Im Test:
Waidmannsheil!
Neben der Flut an Alltags- und Berufs-Simulationen überschwemmen seit geraumer Zeit auch Jagd-Spiele den heimischen Markt. In den USA erfreut sich dieses "Hunting" schon seit Jahren großer Beliebtheit. So verwundert es nicht, dass es sich bei "Jagen 2011 (ab 2,95€ bei kaufen)" eigentlich um die aktuelle Ausgabe von "Hunting Unlimited" des Entwicklers Valuesoft handelt, der für den US-Markt Produkte der Casual-Reihe von THQ (Play THQ) entwickelt. Entsprechend geht es auch gar nicht im heimischen Forst auf die Pirsch, sondern in den Bergen, Prärien und Wäldern jenseits des Atlantiks. Ein Mann und sein Hochstand: Spannend? Nein, nicht wirklich...
Waidmannsdank!
Nach der Installation werde ich ohne Umwege in eine Blockhütte verfrachtet, an deren Wand eine Menge Schießeisen hängen: Links Schrotgewehre, rechts Repetiergewehre, darunter befinden sich einige Jagdbögen. Zunächst sind von jeder Waffengattung nur die "verrosteten" und mutmaßlich schlechten Versionen erhältlich. Im Spielverlauf schalte ich dann die vermeintlich "besseren" Modelle frei.
Mit dieser Form von "Motivation" lockt man heutzutage eigentlich keinen Kater mehr vorm Kamin hervor. Stattdessen wäre eine Charakteranpassung bezüglich Erscheinungsbild, zumindest aber Geschlecht meines Alter Egos, oder irgendeine Form von Hintergrundgeschichte deutlich zeitgemäßer. Es erscheint lediglich eine Karte der USA und ich darf mir aus drei von 30 zu Beginn anwählbaren "Einsätzen" einen aussuchen.
Auf der Pirsch
Keine Anfahrt, kein Besprechung, keine Hintergrundinformationen: Plötzlich befinde ich mich auf einem Hochstand inmitten eines Nadelwaldes und lausche dem Wind, der durch die Tannen weht. Instinktiv versuche ich den Hochsitz zu verlassen, aber das geht nicht und ist auch nicht vorgesehen. Eingesperrt auf zwei Quadratmeter warte ich untätig auf das bedauernswerte Rotwild, das sich immerhin nicht lange bitten lässt.
Nachdem die Beute bis auf etwa 20 Meter herankommt, eröffne ich das "Feuer" per Pfeil und Bogen - Moorhuhn lässt grüßen. So erlege ich einen Hirsch nach dem anderen. Nach dem fünften ist Schluss. Das war's. Später gibt es dann noch "Einsätze", in denen ich auch tatsächlich frei durch die Landschaft latschen kann, die sind aber ähnlich eintönig und retten diesen Totalschaden auch nicht mehr.
Tower Defense
Besonders sinnfrei sind die Einsätze in denen ich doch tatsächlich auf meinem Hochsitz "Wellen" von angreifenden Wölfen und Bären widerstehen muss, die wie von der Tarantel gebissen nichts Besseres zu tun haben, wie die Lemminge in das Mündungsfeuer meiner Schießeisen zu galoppieren. Lasse ich sie zu lange an meinem Hochsitz "kratzen" fällt der um....ne is klar! Die Mission gilt dann als gescheitert. Geht's noch idiotischer? Es spielt übrigens keine Geige, ob ich mit Pfeil und Bogen, mit Standardmunition oder mit Schrot ballere. Wie jeder weiß, eignet sich Letzteres nicht für Distanzschüsse...bei Valuesoft hat man davon anscheinend noch nichts gehört und so erledige ich per Pumpgun Damwild in etwa 300-400 Meter Entfernung - was für ein Schwachsinn! Welches Schießeisen hätten's denn gerne?
Büchse ins Korn werfen...
Wie immer bei Billigproduktionen dieser Art, wäre auch hier so viel mehr möglich gewesen. Zugegebenermaßen trägt dieses Spiel den Begriff "Simulation" nicht im Titel. Dennoch darf ich wohl erwarten, dass der Einsatz eines Schrotgewehres auf 400 Meter keine Wirkung erzielt, zumindest keine tödliche. Warum darf ich mich nicht anschleichen? So wie bei jedem 08/15 Shooter in die Hocke gehen oder auch flach hinlegen? Warum sind hier alle Tiere taub und blind? Wie sonst erklärt es sich, dass Hirsch A ungerührt stehen bleibt, während Hirsch B unter lautem Krachen meiner Büchse zu Boden geht. Und was soll diese unsägliche "Bullet-Cam" gefolgt von einem markigen "Ni-ice Shot!" aus dem Off? Ersteres ist billig kopiert und Letzteres: Wer spricht denn da? Ich bin doch ständig alleine unterwegs. Weder gibt es einen Mehrspieler-Teil, noch KI gesteuerte Jagdkameraden. Also hört mein Alter Ego schon Stimmen? Spricht er gar mit sich selbst in der endlosen Ödnis der Steppe Nebraskas? Man weiß es nicht. Ich weiß nur eins: Dieses Spiel ist selbst die vermeintlich günstigen 15 Euro nicht wert, investiert diese lieber in die DVD eines Kino-Klassikers wie "The Deer Hunter" ("Die durch die Hölle gehen"), da ist es weitaus besser angelegt. Die Bulletcam: Schlecht kopiert und irgendwie...geschmacklos.
Fazit
Ob es ethisch korrekter ist "böse Buben" niederzuballern oder sich als Bambi-Mörder zu outen und so den Groll von Tierfreunden wie Sarah Dingsda auf sich zu ziehen, mag ich hier nicht zu beurteilen. Was ich hier beurteilen kann und muss ist die unterirdische Qualität dieses Spiels. Als Freeware könnte man Jagen 2011 vielleicht noch durchgehen lassen, auch wenn jedes 79 Cent-iPhone-Spielchen mehr Spaß verspricht. Als Vollpreistitel (wenn auch im Budget-Bereich) ist dieses Spiel glatte 14,95 Euro zu teuer. Wenn es wenigstens ein Jagd-Kompendium (meinetwegen ebenfalls in Englisch) ins Spiel geschafft hätte, mit Infos zu dem Damwild, das gejagt wird, oder den Waffen, die dabei zum Einsatz kommen. Wenn so elementare Dinge wie "ducken" oder "hinlegen" ihren Weg ins Spiel gefunden hätten und es einen Unterschied machen würde, welche Waffe und welchen Munitionstyp ich verwende, geschweige denn Wetter bzw. Tag/Nachtwechsel, dann hätte man mit viel gutem Willen vielleicht noch ausreichende Bereiche erreicht. So bleibt es bei einem mangelhaften Spielerlebnis, dem nur Leute etwas abgewinnen dürften, die seit Doom keinen Shooter mehr gespielt haben und Moorhuhn spannend finden. Wer sich für das Thema interessiert, fährt mit der "Cabela -Hunting"- Serie weitaus besser. Im Mai erscheint hier eine neue Ausgabe, die wir dieses Jahr auch testen werden.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Lächerlich unrealistischer, eintöniger und simpel gestrickter Moorhuhn-Klon mit Damwild statt Geflügel.
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