kann. Und wo er schon auf der Spitze des Hamalayi-Gebirges ist, kann er auch mal eben aufs Snowboard hopsen. |
Manche Leute nehmen sich ihr Leben lang vor, jetzt endlich sportlicher zu werden - in Twinsens Fall reicht dafür ein Druck auf die F2-Taste. Der fröhliche Quetsch verfügt über vier Gemütszustände, zwischen denen man jederzeit wechseln darf und natürlich auch muss, schließlich sind sie essenzieller Bestandteil des Spieldesigns: Da ist der Normalmodus, in dem er gemütlich schlendert, mit Personen sprechen und Extras in Blumenkübeln, Mülleimern, Fässern oder Möbeln aufspüren kann (was übrigens von einigen Bewohnern säuerlich kommentiert wird, wenn Twinsen in ihren Habseligkeiten herumwühlt, während sie daneben stehen). In der sportlichen Variante sprintet er wie der Vorsitzende des Trimm Dich-Clubs und kann springen. Aber Obacht: Wer im vollen Lauf gegen eine Wand rennt, gewinnt Sterne über dem Kopf dazu und verliert Lebensenergie. Dann wäre da noch der aggressive Modus: In dem knurrt Twinsen wie der Hulk, tänzelt angriffslustig wie Ali und kann heftige Hiebe und Tritte verteilen. Bleibt noch die vorsichtige Vorgehensweise: Hier werden die Soundeffekte auf einmal gaaaaaaaaanz ruhig, Twinsen schleicht auf Zehenspitzen dahin.
Was auf jeden Fall sinnvoller als die Aggro-Variante ist, denn von wenigen Ausnahmen abgesehen kann Twinsen kaum einem Gegner wirklich zu Leibe rücken. Die wichtigste Funktion ist aber das Laufen: Nicht nur kann Twinsen den meisten seiner Widersacher einfach wegrennen, die Wachen haben auch einen begrenzten Aktionsradius - verschwindet man aus diesem, kehren die Trottel an ihren Posten zurück.
Mein Panzer, mein Katamaran, mein magisches Schwert
Die Suche nach der Freiheit und der Erlösung von Funfrock führt Twinsen um den ganzen Planeten: Er redet in der Wüste mit Pferden, ackert sich durch schummrige Höhlen, erkundet die weißen Höhen des Hamalayi-Gebirges, schließt sich einer Rebellentruppe an und wird sogar unfreiwilliger Mittelpunkt eines Rockkonzertes - eine wunderbar eigenwillige Mischung aus Jump-n-Run und
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Kein Adventure, sei es noch so klein oder groß, ohne Puzzles: Um an ein Fährenticket zu gelangen, muss Twinsen seine Sokoban-Skills auspacken. |
Actionspiel, gewürzt mit originellen Puzzles (wie z.B. einer Sokoban-Einlage). Einer der Gründe dafür, dass ich mich wahnsinnig schnell in LBA verliebt habe, liegt in dem wunderbar »anderen« Design: Die aus der Iso-Perspektive gezeigte Umgebung ist durch die Bank detailreich gerendert, die in Echtzeit berechneten Figuren sind herrlich liebevoll gestaltet - mein Highlight ist dabei der Haasi-Kellner, der ein Weibchen mit seinen Rückwärtssalti zu beeindrucken versucht. Das Bemerkenswerte daran ist, dass es im ganzen Spiel kein Texture Mapping gibt: Alle Figuren und Objekte sind lediglich per Gouraud Shading schattiert. Das Ganze ergibt in gut animierter Bewegung einen höchst ungewöhnlichen Stil-Mix, der in SVGA dargestellt wurde - lediglich bei Nahaufnahmen interessanter Vorkommnisse wurde auf Wunsch in einen VGA-Zoom gewechselt.
Es gab natürlich auch ein paar Ärgernisse wie die Abwesenheit von Scrolling. Zwar durfte man per Druck auf die Enter-Taste das Bild um Twinsen zentrieren, aber gerade bei hektischer Flucht rannte man des Öfteren unwissenderweise entweder vor eine Mauer oder zusätzlichen Feinden ins Gewehr. Auch dass sich der bezopfte Held irre langsam dreht oder nicht schwimmen kann (dafür aber gerne mal aufgrund eines Clippingfehlers ungewollt in den statischen Fluten versinkt), hat bei mir mehr als ein Mal für bedrohlich knirschende Zähne gesorgt.
Zwar läuft LBA auch wunderbar unter DOSBox, aber es gibt noch eine bequemere Möglichkeit: Sébastien Viannay, einer der Original-Programmierer, hat den Port »LBAWin« geschrieben, den man u.a. beim Magicball Network (einer großen LBA-Fanseite) findet. Damit läuft das Spiel nicht nur problemlos unter jedem Windows ab XP, sondern bietet auch ein paar Bugfixes sowie nette Komfortfunktionen wie einen jederzeit verfügbaren Actionbutton. |
Auf der anderen Seite bekommt man nach kurzer Zeit einen magischen Ball, mit dem man nicht nur Schalter bedienen oder Gegenstände einsacken kann. Man darf ihn auch dazu nutzen, Gegner auszuboingen, was im Falle der dicken Standard-Wachen oder der Robo-Haasis eine putzige Slapstick-Nummer nach sich zieht. Später konnte man auch Panzer fahren, und zum Endkampf gegen Funfrock gab's auch noch ein mächtiges Schwert. Jaha!
Aber der wichtigste Grund für die Dauerkarte in meinem Herzen ist der Soundtrack von Philippe Vachey: Allein das Titelthema ist für mich ein Klassiker, den ich zusammen mit dem Rest des gerade mal neun Stücke umfassenden Soundtracks mehrmals pro Woche höre und der sich beharrlich weigert, schlecht zu werden - ich hoffe aus den dunkelsten Tiefen meines Herzens, dass dieses wundervolle Stück irgendwann seinen Weg zu einem orchestralen Spielekonzert findet. Bis dahin bleibt Little Big Adventure ein wunderbarer Ausnahmetitel: Ideenreich, innovativ, voller Charme und Seele, wie es ihn viel zu selten gibt.
Paul Kautz
Ein schönes Spiel in schönen Bildern:
Unsere Screenshot-Galerie zu Little Big Adventure.