Test: Battle Brothers (Taktik & Strategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Release:
24.03.2017
11.03.2021
Erhältlich: Digital (Steam)
Spielinfo Bilder Videos
Das zähe Ringen um Gewinne

Hat man eine Schlacht überlebt, ist man überaus froh, aber dann muss man zum einen Glück haben mit der Beute. Manchmal bekommt man viel, manchmal sehr wenig. Und das kann fatal sein, denn man muss seine Söldner nicht nur heilen, dazu jeden Tag verpflegen und bezahlen, sondern im Idealfall auch mit weiteren Rüstungen und Waffen versorgen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die gebrauchte Ausrüstung abnutzt.

Nicht zu vergessen der teure Ersatz für Gefallene: Richtig schlagkräftige Veteranen kosten so viel Geld, dass man sich nur Bauern, Rattenfänger, Fischer oder Bettler leisten kann, die natürlich im Level aufsteigen müssen und mehr schlecht als recht kämpfen. Sobald man genug Erfahrung hat, kann man mehrere Werte steigern, darunter Nah- oder Fernkampf offensiv und defensiv, aber auch Lebenspunkte, die Ausdauer oder Standhaftigkeit. Hinzu kommt meist eine freischaltbare Fähigkeit ("Perk"), die sich von erhöhten Lebenspunkten oder besserer Lernfähigkeit sofort passiv oder aktiv auswirken kann. Zwar hat man hier viel Auswahl, aber bis man im Gelände wirklich spürt, dass jemand etwas gelernt hat, dauert es zu lange.

Bis man sich wirklich effiziente Waffen leisten kann, muss man viel Zeit investieren.
Bis man sich wirklich effiziente Waffen leisten kann, muss man viel Zeit investieren.
Das Wirtschaftssystem könnte der Balance helfen, aber zum einen ist der Handel nicht lukrativ genug: Zwar kann man Waren günstig ankaufen und weiter entfernt teurer verkaufen, aber der Ertrag ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und man findet zufällig auf der Weltkarte viel zu wenig bzw. kann seine Kasse oder Helden viel zu selten über die Erkundung aufbessern. Es hätte ja nicht gleich eine Sammel- und Abklapporgie sein müssen, aber so ein Hauch von Heroes of Might & Magic hätte dem Spielerlebnis gut getan.

Zum anderen ist die Belohnung für Aufträge von Städten viel zu niedrig.  Man kann zwar etwas feilschen, aber der Erlös kann die zu erwartenden Verluste gerade zu Beginn kaum auffangen. Blöd ist auch, dass man nur einen Auftrag aktiv verfolgen kann und so auf einer langen Reise nicht noch nebenbei etwas verdienen kann. Man hat also selbst nach gewonnenen Schlachten weniger die angenehme Qual der Wahl, was man entwickeln will wie in Darkest Dungeon, sondern fühlt sich ständig wie ein Bettler, der wieder von Auftrag zu Auftrag reisen muss.

Keine Basis, kaum strategische Entwicklung

Ich kann weder ein Hauptquartier ausbauen noch Landbesitz gewinnen – dieses ewige Wandern und Kämpfen ohne eigenen Fixpunkt ist ein Fluch dieser Art von zufallsgeneriertem Sandkasten. Es gibt auch keine motivierende Geschichte, keine epische Hauptquest, sondern lediglich kleine, teilweise sogar unterhaltsame Storyschnipsel, bevor die politische Situation im Finale auf drei Arten eskalieren kann, wobei sich die Auswirkungen für das Spielerlebnis leider in Grenzen halten - wenn man es denn überhaupt erreicht.

Es gibt zwar Zwischenfälle und interessante Begegnungen, aber die wirken sich kaum aus.
Es gibt zwar Zwischenfälle und interessante Begegnungen, aber erstens viel zu wenige und diese wirken sich zweitens kaum aus.
Auf dem schwierigen Weg dorthin vermisst man auf der Karte mehr Interaktion: Man kann Reisenden begegnen, manche schließen sich sogar an, und man wird schon mal in ein Gespräch mit Antwortwahl oder einen Zwist in der eigenen Truppe verwickelt, aber das geschieht viel zu selten und hat kaum Einfluss auf die eigene Beute oder die Kampagne in Form von weiteren Aufgaben.

Schade ist auch, dass man so wenig an angezeigten Orten wirklich anklicken und erkunden kann, oder dass es so wenig wirklich spannende Zwischenfälle oder Entdeckungen gibt, die mich vor die Wahl und eine Belohnung in Aussicht stellen - die Ereignisse auf der Weltkarte fühlen sich an wie ein oberflächlich designtes Gerüst. Das ist kein Vergleich zu den interaktiven Szenen und Dialogen in z.B. The Banner Saga, die auch das Kampagnenflair über interessante Rollenspielsituationen vertiefen konnten.

So beobachtet man meist wie das eigene Wappen in Echtzeit über die Karte zieht, kann das Tempo dabei um eine Stufe erhöhen, kann ab und zu Banditen, andere Söldner oder Karawanen sehen, aber wird nicht ermuntert, sich eingehender mit den Orten zu beschäftigen. Schön ist zwar, dass diese z.B. dynamisch überfallen oder geplündert werden, aber hat man gerade einen anderen Auftrag, lohnt es sich nicht, diesen dafür zu unterbrechen. Statt Erkundungsdichte entsteht eine Distanz. Immerhin kann man übergeordnete Ziele für die eigene Söldnertruppe verfolgen, die in Etappen zur Wahl stehen: Dann kann man sich z.B. entscheiden, ob man auf eine Stärke von zwölf Mann hin arbeitet, sich lieber ein eigenes Banner für 2000 Gold anschaffen oder alle Festungen der Welt bereisen will.

Aber abgesehen davon macht man letztlich immer dasselbe: Banditen oder Monster töten, Händler bzw. Waren abliefern. Warum hat man gerade als Söldnertruppe nicht die Möglichkeit, wirklich skrupellos zu spielen und diese Orte oder Karawanen selbst zu plündern? Man verliert lediglich Ansehen in den Orten, wenn man einmal angenommene Aufträge wieder auflöst. Auf dem Weg ins Finale motiviert auch lediglich in den ersten Stunden, dass es adlige Fraktionen gibt, die man freundlich stimmen kann, indem man für sie Aufträge erledigt. Aber auch hier wird auf lange Sicht viel diplomatisches und wirtschaftliches Potenzial verschenkt, denn selbst wenn ich die höchste Anerkennung in einer Stadt erreiche, sind z.B. die Preisnachlässe für Waren, Ausrüstung oder Söldner nicht der Rede wert. Außerdem ergeben sich keine nennenswerten militärischen oder strategischen Vorteile für mich.

Kommentare

FrohundHeiter schrieb am
Wanderdüne hat geschrieben: ?11.04.2017 08:55
rDy2Die hat geschrieben: ?11.04.2017 08:00 Für sowas wird Geld verlangt?
Ja, entsetzlich. Es gibt tatsächlich Menschen die bezahlt werden möchten wenn sie monate- oder jahrelang Arbeit in etwas investiert haben.
rDy2Die hat geschrieben: ?11.04.2017 08:00 Es gibt RPG-Maker Spiele für lau die mehr Qualität bieten [...]
Dann nenn doch mal ein Paar.
rDy2Die hat geschrieben: ?11.04.2017 08:00 [...] als dieser Schund.
unterste Schublade...
/sign.
FrohundHeiter schrieb am
Steffensteffen hat geschrieben: ?12.04.2017 02:26 Kann dem Tester größtenteils zustimmen. Das Grundgerüst um Kampf und Charakterentwicklung ist wirklich sehr interessant und das artdesign weiß auch zu gefallen, aber es fehlt deutlich an Inhalten und Abwechslung. Man stelle sich vor, es gäbe größere Städte mit mehr Interaktionsmöglichkeiten und Questlines, mehr Waffen- und Rüstungsarten und echte Fraktionen alá Mount & Blade, mit denen man sich verbünden oder es sich verscherzen kann...
Dann wären da noch Charaktere, die sich deutlicher unterscheiden und einzigartige Eigenschaften besitzen sollten.
Wenn man in das Konzept ein bisschen mehr Schmalz investiert, könnte da ein echter Kracher draus werden.
Fraktionen gibt es und du kannst auch gerne mal Aufträge ständig abbrechen, dann hast du frühzeitig Spaß mit denen ;-)
FrohundHeiter schrieb am
Der Test geht in Ordnung, aber...250000 Zeilen Text ins Deutsche zu übersetzen ist keine Kleinigkeit. Und es werden ständig mehr Texte. Das man im Laufe des Spiels keinen Erfahrungsfortschritt gewinnt ist leider falsch. Die Gruppe wird stärker und auch besser ausgerüstet, aber der wahre Fortschritt ist der Spielerfortschritt. Ich habe auch lange gebraucht, um zu erkennen, dass es im Kern darum geht immer mehr taktische Vorgehensweisen zu erlernen. Quasi wie Schach. Da dauert sowas auch seine Zeit, um "Großmeister" zu werden und die Meisten werden es nie. Ich finde es sehr bereichernd, dass man hier nicht ständig seine "Belohnungen" bekommt, um seine Motivation aufrecht zu erhalten. Es ist jedesmal wie beim Tutorial. "Es war alles falsch, falsche Entscheidungen und nun haben wir den Salat". So ungefähr. Es gibt hier kein "Gewinnen". Es ist eine Reise und mal gucken wie lange diese Reise geht. Mehrere Fehlentscheidungen, mal falsch abgebogen oder 2 Söldner zuviel verloren und alles ist vorbei. Pech gehabt. Wahre Meister gibt es in dem Spiel ganz wenige und die werden zu Recht von der Community bewundert. Endlich mal ein nicht eazy beazy Mainstreamspiel, wo man nach 40 Stunden alles durch hat und den nächsten Speedrun bei YT einstellt. Ich hasse das Spiel wie die Pest, aber es macht auf Iron Man einfach auch irre Spaß, weil man immer dazu lernt und weiss wann man welchen Fehler gemacht hat. 30 Euro sind nicht zuviel für das Spiel. Es werden ständig Dinge nachgereicht und wer weiss, ob es in Zukunft nicht auch mal eine eigene Festung gibt. Die Entwickler haben zumindest eine Idee von mir in der Beta realisiert und diese im Forum auch kommentiert. Das ist wirklich schön zu wissen, dass eigene Vorschläge berücksichtig werden. Also nicht meckern, einfach vorschlagen und wer weiss, vielleicht gibt es deine Idee bald im Spiel. Frohes Köpfe abschlagen. :-)
Steffensteffen schrieb am
Kann dem Tester größtenteils zustimmen. Das Grundgerüst um Kampf und Charakterentwicklung ist wirklich sehr interessant und das artdesign weiß auch zu gefallen, aber es fehlt deutlich an Inhalten und Abwechslung. Man stelle sich vor, es gäbe größere Städte mit mehr Interaktionsmöglichkeiten und Questlines, mehr Waffen- und Rüstungsarten und echte Fraktionen alá Mount & Blade, mit denen man sich verbünden oder es sich verscherzen kann...
Dann wären da noch Charaktere, die sich deutlicher unterscheiden und einzigartige Eigenschaften besitzen sollten.
Wenn man in das Konzept ein bisschen mehr Schmalz investiert, könnte da ein echter Kracher draus werden.
Jondoan schrieb am
Thjan hat geschrieben: ?11.04.2017 10:36
Lustig, ich finde diese Figuren eigentlich sehr passend. Hat etwas von einem Brettspiel.
Jo, das war wohl der Gedanke dahinter. Bin Brettspielen jetzt nicht so abgeneigt, aber irgendwie gefällt mir halt dieser halb realistische, halb brettspielmäßige Look nicht. Hat was bizarres, surreales :ugly:
schrieb am