Im Test:
Zeit der kämpfenden Reiche
Während bei uns das Mittelalter durch den Konflikt Kirche vs. Adel gekennzeichnet ist, geht's in Russland um den Kampf gegen die Mongolen. |
Allerdings wurde der Aufstieg immer auch durch die aufstrebenden Mittelmächte in der Region bedroht, die schon früh zusammen hängende Ländereien hatten. Im Spätmittelalter waren das in Osteuropa Schweden, Polen, Litauen, Lettland und nicht zuletzt die Ritter der Deutschordens. Man glaubt es kaum - gerade das heute gern übersehene Litauen war damals eine führende Macht, die im ständigen Kampf mit dem Deutschorden lag. Das ging sogar soweit, dass sich Polen und Litauen zu 1386 einem Großreich zusammen schlossen, das sich immer wieder in die inneren Angelegenheiten der Russen einmischte. So dauerte es noch bis zum 17. Jahrhundert, bis ganz Russland endlich unter eine Herrschaft kam und auch nach außen als Einheit auftrat.
Mal was anderes
All diese zerstrittenen Groß-, Mittel- und Kleinstaaten kann man in Reign regieren, das sich zeitlich grob von 1350 bis 1650 erstreckt. Da es drei Startpunkte für die Kampagne gibt, kann man in allen Stufen der Entwicklung einsteigen. Moskau etwa ist anfangs ein winziges Kleinfürstentum, das sich
Wer den Deutschorden nimmt, hat zu Beginn schon ein ansehnliches Land. Wer hingegen Moskau nimmt, hat nur Ärger. |
Wer will, kann ebenso Großmeister des Deutschordens werden, Anführer der Kossacken oder schwedischer König. Obwohl sich die 26 Reiche in Lage, Entwicklungsstand und Größe unterschieden, spielen sie sich doch recht ähnlich. Das gilt nicht nur für die russischen Fürstentümer, sondern auch für die größeren Königreiche wie Polen. Es liegt sicher auch daran, dass sich die Staatsform kaum unterscheidet: Man spielt immer den absoluten Herrscher in slawischer Tradition, obgleich etwa Nowgorod in Wirklichkeit eine Republik war. Neben den Kampagnen gibt es auch ein freies Spiel, wo man keine Aufträge hat. Es ist kein Multiplayer dabei, was seltsam ist für ein Strategiespiel dieses Kalibers, auch wenn es genau genommen nicht rundenbasiert ist, da es in Echtzeit läuft.
Frust zu Beginn
Obwohl das Tutorial einem alles zeigt, ist es nicht gerade einsteigerfreundlich, weil es schnell überfordert. Zudem sollte man gut Englisch können. |
Das Spiel ist auch deshalb nicht leicht, weil die Computergegner gleich aggressiv vorgehen. Zwar hält sich die KI an geschlossene Abkommen, aber wenn man einen Krieg vom Zaun bricht, hat man nichts zu lachen. Die von der KI gesteuerten Generäle marschieren flugs vor und nehmen kleinere Ortschaften ein, die wichtig sind. Diese Blockade führt zum Ausfall der Ernte, der meist in einer Hungernot in der attackierten Provinz mündet. Truppen, die nichts zu beißen haben, verlieren ein Gefecht nach dem anderen oder lösen sich auf. Gerade zu Beginn sollte man Kriege vermeiden, da sie einen teuer zu stehen kommen. Kleine Nationen werden gnadenlos platt gemacht, was teils frustriert. Da auch das Ändern des Schwierigkeitsgrades wenig bringt, sollten Neulinge größere Länder spielen, um nicht gleich die Lust zu verlieren.
Unschöne Kämpfe
Besonders aufregend sind die Schlachtern leider nicht, denn sie wurden
bestenfalls zweckmäßig inszeniert. Während Total War für echtes Mittendringefühl sorgt, hat man hier nicht wirklich den Eindruck, alles im Griff zu haben. Das liegt daran, dass man während der Schlachten nicht mehr eingreifen kann sondern nur noch die Geschwindigkeit bestimmt, in der alles abläuft. Das ist ein Nachteil, denn so müssen Hobby-Feldherren ihre Taktik bereits vorher festlegen. Sonst entscheiden die Fähigkeit des Generals, die Stärke und die schiere Zahl der Kämpfer. Große taktische Möglichkeiten hat man ohnehin nicht, da es weder Formationen noch Geländevorteile gibt. Man kann sogar problemlos über einen Fluss angreifen, da sich die Armee automatisch in ein Schiff verwandelt. Eine Flotte gibt es aber nicht, obwohl die Ostsee und das Schwarze Meer eingezeichnet sind. Trifft man auf den Feind, knallt es. Die öden Schlachten setzen keinen in Verzückung, insbesondere nicht Fans der Total War-Reihe.
Man bestimmt noch, ob die eigenen Männer den schwächsten oder stärksten Feind angreifen sollen. Dann geht's los und die Handvoll Einheiten hauen abwechselnd aufeinander ein. Symbolisiert wird das durch ploppende Lichter, die von grün nach rot wechseln. Das sind die Verluste, die bis zum Tod einer Truppe führen können. Fernwaffen müssen erst nachladen, was unterschiedlich lange dauert. Die mit Schusswaffen bewaffneten Schützen brauchen etwas länger zum Laden, ebenso wie Kanonen. Wenn alle Soldaten einer Seite vernichtet sind, ist die Schlacht vorbei und der Sieger behält geplünderte Nachschubwägen - der Verlierer fällt buchstäblich in den Staub, da sein General vom Pferd kippt. Nach dem Kampf muss man seine Einheiten auffrischen, was am schnellsten in der Stadt geschieht.
Vom Schwert zur Muskete
Die Einheiten unterscheiden sich noch am meisten, obwohl es wie bei Total War Grundtypen gibt. Grundsätzlich teilen sie sich in Fußtruppen, Schützen und Reiter auf, die spätmittelalterlich anmuten, wozu auch die Lautenklänge passen. Jedes Volk hat seine Eigenheiten: Der Deutschorden führt natürlich seine berühmt-berüchtigten Ritter ins Feld während die Mongolen berittene Bogenschützen haben. Leider ist nur ansatzweise so etwas wie ein Stein, Schere, Papier-Prinzip zu erkennen, wonach etwa die Pikenträger besonders wirksam gegen die Kavallerie sind. Das ist nicht so entscheidend, da man aber gar nicht sieht, wie sie kämpfen, sondern nur das Ergebnis des Schlags geliefert bekommt. Einheiten haben auch negative Eigenschaften - so besitzen manche wie die Miliz eine niedrige Moral.
Im Lauf des Spiels werden die Einheiten immer neuzeitlicher, so dass sie auch irgendwann Schusswaffen bekommen. Von Beginn an verwenden nur wenige Schießpulver, aber dann etabliert es sich immer mehr; Armbrüste weichen im Spielverlauf der Flinte. In den späteren Kampagnen sind die Schützen dann die Mehrheit, ohne dass die mittelalterlichen Kämpen weichen würden. So sind die Strelitzen diejenigen Russen, die Musketen ins Gefecht führen, dennoch gibt es immer noch Axtkämpfer. Zudem gibt es einfache Geschütze wie die Feldschlange, die aber nicht bei Belagerungen verwendet werden, weil es keine gibt. Um Feuerwaffen zu bekommen, muss man sie aber erst entwickeln, was eine der wenigen Erfindungen ist, die zur Abwechslung mal nicht Gold, sondern Wissen kosten.
Bauten und Forschung
Schnell erfunden. Außerhalb des militärischen Bereichs gibt's wenig zu tun, auch weil Forschungsoptionen fehlen. |
Auf jeden Fall bringen neue Erfindungen mehr Bauoptionen, von denen es ohnehin nicht all zu viele gibt. Leider wird auch hier nicht differenziert, denn alle Völker besitzen die gleichen. Da haben andere Spiele mehr Verschiedenheit, was die Bauten betrifft. Noch weniger Optionen gibt es bei der Forschung, die gerade mal zwölf Erfindungen pro Epoche hat. Zunächst braucht man mal Wissen, um die Sachen überhaupt erforschen zu können. Das fließt als Rohstoff aus den kirchlichen Schulen, die in den Städten für Bildung sorgen. Allerdings sind nur wenige der Technologien wirklich wichtig, wie die Zentralisierung oder Feuerwaffen. Sonst kann man auch darauf verzichten, da etwa bessere Wälle die Feinde nicht vom Erobern der Städte abhalten, da sie nicht erst belagern müssen.
Profis gefällig?
Die Spezialisten lernen im Lauf der Zeit immer mehr dazu. So kann ein General irgendwann Söldner anwerben, die sofort erscheinen. |
Neben den Priestern und Wissenschaftlern gibt es noch Verwalter, Spione und Generäle, von denen gerade die letzten wichtig sind, denn sonst kann man keine Armee bilden. Die Verwalter bringen immerhin mehr Steuereinnahmen, aber die Spione könnten ausgefeilter sein. Klar, dass ein russisches Spiel um Spione nicht herumkommt, die aber nur defensive Aufgaben übernehmen, indem sie Intrigen auffliegen lassen. Kein Vergleich mit Total War, wo die Agenten deutlich offensiver sind. Hier klauen sie weder Technologien noch spähen sie Feinde aus. Zudem springt immer auch der wenig prächtige König auf der Karte durch die Gegend, der neben militärischen Aufgaben auch noch das Regieren übernimmt. Er sorgt periodisch für Nachschub an Diplomaten, aber leider nur, wenn er sich außerhalb der Stadt befindet.
Diplomatische Verwirrungen
Zunächst einmal muss man sie zu ihnen schicken, da jede Verhandlung umständlich einen Diplomaten erfordert. Das Problem ist allerdings, überhaupt Verhandlungspartner zu finden, was außerhalb der diplomatischen Quests eher schwierig verläuft. Einmal weiß man nicht so genau, wer einen überhaupt leiden kann, da die Ansicht da nicht viel verrät. Sie zeigt nur das Nötigste, etwa wer Krieg mit einem führt. Hinzu kommt, dass die Städte der Verhandlungspartner aufgrund der einförmigen Darstellung kaum zu finden sind. Alles sieht gleich aus, es wird nichts hervorgehoben und man weiß gar nicht, wo man sich gerade befindet. Hat man endlich einen Partner gefunden, muss man erst noch den Emissär aktivieren und in die Verhandlung schicken. Verhandlungen sind eine zähe Angelegenheit, die enorme Schmiergelder erfordet. Immerhin halten sich die Gegner an Abkommen.
War das schiere Zueinanderfinden schon ein Akt, wird's dann im Gespräch nicht leichter. Obwohl es Optionen gibt, die vertraut klingen, sind die meisten davon eher Dekoration. Eigentlich braucht man nur die Handelsabkommen und die Allianz, da man den Krieg auch durch den bloßen Angriff erklären kann. Die Verhandlungspartner agieren hölzern, da sie eigentlich nur auf das Argument »Geld« reagieren. Wer ihnen viel anbietet, kommt irgendwann zum Abschluss. Mehr Möglichkeiten des Austauschs gibt's nicht, denn man kann nicht mit Technologien handeln, wie es sonst üblich ist. Wer nichts erreicht, verliert dennoch einen Diplomaten, da auch Fehlschläge Botschafter kosten. Diese sind elementar, denn sie verbessern das Ansehen an dem Hofe, wo sie sich gerade aufhalten.
Fazit
Obwohl Reign: Conflict of Nations ein schön komplexes Strategiespiel ist, für das sich das mühsame Einarbeiten lohnt, schreckt es anfänglich eher ab. Gleich zu Beginn erschlägt es einen mit inhaltlichen Details, anstatt einen schön behutsam aufs Amt als virtueller Großfürst vorzubereiten. Die Feinde agieren garstig, bedrohen die Handvoll Provinzen und marschieren gleich vor der Hauptstadt auf. Die Verhandlungspartner sind nicht viel besser, so dass man nicht so schnell Freunde findet, wie man sie dringend bräuchte. Wer da nicht gleich die Krone wegwirft, braucht einen langen Atem, bis mal etwas so läuft, wie man es sich im Herrscherhimmel erträumt - blühende Landschaften oder eine schlagkräftige Armee, die alles schützt und die Feinde in Schach hält. Stattdessen hat man eher den Eindruck, öfters etwas falsch zu machen. Das liegt weniger am Englisch als am gehobenen Schwierigkeitsgrad, der immer gleich bleibt, obwohl nominell drei Stufen existieren. Andererseits gibt es einen strategieversessenen Spielertyp, den das alles eher anspornt, der auch zum 30. Mal neu anfängt und Russland unter seiner Flagge einen möchte. Da schrecken auch die vergleichsweise geringen taktischen Möglichkeiten, wenigen Technologien oder die Handvoll Bauoptionen nicht. Dafür kann man die Feuerwaffen einführen, Generäle in Schlacht schicken und die Pest mit Gelehrten abwehren. Zudem will man irgendwann einen Großbau wie den Kreml errichten, auch wenn das Spiel für das Szenario wenig Pracht bietet.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Ein Spiel für ganz Strebsame, denen nicht schon zu Beginn die Lust vergeht.
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