Tembo The Badass Elephant23.07.2015, Jan Wöbbeking

Im Test: Mit einer Arschbombe ins Vergnügen

Wenn Godzilla versagt, muss es eben ein Elefant richten: Auch Segas resoluter Dickhäuter kommt aus Japan und legt fast eine komplette Stadt in Schutt und Asche. Eine Arschbombe genügt und schon kracht der kampferprobte Tembo durch Dutzende von Stockwerken. Können die Pokémon-Erfinder von Game Freak frischen Wind in Segas Jump&Run-Programm bringen?

Stampf kaputt, was dich kaputt macht!

Der Schauplatz für Tembos Zerstörungstrip heißt Shell City: Die Stadt befindet sich seit dem Übergriff eines maskierten Bösewichts mit dem einfallsreichen Namen „Phantom“ im Ausnahmezustand und die Nationalgarde steht den Eindringlingen hilflos gegenüber. Deshalb zieht General Krenman im Kampf gegen das Böse seinen letzten Trumpf: Der Erdnuss mampfende und aggressiv stampfende Tembo diente schon im Dschungelkrieg an der Seite von Krenman und wird mit seinem gewichtigen Kampfstil zur letzten Hoffnung der Stadt. Abseits der animierten Comic-Strips spielt die minimalistische Geschichte leider kaum eine Rolle. Da auch der Spielablauf sehr klassisch gehalten ist, fällt das aber kaum auf. Tembo greift in seinem Jump&Run nur auf eine Hand voll Attacken zurück, welche aber immer wieder gut platziert eingesetzt werden müssen: Ein Dash lässt ihn durch Autos, Trümmer und kleine Gegner galoppieren; auf Knopfdruck rollt er sich zur hüpfenden Kugel zusammen, um Ramm-Attacken zu starten. Ein kraftvoller Hammerschlag mit dem Rüssel zerdrischt schwebende Helis und mit der Arschbombe kracht er durch komplette Wolkenkratzer.

Manche Projektile lassen sich mit dem lenkbaren Wasserstrahl austricksen.
Dazu kommt noch die universell einsetzbare Wasserspritze: Mit dem Rüssel lassen sich gegnerische Feuerkugeln löschen und Blumen zum Wachsen bringen, die sich in Sekundenschnelle in Plattformen verwandeln. Viel mehr lernt der Held auch im Laufe seines Abenteuers nicht hinzu. In Punkto Abwechslung spielt Tembo also in einer anderen Liga als das vor Ideen sprühende Rayman Legends oder Yoshi's Woolly World. Weniger muss aber nicht immer schlechter bedeuten, denn im Rahmen seiner überschaubaren 17 Levels werden die Fähigkeiten intensiv gefordert. Gerade im späteren Vergnügungspark muss ich immer wieder sekundengenau durch Feuerbälle springen, sie mit dem Rüssel löschen, Gegner mit einem befriedigend-morbiden Knacksen plattstampfen, durch Autos rammen und mehr.

Wider den Diätwahn!

Da der gewichtige Dickhäuter sich entsprechend träge bewegt, entsteht im Vergleich zur aktuellen Konkurrenz ein angenehm eigenständiges  Spielgefühl. Es ist richtig befriedigend, durch massenhaft aufgetürmte Autowracks und Barrikaden zu rammen, auszuweichen, mit passendem Timing los zu dreschen und klingelnde Kombos aufzustellen. An ein paar ähnlich „träge“ Titel fühlte ich mich natürlich trotzdem erinnert, z.B. Wario, Strider und Altered Beast vom Mega Drive oder auch das aktuellere Völgarr The Viking. Dank Tembos Energiereserven und fair verteilter Speicherpunkten wird es aber zum Glück nicht ganz so erbarmungslos schwer wie beim Wikinger. Auch die wenigen Bosse wie ein Heli oder Drachenpanzer sorgen mit ein paar Angriffsphasen und Projektilattacken für eine passende Mischung.

Badabadabadabada!
Es gibt allerdings ein paar Spieldesign-Fehler, welche Tembos Bändigung vor allem zu Beginn zum Geduldsspiel machen. Der an  Yoshi angelehnte Flattersprung z.B. ist in der Hitze des Gefechts etwas zu fummelig: Er lässt sich sowohl durch zweifaches Drücken als auch durch einfaches Halten des Sprungknopfes auslösen. Das Problem daran: Manchmal hatte ich ihn bereits nach dem Absprung versehentlich aktiviert und konnte ihn über einem tödlichen Abgrund dann nicht mehr starten. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, aber eine andere Lösung wäre deutlich intuitiver gewesen. Außerdem ist beim Freischalten etwas zu viel Fleißarbeit nötig: Als ich am Ende der zweiten Welt angelangt war, musste ich den Großteil der Levels noch ein zweites mal spielen, um das letzte Level mit genügend Kills freizuschalten. Erst wenn Tembo sich als wirkungsvoller Massenmörder bewiesen und fast sämtliche Feinde zerquetscht hat, darf er weiterreisen.

Fast wie auf dem Amiga?

Im Vergnügungspark erinnern die grinsenden Riesenclowns und die alberne Zirkusmusik erstaunlich stark an englische Jump&Runs wie Superfrog. Allgemein fällt es auf den ersten Blick gar nicht auf, dass das Spiel aus Japan stammt: Passend zum Thema haben die Zeichner den Comic-Kulissen überall kleine Striche verpasst, die offenbar die Oberfläche von Erdnüssen oder rauer Elefantenhaut nachahmen sollen. An anderen Details erkennt man aber immer wieder, das ein Japaner am Figurendesign saß. Dazu gehören z.B. Tembos niedliche Animationen oder das putzige Langhals-Vögelchen am Speicherpunkt. In die Kulissen ist leider deutlich weniger Liebe geflossen. Die Bergwelt z.B. sieht bei weitem nicht so idyllisch aus wie in Donkey Kong Country: Tropical Freeze, weil sich viel zu häufig die gleichen kargen Objekte wiederholen. Die pompös trötenden Orchester-Stücke passen aber bestens. Immer wieder bedienen sich die Entwickler bei Ideen der Genre-Konkurrenz: Das Galloppieren und Erdnuss-Sammeln orientiert sich an Donkey Kong, Tembos Verwandlung in eine Flipperkugel an Sonic. Obwohl man all das schon gesehen hat, greift es hier aber gut ineinander. Vor allem das Austoben mit einer großen Bowlingkugel macht Laune: Nach einem Stoß mit dem Hammer räumt sie die Soldaten auch aus den abgelegensten Ecken. Geiseln warten in versteckten Räumen ebenfalls auf ihre Befreiung – manchmal lassen sie sich nur erreichen, wenn man in kleinen Rätseln die passenden Stützpfeiler zertrümmert. Die grauen Zellen haben aber meist Pause, denn im Kern ist und bleibt Tembo ein Actionspiel.

Schon wieder Ruckler in einem 2D-Plattformer

Trotz unterstütztem Analogstick bewegt sich Tembo nur digital. Bei seinen ruckartigen Ramm-Attacken fällt das Versäumnis aber nicht so negativ auf wie in leichtfüßigen Jump&runs.
Bei der technischen Umsetzung mit Hilfe der Unity-Engine haben die Japaner aber geschlampt. Eigentlich sollten die eher schlichten Comic-Kulissen die Hardware von PS4 und Xbox One nicht ins Schwitzen bringen – trotzdem kommt es vor allem auf Sonys Konsole immer wieder zu kleinen Rucklern. Auf der Xbox One tritt das Problem etwas seltener auf und am flüssigsten lief es bei uns auf dem PC. Komplett ruckelfrei blieb der Hüpfausflug aber auch dort nicht – selbst, wenn wir Details und Effekte reduzierten. Wurde etwa die physikalisch berechnete Zerstörung nicht sauber eingebunden? Mehrspieler-Modi gibt es übrigens nicht, weltweite Bestenlisten dagegen schon. Letztere lassen sich aber leider nicht nach Freunden sortieren.

Fazit

Tembo hebt sich mit seiner wuchtigen Handhabung angenehm von der Flut moderner 2D-Plattformer ab. Beim vergnüglichen Hüpfen und Demolieren entfaltet sich ein angenehm knackiger Spielfluss, der es mit dem Schwierigkeitsgrad aber nicht übertreibt. In punkto Abwechslung kann es das Abenteuer nicht mit Ideen-Feuerwerken wie Rayman: Legends aufnehmen. Im Rahmen seines überschaubaren Umfangs wurden die Fähigkeiten aber schön eingebunden. Ein paar Schönheitsfehler gibt es auch, z.B. kleine Ruckler, den gewöhnungsbedürftigen Schwebe-Sprung oder etwas zu viel Fleißarbeit beim Freischalten der Levels. Alles in allem habe ich die knuffig designte Zerstörungsorgie aber genossen.

Pro

angenehm wuchtiges Spielgefühl
coole Zerstörungs-Kombos
motivierend knifflige Sprung- und Kampfpassagen
schnelle Wechsel zwischen Attacken erfordern hellwache Reaktionen
Rambo-Dickhäuter sehr knuffig animiert
gelungener Mix aus westlich inspiriertem Comic-Design und fernöstlichem Knuddel-Charme
passend dramatische, teils alberne Blasmusik

Kontra

häufig leichtes Ruckeln (vor allem auf PS4)
weltweite Bestenlisten nicht nach Freunden sortierbar
inkonsequent umgesetzter Doppelsprung verwirrt zu Beginn
minimalistische Comic-Geschichte bleibt völlig belanglos
etwas zu viel Fleißarbeit beim Freischalten der Levels nötig

Wertung

PC

Die wuchtige Handhabung verleiht dem Zerstörungs-Plattformer eine angenehm eigene Note - trotz kleiner Schönheitsfehler bei Technik und Spieldesign.

XboxOne

Die wuchtige Handhabung verleiht dem Zerstörungs-Plattformer eine angenehm eigene Note - trotz kleiner Schönheitsfehler bei Technik und Spieldesign.

PlayStation4

Die PS4-Version leidet etwas mehr unter Rucklern als die übrigen Fassungen des wuchtigen Zerstörungs-Plattformers.

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