Im Test:
Moskau, in den 50er Jahren
Nach dem Tode Stalins herrscht in der Sowjetunion pures Chaos. Es entbrennt ein Kampf um die neue politische Führung und inmitten rivalisierender Fraktionen schlüpft ihr in die Rolle von Lena, die ihren gekidnappten Mann sucht - der übrigens Hauptdarsteller im Vorgänger The Stalin Subway war. Unglücklicherweise steht auch die holde Dame auf irgendeiner Todesliste und bekommt alsbald Legionen von Killern auf den Hals geschickt. Dennoch macht sie sich mit Waffengewalt auf die Suche...
Trotz des unverbrauchten Szenarios solltet ihr keine spannende, interessante oder gar mitreißende Geschichte erwarten. Stattdessen gibt es nach der ersten grässlichen Zwischensequenz (englische Sprachausgabe auf Nieten-Niveau mit weißen Untertiteln am oberen Bildschirmrand, die stellenweise durch helles Licht unlesbar sind) nur noch bleihaltige Schusswechsel, und zwar furchtbare. Allein die Überleitung von der Zwischensequenz zum Ego-Shooter gehört entweder als schlechtes Paradebeispiel angeprangert, verboten oder ausgelacht: Staksig animierte Klonsoldaten hoppeln kantigen Schrittes durch eine Wohnbaracke, treten die Tür zu Lenas kargem Zimmer ein und zücken die Waffen.
Schnitt!
Spielgrafik: Die Tür ist offen, keine Gegner zu sehen. Das karge Zimmer wirkt dreißigfach hässlicher als zuvor im Video und kurzerhand stehen zwei Tölpel-Soldaten im Türrahmen, die ihre Waffen sprechen lassen. Als Antwort pumpe ich zwei Magazine in die Soldaten, bevor ich mit 22 übrig gebliebenen Gesundheitspunkten das erste Feuergefecht auf der Schwierigkeitsstufe "Mittel" überstanden habe. Sobald ich dann in Richtung Treppenhaus schiele (ohne Lehn-Funktion), stolpern zwei Gegner von oben hervor und feuern ohne Unterlass.
Schnitt! Tot! Ob ihr von den Gegnern getroffen wurdet oder nicht, erkennt ihr lediglich an der Anzeige links unten. Sonstiges Feedback wie z.B. rotes Aufleuchten des Bildschirms fehlt.
Okay, das Ganze erneut und da man jetzt weiß, wo die Gegner auftauchen, hat man schon die halbe Miete, oder? Fast! Seltsamerweise halten die Feinde erstaunlich viele Schüsse aus und treffen besser als so manch Aimbot - als wenn sie immer wüssten, wo der Spieler gerade ist. Sind sie Übermenschen, Übersoldiers oder Vodka-Killer-Troopas? Keine Ahnung, aber dafür können die Bewegungslegastheniker nichts anderes als viele Schüsse einstecken, sehr gut zielen und fleißig Feuern; oder in peinlich animierten Skriptsequenzen vom Dach fallen. Jegliches Verhalten fehlt, Deckung wird nicht gesucht, Kumpel werden nicht beschützt, Gruppendynamik stellt sich nicht ein und falls sich die Standgeschützsoldaten doch bewegen, ist es wahrscheinlich ein Bug und nicht "work as intended".
Level-Design? Mangelhaft!
Dieses qualitative Niveau spiegelt das Level- und Aufgaben-Design wider, sofern man überhaupt davon sprechen kann: Zunächst müsst ihr den Wohnblock durchqueren, in dem es vor verschlossenen Türen, 1:1-kopierten Räumen und Sackgassen nur so wimmelt wie von Feinden, die (von Geisterhand) völlig berechenbar auf der Bildfläche erscheinen. Und da erledigte Gegner innerhalb kürzester Zeit verschwinden und ein Großteil der Orte sowieso glei
ch ausschaut, sind Orientierungs- bzw. Anhaltspunkte rar gesät. Ein Kompass oder ein Pfeil in Richtung des Ausgangs gibt es nicht und glaubt mir, wenn man mehrere Minuten durch ein marodes, dreckiges und hässlich aussehendes Gebäude wetzt, wird man depressiv oder folgt dem Charakter aus Flipside. Ein ähnliches Bild bieten die anderen Levels und selbst die Fahrzeug-Mission ist eine Qual: Als Standgeschütz mit eingeschränkter Drehmöglichkeit dümpelt ihr mit Minimalgeschwindigkeit durch sterile, platte, sich wiederholende Texturbreiwelten und erledigt andere Soldaten, die seltsamerweise keine Beschränkung des Sicht/Bewegungsfeldes haben. Explosion oder Grafikfehler?
Abseits von Schalterrätseln wird generell nichts gefordert und während ihr im Vorgänger durch stinklangweilige U-Bahn-Gänge gelaufen seid, wetzt ihr diesmal durch ähnlich schlauchartige Levels, nur in Form von Häusern, öden anderen Bauwerken oder gar unter "freiem Himmel". Kurzum: Ziel ist es das Levelende zu erreichen und alle dazwischen stehenden Soldaten umzuholzen, was insgesamt und mit allerlei einberechneten Todesfällen maximal drei bis vier Stunden dauert. Absolutes "Highlight" bleibt dabei die Eskort-Mission: Ihr müsst euren verletzten Ehemann beschützen, der in einem Schneckentempo durch das Level schleicht, das einem gleich der Geduldsfaden reißt und natürlich wimmelt es von Gegnern. Warum also schnell laufen?
Spielspaß ist was anderes, vor allem wenn der Mann irgendwo hinter euch herschlürft und Soldaten der Marke "Nix im Hirn aber Präzisionsschütze" das Bleigewitter eröffnen. Lächerliche Animationen runden das miserable Gesamtbild ab...
Klappentext
"Nutzen sie historisch detaillierte Waffen in aufregenden Feuergefechten - inklusive dem berühmten Molotov-Cocktail" heißt es auf der Verpackung, wobei verschwiegen wird, dass die Waffen alles andere als detailliert modelliert sind und in den Händen des Spielers auffällig stärker ihre Munition im Raum verstreuen als in den Händen des Gegners. Weiter im Text: "Überarbeitete Grafik mit aufwendigen HDR-, Licht- und Schatteneffekten" werden versprochen, von denen ich bisher nichts gesehen habe, außer einem Grafikfehler, der wohl eine Explosion darstellen sollte. Von der versprochenen "Physik" merkt man nicht viel, außer wenn die erledigen Soldaten zu Boden klappen und im Multiplayer-Deathmatch für bis zu 16 Spieler ist weniger los als auf dem menschlichleeren virtuellen Roten Platz.
Fazit
In Zeiten von Crysis und Call of Duty: Modern Warfare wirkt The Stalin Subway: Red Veil wie ein Relikt der vergessen Shooter-Steinzeit. Ende der 90er-Jahre hätte man sich über dieses Machwerk vielleicht noch gefreut, aber selbst Half-Life 1 stellt Red Veil in nahezu allen Design-Grundlagen locker in den Schatten. Selbst der grafische Unterschied ist nicht so groß, wie man erwarten müsste. Im Moskauer Untergrund stimmt einfach gar nichts: Der Schwierigkeitsgrad ist zu hoch, die Gegner sind strunzdoofe Bewegungsmuffel, schießen jedoch superpräzise und tauchen aus dem Nichts auf, während ihr euch durch stinklangweilige Tunnellevels mit der Extraportion Recycling bewegt sowie mit einem Interface konfrontiert werdet, das jegliches Feedback (z.B bei Treffern) vermissen lässt. Hinzu kommen furchtbar umgesetzte Eskort- oder Fahrmissionen, die für Auflockerung sorgen sollten, aber so dermaßen schlecht realisiert sind, dass sie die Qual des Spielens verstärken. Dieses Geballer tut richtig weh...
Pro
Kontra
Wertung
PC
Spielerisch und technisch völlig veralteter Shooter!
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