Spiel mit Visionen
Paxton Fettel ist euer erklärter Erzfeind.
Ein Tag wie jeder andere? Nicht wirklich: Als Frischling in der F.E.A.R.-Spezialeinheit werdet ihr mit der Aufgebe betraut, Paxton Fettel dingfest zu machen. Das ist der Kerl, der im Intro offensichtlich den Verstand verliert, seinen Geschmack an Menschenfleisch entdeckt und irgendetwas mit einem kleinen Mädchen zu tun hat, das lange schwarze Haare über einem roten Kleid trägt - und offenbar über gewaltige Psycho-Kräfte verfügt. Einen Verdächtigen schnappen? Kein Problem. Jedenfalls denkt ihr das noch im ersten von 22 Levels. Und zu Beginn wirkt ja alles so vertraut, so melancholisch.
Ist F.E.A.R. ein Shooter? Aber ja, acht Waffen sowie diverse Nahkampfangriffe sprechen eine deutliche Sprache. Ihr könnt zwei Pistolen, diverse MGs, ein Scharfschützengewehr, eine Shotgun, Raketenwerfer oder eine durchschlagende Partikelwumme sprechen lassen, die vom bedauernswerten Gegner nur das qualmende Skelett übrig lässt. Außerdem machen sich Gewehrkolben im gegnerischen Nacken sehr gut, darüber hinaus verfügt ihr über flinke Füße, die ihr fachgerecht in des Feindes Gesicht platzieren könnt. So weit, so Shooter. Aber das neueste Werk von Monolith geht weit über diese doomschen Grenzen hinaus und wirft euch in eine mit Filmen wie »The Ring« oder »Yu-On« vergleichbare Albtraumwelt, in der nichts, weder gesunder Menschenverstand noch Vernunft oder am Ende gar die Gesetze der Physik eine Bedeutung haben. Ihr werdet Visionen sehen, in denen menschliche Körper wie Seifenblasen zerplatzen, einfach nur Kraft des Verstandes. Ihr werdet für einen blitzartig verstreichenden Moment mit Horror-Fratzen konfrontiert, ihr hört Stimmen, die Dinge wie »They deserved to die. They all deserved to die.« sagen. Ihr werdet Gestalten sehen, die ganze Gänge auf einmal in ein Flammenmeer verwandeln oder sich vor euren Augen in eine Rauchwolke auflösen. Schatten,
In euren Visionen bekommt ihr sehr oft das kleine Mädchen Alma zu sehen - doch was hat es mit ihr auf sich?
die im Augenwinkel vorbeihuschen. Euer HUD wird
unerklärlich flackern, das Bild wird auf einmal völlig unscharf, Lichter gehen aus, Türen öffnen und schließen sich von selbst. Wie kein anderes Game spielt F.E.A.R. mit der Angst des Nichtwissens, denn hinter jeder Ecke könnte etwas lauern! Was bei Run-n-Gun-Shootern wie
Doom 3 dann auch der Fall ist (Stichwort: der hunderste Zombie im Wandschrank), wird hier nicht passieren. Ihr denkt zwar, dass da etwas sein könnte - aber ist es auch wirklich da? Oder habt ihr euch das nur eingebildet?
Meine Erzfeinde
Mein erster Eindruck von F.E.A.R.: »Nanu, recht finster hier, was?«. Wie Doom 3 oder die zweite Hälfte von
Far Cry setzt das Spiel auf den Schrecken der Dunkelheit, der durch eine gerade mal 20 Sekunden haltende Taschenlampe (die sich schnell wieder regeneriert), flackernde Lampen und, der beeindruckenden 3D-Engine sei Dank, jeder Menge realistischer Schatten für eine beklemmende Atmosphäre sorgt. Ihr schleicht und rennt durch düstere Büros, schmutzige Fabrikgelände, brüchige Baustellen, eine heruntergekommene Innenstadt, ein schummriges Parkhaus, in dem jedes Stockwerk hart erkämpft werden muss - und ein gigantisches
Labor, in dem Unaussprechliches vor sich geht. Alle Levels sind logisch miteinander verbunden, das Gefühl einer echten, persistenten Welt ist den Entwicklern, ähnlich wie bei Half-Life 2, verdammt gut gelungen. Dankbarerweise sind sie nicht der Versuchung erlegen, das Doom 3-Prinzip »Licht aus, Gegner raus, Gegner tot, Licht an« aufzutischen. Stattdessen bekommt ihr es hier mit wenigen, dafür umso clevereren Feinden zu tun.
Die Gegner glänzen mit beeindruckender KI.
Die hiesigen Gegner stürmen nicht einfach auf den Spieler zu. Im Gegenteil: Sie wechseln ständig ihre Position. Zieht man sich kurz zum Nachladen zurück, sind sie danach garantiert nicht mehr am selben Platz. Sie verstecken sich und warten auf Aktionen des Spielers, sie stimmen sich gegenseitig ab, gehen möglichst gemeinsam vor. In Notsituationen feuern sie blind aus der Deckung heraus und selbst noch im Todeskampf verteilen sie wütendes Blei. Sehen sie sich hoffnungslos unterlegen, nehmen sie schon mal die Beine in die Hand, schreien nach Verstärkung oder gehen wimmernd in die Knie. In der Gruppe hingegen reagieren sie auf die Taschenlampe des Spielers, auf seine Schrittgeräusche, auf geworfene Granaten und abgefeuerte Schüsse. Sie gehen niemals gleich vor, wenn man ein Savegame erneut lädt, sie nutzen die Umgebung zu ihrem Vorteil, werfen schon mal Tische oder
Regale für Deckung um und springen über Geländer um abzukürzen - und so etwas ist nur selten geskriptet. Die Gegner liefern die beeindruckendste KI-Leistung seit Far Cry, und wenn ihr damit so eure Probleme habt, könnt ihr jederzeit den Schwierigkeitsgrad in vier Stufen eurem Geschick anpassen.