Test: The Fall - Last Days of Gaia (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Publisher: Deep Silver
Release:
19.11.2004
Spielinfo Bilder  
Veraltete Mad Max-Atmosphäre

Ein Rollenspiel muss in erster Linie mit inneren Werten überzeugen, und das tut The Fall an einigen Stellen, aber das Auge wird im Zeitalter von Shaderpomp und Spiegelglanz einfach nicht verwöhnt, teilweise sogar verärgert: Da tauchen plötzliche dieselben Porträts im Inventar auf, das Mouseover funktioniert nicht einwandfrei, da verschwinden Figuren halb in der Landschaft, da zeigt die Kamera das Innere von Hügeln, da schlagen Axtsöldner zu wie in Trance. Selbst Neverwinter Nights zeigte bessere Kampf-Animationen.

Grafisch kann The Fall nur in drei Bereichen punkten, aber die retten tatsächlich die Stimmung: Architektur, Farbgebung sowie Tag- und Nachtwechsel. Die Entwickler haben den amerikanischen
Überall sorgen Wracks und verfallene Gebäude für Endzeit-Stimmung.
Südwesten samt seines rotsandigen Mad Max-Flairs sehr gut eingefangen. Die Vorort-Recherche zahlt sich aus: Überall sorgen windschiefe Bretterbuden, verwitterte Wassertanks und herrenlose Autowracks für eine glaubwürdige Endzeit-Kulisse. Auch die schroffe Landschaft kann mit ihren weitläufigen Plateaus, dem mageren Bewuchs und den tiefen Schluchten überzeugen. Vor allem, wenn Bisons grasen oder die rotglühende Sonne am Horizont versinkt.

Gute Story, schwache Dramaturgie

Leider plätschert die Story rund um den engagierten Rache-Engel zunächst so vor sich hin, während man fleißig seine Charaktere aufsteigen und sein Inventar anwachsen lässt. Hier eine Schießerei, da ein witziges Gespräch, oder eine bizarre Persönlichkeit. The Fall motiviert in den ersten Stunden nur deshalb, weil es so viel zu erforschen gibt bzw. zu plündern gibt. Bis zur Sichtung des Grabes gleich am Anfang wird man noch sehr schön auf das Abenteuer eingestimmt - danach geht es erstmal um Questroutine.

Und warum bleibt der Protagonist charakterlich so blass? Weil die Aktionen nicht in ein lebendiges Feedback-System integriert sind. In Star Wars: Knights of the Old Republic (KotOR) konntet ihr je nach Spielweise zwischen Gut und Böse, in Arcanum zwischen Technik und Magie, in The Elder Scrolls 3: Morrowind zwischen Gilden und in Gothic zwischen Lagern wählen. Hier gibt es jedoch keine moralischen oder politischen Fraktionen. Außerdem reagiert die KI der zahlreichen Dorfbewohner und Einsiedler weder auf eure Diebstähle noch auf eure Morde. Und weil selbst die eigenen Gruppenmitglieder nicht reagieren, kann man beliebig klauen und töten - ohne Konsequenzen. Warum muss das im Rollenspieljahr 2004 noch sein?

Abseits vom durchaus interessanten Entdeckeralltag fehlt zudem die erzählerische Dramaturgie. Erst, als man hinter einer Bruchbude eine 2,40 Meter große Leiche mit schlohweißem Haar und grauer Haut findet, schließt sich wieder der Kreis zum Intro. Jetzt wird die Neugier geweckt, denn auch die Mutter
Fleißiges Suchen lohnt sich: In Kisten, Tonnen und Zelten gibt`s oftmals Waffen und Ausrüstung.
des Kindes hatte weißes Haar und einen grauen Teint. Aber wieso braucht die Story fast ein halbes Dutzend Stunden, um endlich etwas wie Spannung auf- und etwas Rätselhaftes einzubauen? Und wieso wird diese Szene so belanglos dargestellt: es sei eben ein Mutant, der nachts herumschleicht. Warum gibt es hier keine Zwischensequenz?

Trotz all dieser offenen Wünsche hält einen die Erzählung ab dieser Entdeckung bei der Stange. Man fragt sich, mit wem der Präsident der Neuen Regierung in seinem Lager diskutiert. Man fragt sich, was es mit der Droge Z auf sich hat. Man fragt sich, wer eigentlich die Strippen im Hintergrund zieht. Und tatsächlich: Es gibt einige Überraschungen, die der Story die nötige Würze verpassen. Aber die hätte auch der Party-Interaktion gut getan.
        

Kommentare

johndoe-freename-89195 schrieb am
Kann denn jemand mal sagen, der die finale Version gespielt hat, ob das Spiel nun wirklich gut ist oder nicht? 10 EUR für ein gutes Rollenspiel würde ich sofort ausgeben. Bzw. schreibt mal eure Kritik, nur bitte nicht von schon längst überholten Bugs.
Doc Angelo schrieb am
Naja, man muss das Setting schon mögen, bevor einem dieses Spiel gefällt. Einige Kritikpunkte sind jedoch in der "Reloaded"-Version nicht mehr gerechtfertigt. Beispielsweise wurde die Sprachqualität erhöht, dadurch klingt es jetzt nicht mehr "blechern".
Mir selbst macht es sehr viel Spaß, da ich auf solche Szenarien stehe. Für 10? finde ich das äußerst OK. :)
MrMetapher schrieb am
Der Test hier ist der einzig vernünftige, den ich in der deutsche Presse bisher gelesen habe. Ich mag Silver Style durchaus, "Soldiers of Anarchy" war zwar technisch etwas unausgereift und in Sachen Figuren und Story trashig, aber dennoch eine gute Neuauflage von I-Magics Shadow Company. The Fall hat mich aber masslos enttäuscht. Was hätte man aus diesem Szenario alles machen können. Fallout hat vor Jahren um drei Klassen besser gezeigt, wie es geht...
Gruß von
MrM
johndoe-freename-83443 schrieb am
die extended version kann man auch kostenlos herunterladen, der patch ist über 1 GB gross, auf den offiziellen Foren finden sich meistens aber auch nette Leute die den patch auf Cd brennen und zuschicken im schlimmsten Fall.
es gibt auch den kleinen patch mit nur 270mb aber dann ohne neue sprachausgabe, und die neue sprachausgabe ist aber klasse deswegen finger weg vom kleinen patch!
schrieb am