In 80 Tagen um die Welt03.11.2005, Bodo Naser
In 80 Tagen um die Welt

Im Test:

Na, eine virtuelle Weltreise gefällig? An exotische 3D-Locations wie Ägypten, Indien oder Japan? Inklusive netter Reisebegleitung, rätselhaften Begebenheiten und mehr oder minder aufregenden Abenteuern? Das Ganze natürlich auf Kosten eines steinreichen Onkels, der Kost und Logis für die Tour In 80 Tagen um die Welt (ab 29,95€ bei kaufen) übernimmt. Das wäre doch was, oder etwa nicht? Wir sind mitgefahren und haben einen Reisebericht verfasst.

Reisestress statt

Exotische Orte warten auf ihre Entdeckung in Lara Croft-Perspektive, die aber rasch zur Routine wird.  
Genau genommen müsst ihr aber schon etwas tun auf eurem Trip quer durch Kairo, Bombay, Yokohama und San Franzisko. Denn ihr müsst die verstreuten Patentschriften der Erfindungen eures Onkels einsammeln, die irgendwo im Gewirr der Straßen versteckt sind. Ganz nebenbei müsst ihr auch noch die Zeit einhalten, zumindest wenn ihr euch nicht für die leichteste der drei Schwierigkeitsstufen entscheidet. Denn es geht auch darum, die von Phileas Fogg vorgegebene Zeit von 80 Tagen einzuhalten oder gar zu unterbieten. Gar nicht einfach zu einer Zeit, als es noch keine Flugzeuge gab. Doch Entwickler Frogwares nimmt es damit nicht so genau, denn ihr könnt immerhin mit dem fliegenden Teppich durch die Gassen düsen. Daneben stehen euch auch noch andere abgefahrene Vehikel zur Verkürzung der teils langen Laufstrecken zur Verfügung.

Kaum spannend

Ihr steuert nicht etwa den guten alten Fogg, sondern den jugendlich-dynamischen Oliver Lavisheart, der durch die Weltreise der von seiner Familie arrangierten Heirat entgehen möchte. Im Laufe des Abenteuers erfahrt ihr noch ein wenig mehr über den weltoffenen Protagonisten, dessen Geschichte in üppigen Filmpassagen weitererzählt wird, ohne dass diese aber sonderlich mitreißend wäre. Mit Jules Vernes Roman hat das freilich wenig gemein. Wenig prickelnd sind auch seine teils ellenlangen Gespräche mit den 3D-Akteuren, die außerdem stets automatisch ablaufen, denn Multiple-Choice ist nicht! Deutlich weniger zu sagen haben allerdings die Passanten, die leidlich witzige Standartsätze nach dem Motto "Ich bin Politiker, ich weiß von nichts" von sich geben. Auch sonst ist nicht immer jeder Witz zum Lachen. Trotz vieler Bewohner, Gebäudedetails und sogar Müll auf der Straße wirken die Städte insgesamt eher steril.

Steuerungselend

In den verwinkelten Gassen der Städte besteht immer die Gefahr, dass euer Held irgendwo hängen bleibt. 
Die ungeschickte Steuerung in Schulterperspektive ist jedoch einer der Hauptkritikpunkte, da sie nicht akkurat funktioniert. Von der guten Steuerung eines Actionspiels ist sie leider meilenweit entfernt. Beim Laufen und Fahren der Vehikel bleibt ihr aufgrund der schlechten Kollisionsabfrage öfters hängen, was nicht sein müsste. Ein Problem, das man schon aus Frogwares letztem Abenteuer Sherlock Holmes kennt, wo es mangels Action allerdings weniger ins Gewicht fiel. Ansonsten reagiert die Steuerung verzögert, was euch in den Actionpassagen zur Verzweifelung treibt, wo ihr hüpfen, klettern und springen sollt. Exakt über einige Stufen nach oben auf eine Mauer zu gelangen, ist ein Fall für sich. Ebenfalls nervtötend sind die Schleichpassagen, bei denen euch die Wächter schon über lange Distanz entdecken. Nur nicht zu nahe kommen, denn sonst ist euer Geld futsch! So seid ihr stets froh, wenn wieder eine der Actionszenen vorbei ist.

Keine echten Rätsel

Wer sich nun fragt, wo in all dem Zeit für Rätsel bleibt, hat wieder einen Haken gefunden. Bei In 80 Tagen gibt es keine eigentlichen Kombinationsrätsel, vielmehr erhaltet ihr verschiedene Aufgaben, die meist in der Besorgung eines Gegenstandes bestehen. Alles Wichtige steckt ihr ins zuschaltbare Inventar. So müsst ihr z.B. in Kairo vier schottische Passanten finden, die ebenfalls dem erlauchten Club der Kiltträger angehören, dem Oliver flugs beigetreten ist, ohne das ihr dabei wirklich eine Wahl gehabt hättet. Die wiederum verraten euch den Weg zu einem Händler, der wieder weiter weiß. Und so weiter und so weiter... Wo die jeweilige Person zu finden ist, wird euch stets auf dem praktischen Miniplan der Stadt angezeigt. Ebenso praktischerweise wie euer Standort und die Position eures Hotels. Ihr müsst so nur noch dem Pfeil folgen, der euch sicher ans Ziel bringt, was kaum eine Herausforderung darstellt und daher rasch eintönig wird

             

Wettlauf gegen die Zeit

Sinkt euer Energiebalken, müsst ihr euch nachts aufs Ohr legen. Ein Hotel bietet dafür am meisten Erholung.
Stattdessen befindet ihr euch auf einem permanenten Wettlauf gegen die Uhr, denn die Tage rinnen euch unter den Fingern weg. So wird es oft schneller Abend, als ihr ein Quartier für die Nacht finden könnt. Oben im Menü könnt ihr stets sehen, wie viele Tage schon vorüber sind und ob ihr noch im Zeitlimit seid. Außerdem ist In 80 Tagen um die Welt wohl das erste Adventure, bei dem ihr etwas essen müsst. Der Energiebalken fällt nämlich im Laufe des Tages immer mehr, was sich durch das Zuführen von gekaufter Nahrung kurzzeitig aufhalten lässt. Mitnehmen dürft ihr aber nichts. Wer zu müde wird, schläft allerdings quasi im Stehen ein. Komfortabler aber auch teurer ist da eine Nacht im Nobelhotel, was sich dadurch bemerkbar macht, dass ihr dann mehr Power für den Tag besitzt. Zum Glück schickt euch euer Onkel regelmäßig Geld für die kostspielige Reise.

Bunte Grafik

Die 3D-Grafik ist durchaus ansehnlich, was in stilechten Gebäuden, prächtiger Einrichtung und netten Details seinen Ausdruck findet. So finden sich sogar lesbare Plakate an den Hauswänden. Diese Liebe zum Detail setzt sich in den farbenreichen Gewändern der Bevölkerung fort, die den jeweiligen Landessitten und der Epoche angepasst sind. Trotz aller Einzelheiten wirkt die Umgebung irgendwie steril, was daran liegen mag, dass kein echtes Treiben herrscht, wie ihr das von einer exotischen Metropole erwartet. Viele Dinge wie Kisten, Möbel oder Gefäße sind auch einfach nur Staffage, ohne dass sie eine Rolle spielen. Leider können die 3D-Charaktere ebenfalls nicht ganz mithalten, die sich wie bei Sherlock Holmes nicht immer lebensecht bewegen.

Auch wenn die Gespräche nicht immer spannend sind, gibt es zumindest eine deutsche Sprachausgabe.
 Trotz neuer Engine haben sich deren Animationen kaum verändert, so dass der Held irgendwie schwerfällig wirkt. Immer wieder laufen Filme in Spielgrafik ab, die die Geschichte weitererzählen.

Unpassender Sound

Am Sound fällt die höchst unpassende Musik noch am ehesten auf. Bei Sherlock Holmes hatte Frogwares  noch ein Händchen  bei der Auswahl der zeitgenössischen Stücke bewiesen. Doch  dieses Mal scheint ihnen jeglicher Sinn für die Musik der ausgehenden viktorianischen Epoche abhanden gekommen. Das Adventure spielt im Jahr 1899, es sind aber durchweg hypermoderne Klänge zu hören, die auch noch unangenehm aufdringlich klingen. An einer Stelle gibt es sogar eine Bollywood-Einlage im Stil eines Musicals, über deren Gelingen man streiten kann. Die deutsche Sprachausgabe ist hingegen wieder fast eine Wohltat. Denn sie wurde gewohnt professionell aufgenommen, wie man es von dtp kennt, ohne dass besondere Stimmen herausstechen würden.

      

Fazit

Grundsätzlich ist Abwechslung stets zu begrüßen, daher werfe ich es In 80 Tagen um die Welt noch nicht mal vor, dass es weder Fisch noch Fleisch ist. Einige würden es sicher als unausgegorenen Mix aus Action und Adventure bezeichnen, was mir aber zu weit geht, denn schließlich hat Frogwares zumindest etwas Neues versucht. Allerdings muss man die Ausführung des Ganzen dann schon kritisieren. Allen voran die schwerfällige Steuerung, die euren Helden in den Actioneinlagen wie einen Betrunkenen aussehen lässt, der nicht einmal einfachste Hürden meistert. Außerdem gibt es einfach zu viele Aufgaben von der Stange, bei denen ihr lange irgendwohin latschen oder fahren müsst, um irgendetwas zu holen, was auf Dauer langweilig wird. Die Story reißt trotz sympathischer Charaktere nicht vom Hocker, da es viel zu lange dauert, bis sie Fahrt aufnimmt. Schließlich sind auch die oft langen Gespräche nicht immer spannend. Was hilft es da noch, dass In 80 Tagen viele toll umgesetzte Gebäude und Einrichtungen hat, die sogar so etwas wie Fernweh aufkeimen lassen. All die Mühe hätte sich Frogwares jedoch nicht machen brauchen, denn sie ist letztlich leider umsonst, da viele mangels Antrieb zum Weiterspielen schon vorher die Flinte ins Korn werfen werden.

Pro

Mix aus Adventure und Action
abgefahrene Transportmittel
sympathische Charaktere
einfache Orientierung
detailreiche Ausstattung
farbenfrohe Gewänder
lange Filmsequenzen
professionelle deutsche Sprachausgabe

Kontra

schlechte Steuerung
Held bleibt hängen
Aufträge rasch langweilig
viel zu latschen
Story beigeistert nicht
bisweilen nicht witzig
langweilige Dialoge
Städte wirken steril
unpassende Musik

Wertung

PC

Exotische 3D-Weltreise, die leider rasch langweilig wird.

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