Zweigleisiges Abenteuer
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Der Trailer vermittelt einen ersten Eindruck der düsteren Fantasywelt - stilistisch hält man sich an die TV-Serie, inhaltlich an die Geschehnisse des ersten Buches.
So eine starke Lizenz und so wenig Freiheit? Ich kann mir keinen Abenteurer aussuchen, weder das Aussehen noch die Ausrichtung festlegen? Schade! Auf Nachfrage erklärten Sylvain Sechi (Lead Game Designer) und Thomas Veauclin (Art Director), dass sie sich mit diesem Projekt nicht übernehmen wollten. Das kommende Rollenspiel wird also weder eine offene Welt noch eine klassische Charaktererschaffung à la
The Elder Scrolls V: Skyrim anbieten: Stattdessen erlebt man eine lineare Story aus zwei Perspektiven.
Sehr interessant für alle Kenner der Bücher ist, dass sich Cyanide zwar an die machtpolitischen Rahmenbedingungen der Romane hält, aber nicht einfach die bekannten Geschehnisse nacherzählt. Das Abenteuer findet parallel zu den Ereignissen des ersten Buches (von denen die TV-Serie im Detail abweicht) statt und soll weitere Facetten der intriganten Ereignisse vermitteln - eine gute Entscheidung. Man spielt dabei die vorgegebenen Helden kapitelweise nacheinander, bis man irgendwann beide zusammen steuert. Das kann auch eine sehr interessante Art sein, eine Geschichte zu erzählen, wenn sich die beiden roten Fäden langsam annähern – zumal George R.R. Martin, der Schöpfer der Romanwelt, an deren Konzept und Verfeinerung beteiligt ist. Die Entwickler spielen die aktuellen Versionen mit ihm, passen Textzeilen und Details an.
Auch
The Witcher profitierte von der markant ausgearbeiteten Welt der literarischen Vorlage Sapkowskis und überzeugte mit einem weitgehend fertigen Helden in begrenzter Landschaft – hier hat man immerhin zwei. Die beiden Protagonisten werden sich hinsichtlich ihrer Kampfstile und ihres Auftretens unterscheiden, obwohl Erstere noch recht ähnlich wirkten. Sie steigen ganz gewöhnlich über Erfahrungspunkte auf und besitzen fünf Attribute: Stärke, Agilität, Glück, Ausdauer, Intelligenz. Es wird jedoch keine sozialen oder diebischen Fähigkeiten wie Rhetorik, Schleichen oder Taschendiebstahl geben. Zu Beginn kann man lediglich einen von drei Kampfstilen wählen - z.B. eher flink mit zwei
Das Abenteuer thematisiert die machtpolitischen Intrigen rund um den "Eisernen Thron". In der deutschen Version kommen die Sprecher der TV-Serie zu Wort.
Klingen, mit Schild und Schwert oder doch wuchtig mit dem Hammer?
Mors von der Nachtwache
Das wäre die spartanisch anmutende „Klassenwahl“ für den Startcharakter: Mors Westford. Also doch ein Action-Rollenspiel zum Kloppen und Aufsteigen? Nein, der Fokus ist eher ein erzählerischer, was sich auch an der doppelten Perspektive zweier Helden zeigt. Mors ist ein rauer Ranger der Nachtwache aus armen Verhältnissen, mit Stiernacken und zig Narben im Gesicht; er wird von einem ebenso aggressiv wirkenden Hund begleitet. Schon im ersten Kapitel begegnet er Jeor Mormont (seine Figur wird wie in der TV-Serie von James Cosmo besetzt), dem bärbeißigen Lord Commander von Castle Black. Er muss während der Exekution eines Deserteurs seinen Mann stehen und hier zeigt Game of Thrones erste Stärken in der Dramaturgie: Wie reagiert man auf die Anweisungen des Alten? Man hat bereits in den ersten Dialogen die Wahl zwischen pflichtbewusstem und rebellischem Verhalten und freut sich über die guten Texte. Die Story ist zwar linear angelegt, aber auf dem Weg ins Finale wird man kleine Entscheidungen treffen können, die nicht nur den Verlauf einer Quest (man kann über Nebenaufträge mehr Verbündete oder Hinweise gewinnen), sondern auch den der Geschichte sowie die Reaktion einzelner Charaktere beeinflussen – das hat bereits neugierig gemacht, obwohl die ansehnliche Mimik nicht an
The Witcher 2 oder
Mass Effect 2 heran kommt. Trotzdem vermittelt das Artdesign sehr gut die bodenständige Fantasy der Bücher, die mehr an die mittelalterlichen Rosenkriege als an den Herrn der Ringe erinnert.
Obwohl man inhaltlich den Büchern treu bleibt, richtet man sich optisch an die TV-Serie: Hier Jeor Mormont (James Cosmo), der Lord Commander der Nachtwache.
Das spielerisch Besondere an Mors ist, dass er die übersinnliche Fähigkeit der Geistwanderung besitzt – so kann er in den Körper seines Hundes fahren und aus dessen Perspektive die Welt erkunden. Mit allen Vorteilen hinsichtlich hinterhältiger Attacken sowie starkem Geruchssinn. Das prädestiniert das Duo aus Mensch und Tier natürlich für subtilere Einsätze: Als Vierbeiner kann man in Egosicht die Fährte verschollener Bewohner aufnehmen oder sich optimal an Wachen vorbei schleichen – in diesen spielbaren Abschnitten wehte ein angenehmer Hauch von Stealth-Action, wobei die KI-Routinen und die Glaubwürdigkeit noch zu wünschen übrig ließen. Die Wachen reagierten nicht realistisch genug auf Lärm oder Sicht, denn man konnte sie in der relativen Nähe ihrer Kameraden als Hund töten, ohne dass man bemerkt wurde – mal abgesehen davon, dass der Vierbeiner mal eben schwer gepanzerte Ritter zerfetzt. Dafür stimmt das Missionsdesign optimistisch: Es wird keine typischen Quets à la „Töte zehn Ratten“ oder „Hol zehn Kräuter aus dem Wald“ geben – die Aufträge wirkten bisher alle erzählerisch inspiriert.