American Conquest: Divided Nation03.03.2006, Bodo Naser
American Conquest: Divided Nation

Im Test:

Wie wäre es mit einem Spiel über den Amerikanischen Bürgerkrieg, das den Zinnfiguren-Look von Cossacks: Napoleonic Wars imitiert? In American Conquest: Divided Nation (ab 69,95€ bei kaufen) von Revolution of Strategy könnt ihr die wichtigsten Schlachten von Lee, Jackson und Grant nachspielen. Warum das bei CDV erschiene Echtzeit-Taktikspiel dennoch keinen großen Spaß macht, erfahrt ihr im Test.

Menschliche Mauer

Dieses Mal bin ich in den grauen Uniformrock von Thomas J. Jackson geschlüpft, einem markigen General der Südsaatenarmee, der am 21. Juli 1861 den Spitznamen "Stonewall" erhielt. In der ersten Schlacht bei Bull Run verhinderte sein sprichwörtliches Stehvermögen, dass die Konföderierten ihre

Graue Pixelmännchen ziehen gegen blaue Pixelmännchen, das ist American Conquest.
erste Niederlage kassierten. Weil Jacksons Männer wie eine Steinmauer ausharrten, konnte der vorschnelle Angriff der Nordsaaten letztlich in einen Sieg des Südens verwandelt werden. Nur eine von 55 historischen Schlachten, die lieblos aneinander gereiht wurden, ohne genau auf die Feldzüge einzugehen.

Die Kampagne mit "Stonewall" Jackson bildet eine von neun, zu denen auch Robert E. Lee , Ulysses S. Grant und der Unabhängigkeitskrieg um Texas 1835/36 gehören. Als berühmte Schlachten könnt ihr Bull Run, Petersburg, Chancellorsville, Gettysburg und Alamo nachspielen - sogar eine einzelne Schlacht um New Orleans aus dem Jahr 1815 kommt vor. Spielbare Konfliktparteien im Skirmish-Modus sind neben Nord- und Südstaaten auch Mexiko und Texas, die sich nicht sonderlich anders spielen. Leider verfügt das Strategiespiel über kein einführendes Tutorial, so dass ihr auf die Lektüre des Handbuchs angewiesen seid, das keine große Hilfe ist.

Verzögerungstaktik

Mir ist zu Ohren gekommen, dass unserer linke Flanke nicht mehr länger gegen die Masse der Unionisten standhält. Bei Gott, dort scheint alles in Auflösung begriffen. Wenn das in einer heillosen Flucht endet, läuft uns die ganze Armee davon. Ich muss meinen Männern demonstrieren, dass alles in bester Ordnung ist. Sie sollen geordnet Aufstellung nehmen und ganz in Ruhe die Feinde erwarten, von denen einige einst gute Freunde waren. Dann, wenn die Yankees es am wenigsten erwarten, werden wir zum Gegenangriff blasen und sie zurück in den Schoß ihrer Mutter jagen.

Aber wo bleiben meine Soldaten, die eigentlich nur ein zerlauster Haufen sind? Viele der Naturburschen haben ihre Musketen von zu Hause mitgebracht und einige tragen noch nicht einmal Schuhe. Trotzdem sind sie die besten Kämpfer, die ich kenne und viele würden für mich in den Tod gehen. Bislang ist nur ein Trupp Pioniere aufgetaucht, die ich sogleich ein Lazarett errichten lassen. Heute wird es viele arme Teufel geben, die von den Sanitätern versorgt werden müssen. Damit sie nicht an Entkräftung leiden, zimmere ich noch eine Feldküche. Außerdem lasse ich noch das Hauptquartier aufschlagen, das nicht mehr als ein großes Zelt und doch auch eine Fabrik für Offiziere ist.

Eine Frage der Moral

Als ich endlich die Gesänge meiner Männer höre, drücke ich die Pausentaste, um sie in Ruhe aufzustellen. Die Kompanien besitzen unterschiedliche Werte für Feuergefecht und Nahkampf. Ich kann ihnen befehlen, ob sie angreifen, schießen oder die Stellung halten sollen. Jede verfügt über drei Formationen:

Manchmal kämpft auch Blau gegen Grau, was irgendwie alles dasselbe ist.
 Reih und Glied, lockeres Gefecht und Marschformation. Auch die Kavallerie besitzt Formationen, es spielt aber kaum eine Rolle, welche Formation ich ihnen befehle. Anders als bei Civil War Generals schadet es nämlich kaum, wenn die Infanterie auf dem Anmarsch unter Feuer gerät oder in Linie weit marschieren soll.

Am wichtigsten ist hingegen die Moral einer Einheit, die von ganz unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird. Stelle ich mein Hauptquartier nahe an den Männern auf, fühlen sie sich gleich besser. Der Beschuss von der Seite oder gar von hinten kann sich hingegen verheerend auf die Moral auswirken, wie ich beim Gemetzel in der Wilderness demonstrierte. Bei Chancellorsville griffen wir die US-Truppen von Westen an, wo sie uns niemals vermutet hätten. Die Unglücklichen schlugen gerade ihr Nachtlager auf, als wir mit Gebrüll und gezücktem Bajonett ankamen. Jeder getötete Feind verringert die Neigung einer Einheit zur Panik. Haben sie aber nicht genug zu essen, dann sterben sie wie die Fliegen. Sonst bin ich aber keine große Hilfe auf dem Schlachtfeld, da ich die Männer nicht mit meiner Anwesenheit aufstacheln kann. Schade.

           

Mangelnde Abwechslung

Schnell schleicht sich Langweile ein, da eigentlich immer dasselbe zu tun ist. Zunächst schaue ich, wo der Feind sich aufhält, was einzig der Fog of War verhüllt. Dann befehle ich der Infanterie vorzurücken, die Kanonen nehmen dahinter Stellung,

Oft geht es auch bunt durcheinander, so dass niemand mehr weiß, wer nun wer ist.
 da das besser für ihre Moral ist. Die Kavallerie stößt vor, um die Position des Gegners herauszufinden. Das liegt auch daran, dass das Gelände überhaupt keine Rolle spielt. Anders als im echten Krieg ist es letztlich egal, ob eure Männer im Grasland, im Fluss oder im Dickicht Stellung nehmen.

Das alles trägt nicht gerade dazu bei, mich länger zu begeistern. Anders als bei Civil War Generals nehme ich die Truppen auch nicht mit in die nächste Schlacht und darf sie nicht mit neuen Waffen und Kanonen ausrüsten. So sehe ich auch nicht, wie sie Schlacht für Schlacht zu gestandenen Kämpfern werden. Für einen Südstaaten-General undenkbar ist, dass mir die Männer letztlich total egal sind. Da es genug davon gibt, verheize ich sie in sinnlosen Frontalattacken, wie einst Santa Anna seine Soldaten vor Fort Alamo. Reihe um Reihe marschiert ins Verderben.

Multiplayer

Zu mehreren ist das Spiel fast noch trostloser, da es sich hier wie ein 08/15-Echtzeit-Strategiespiel spielt. Ihr baut Häuser, produziert Soldaten und schickt sie in den Kampf - das war's. Beim Multiplayer fällt zudem auf, wie unkomfortabel die Bedienung wirklich ist. Das umständliche Zusammenstellen der produzierten Soldaten zu Einheiten samt Offizier und Fahne ist so lästig wie bei Cossacks: Napoleonic Wars.

Bugs und Schutzmechanismus

Wieder ein Spiel von CDV, bei dem der verhasste Starforce-Kopierschutz jedes zweite Mal dafür sorgt, dass es nicht richtig startet. Vielleicht sieht die Firma endlich ein, dass es in erster Linie die Leute trifft, die für das Spiel bezahlt haben. Nach dem Laden kommt es regelmäßig zu einer Hungersnot, da die Nahrungsvorräte dahin sind. Außerdem kommen die Truppen nur noch

Fieser Modellbau-Look: Das Ganze spielt sich mehr als öde und sieht auch so aus.
unkoordiniert an, so dass sie nicht mehr voll einsatzfähig sind. Noch im Hauptmenü versucht das Spiel schon einen Autosave durchzuführen, was zum Absturz führt.

Steinzeit-Optik

Die Darstellung ist alles andere als übersichtlich, obwohl es eine Miniansicht der teils riesigen Karten gibt. Von moderner 3D-Grafik im Stil von Rome oder Schlacht um Mittelerde keine Spur, hier reagieren noch die gesichtslosen Pixelmännchen, die sich noch nicht einmal zoomen lassen. Wer denkt, dass es doch nicht so schwer sein kann, blau von grau zu unterscheiden, der irrt. Leider geht das bunt durcheinander, auch weil die Konföderierten teils blaue Röcke tragen. Das kann beileibe nicht daran liegen, dass es am Anfang des Sezessionskrieges uniformmäßig etwas durcheinander ging. Ansonsten gehen die Uniformen durchaus in Ordnung - die Einheiten tragen unterschiedliche Kopfbedeckungen und die Mexikaner sind schön bunt. Außer dem Intro gibt es keine filmischen Zwischensequenzen.

   

Fazit

Als Stonewall Jackson am 10. Mai 1863 starb, nachdem er eine Woche zuvor von eigenen Truppen angeschossen worden war, hat er sicher nicht im Entferntesten daran gedacht, dass gut 140 Jahre später jemand seine Schlachten an einer seltsamen Elektrokiste nachspielt. Keine Ahnung, was der alte Haudegen davon halten würde. Er wäre aber wohl möglichst um Authentizität bemüht, die American Conquest: Divided Nation fast gänzlich fehlt. Gelände, Formationen und Bewaffnung spielen keine Rolle, stattdessen gibt es ödes Einheits-Echtzeit-Strategiespiel, wie es niemand haben will. Wieso kann ich die liebgewonnene Stonewall-Brigade nicht mit ins nächste Gemetzel nehmen? Im Prinzip umfasst Sierras in die Jahre gekommenes Civil War Generals schon alles, worauf es ankommt: Historische Genauigkeit, einfache Steuerung, spannende Schlachten und die Möglichkeit, die Geschichte zu verändern. American Conquest erfüllt nichts davon, so dass wir weiter auf ein zeitgemäßes Strategiespiel der Epoche warten müssen.

Pro

unverbrauchtes Szenario
in der Pause befehlen
Moral entscheidend
alle wichtigen Schlachten des Bürgerkriegs
Karten-Editor

Kontra

Schlachten ähneln sich
schmucklos aneinander gereiht
Gelände spielt keine Rolle
Formation spielt kaum eine Rolle
Truppen nicht in nächste Schlacht mitnehmen
unkomfortable Bedienung
Tutorial fehlt
Bugs und Kopierschutz nerven
blau und grau gemischt
altbackene 2D-Grafik
öder Multiplayer

Wertung

PC

Lee, Jackson und Grant rotieren sicher in ihren Gräbern

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.