BallisticNG16.08.2016, Benjamin Schmädig

Vorschau: Mit altem Schwung

WipEout ist tot – es lebe WipEout! Klar: Namentlich hat das hier mit der besten aller Rennspielserien (ich erbitte mir keine Diskussionen) nichts zu tun. Spielerisch ist BallisticNG aber so nah am Original, dass das kostenlose Fan-Projekt kaum als solches erkennbar ist. Fertig entwickelt ist es ja noch nicht, eine großartige Zeitreise aber schon jetzt!

Vom Fan zum Spielemacher

Das muss man sich mal vorstellen: Da bastelt Von Snake – typisch Fan-Projekt! – jahrelang an der Technik, um irgendwann mal ein an WipEout erinnerndes Spiel namens AGR2280 zu machen, entscheidet sich vor einem Jahr lieber dazu, WipEout eins, zwei und drei neu aufzulegen, bricht dieses Vorhaben aufgrund rechtlicher Bedenken aber ab und stampft binnen eines Jahres stattdessen seinen ganz eigenen Racer aus dem Boden. Eigene Strecken, eigene Schiffe, eigene Grafik – nachdem Adam Chivers, so Von Snakes richtiger Name, ein paar weitere Fans um sich geschart hat, stellt die kleine Truppe ein Spiel auf die Beine, das tatsächlich ein neues WipEout für die graue Playstation sein könnte.

Papas Lob

BallisticNG sieht ja nicht nur so aus; es spielt sich auch so. Sprich, es verzichtet auf Drehungen um die eigene Achse zum Aktivieren eines Boosts, Schilde werden in der Boxengasse aufgeladen und das Berühren der Bande kommentiert WipEout-Vater Nick Burcombe anscheinend höchstpersönlich so: “dem collisions – brutal” . So war es ja

Sieht aus wie WipEout, klingt und spielt sich auch so - heißt aber BallisticNG.
damals in seinem ersten WipEout. Sogar die coole Cockpit-Sicht des dritten Teils ist dabei. Und das aus gutem Grund: Chivers bringt all das in seinem Spiel unter, was die erste Generation der Gleitflug-Serie groß gemacht hat. An WipEout HD auf PS3 erinnert nur der musikalische Loop im Hauptmenü. Der Rest ist eine Hommage an die Zeit von PSone und Negcon.

Für mich ist das perfekt! So sehr ich Pure, Fury und Co. liebe, so sehr fehlt mir dort die luftigere Antigravitations-Physik und der dreckige Look der ursprünglichen Trilogie sowie des “Fremdgängers” auf dem N64. Hier ist alles da: Einen explosiven Start legt man durch das richtige Aufladen der Turbinen hin, anstatt im richtigen Augenblick nur einen Knopf zu drücken. Man zapft die Schildenergie an, um schneller zu werden. Mit gutem Feingefühl lässt man das Schiff mit einem metallenen Kraten über die Bande rutschen, anstatt dran abzuprallen. Und während man nach links lenkt, versetzt man das Schiff durch Antippen der rechten Luftbremse in einen Drift, um es in entsprechenden Kurven um einen zweiten Scheitelpunkt zu schieben.

In den Kursen steckt viel Korodera, etwas Spilskinanke und ein Hauch Stanza Inter; die Streckenführung ist durchgehend hervorragend! Spätestens in doppelten Schikanen, während die Strecke erst zur der einen, dann zur anderen Seite abfällt, ist es verblüffend, wie genau BallisticNG jenen typsichen Flow einfängt, der in dieser Form am ehesten an das erste

Mit dem praktischen Fotomodus macht man solche und andere coole Aufnahmen.
WipEout erinnert!

Schneller und schneller

Die Karriere ist dabei so einfach wie nostalgisch: In steigenden Geschwinigkeitsklassen (die hohen sind geradezu unverschämt schnell) fliegt man aufeinander folgende Kurse ab, nachdem man auf dem jeweils letzten als Erster durchs Ziel rauschte. Onlineflüge und Ranglisten für Bestzeiten sollen noch hinzukommen. Schon drin ist die Zone-Variante Survival, bei der das Schiff auch ohne gedrücktes “Gaspedal” ständig schneller wird – immerhin eine Zugabe aus späteren WipEouts bzw. dem relativ ungeliebten PS2-Vertreter Fusion.

Was dem Spiel leider fehlt, das sind ein Turbo abseits des von Schildenergie gespeisten Boosts sowie das “Quake” genannte Extra: eine auflesbare Waffe, die seit WipEout 2097 die Strecke vor dem eigenen Schiff anhebt, um Konkurrenten einzubremsen. Auch erinnert das Verhalten der KI-Gegner mehr an eine Perlenkette als an das echter Fliegerasse. Im Gegenzug sind allerdings Werkzeuge enthalten, mit denen jedermann Modifikationen wie eigene Flieger oder gar Strecken erstellen darf. Vermutlich finden die Originalstrecken auf diese Weise irgendwann also doch noch ihren Weg in diese Zeitreise.

Ausblick

Natürlich sieht man BallisticNG an, dass es nicht in einem großen Studio entstanden ist! Die selbst erstellten Kulissen wecken zwar wohlige Erinnerungen, der Umgebung fehlt es aber an Bewegung; Lichtquellen flackern nicht, sondern werfen starre Farbkegel und auch die Musik – so sehr sie Stücke vor allem des ersten WipEout zitiert – knallt weder wie Tim Wright alias Cold Storage noch wie Prodigy oder andere lizenzierte Künstler. Das alles spielt aber kaum eine Rolle, weil Adam Chivers Hommage mit jedem Flug über einen Beschleunigungsstreifen, in jeder Kurve und bei jedem “Contender Eliminated” echtes WipEout atmet. Seit dem dritten und letzten Playstation-Teil habe ich dieses einmalig luftige Fluggefühl vermisst – hier kehrt es auch dank der ausgezeichneten Streckenführung erstaunlich originalgetreu zurück. Oder wie es ein Spieler auf Steam formuliert: “Wenn es wie WipEout aussieht, sich wie WipEout anfühlt und so klingt wie WipEout, dann ist es wahrscheinlich BallisticNG.” Ich genieße diese gelungene Zeitreise in vollen Zügen und bin gespannt, wie sich das Spiel im Early Access entwickelt!

Einschätzung: gut

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