Project Temporality28.05.2014, Michael Krosta

Im Test: Eine kooperative Zeitreise für Solisten

Mal wieder Lust, die Gehirnzellen ein wenig anzustrengen? Project Temporality (ab 2,81€ bei kaufen) von Defrost Games ist ein kooperatives Erlebnis – dessen mitunter knackige Rätsel aber nur von einem Spieler gelöst werden können. Wie das gehen soll? Mit einer effektiven Zeitmanipulation im Stil von Braid und einem knappen Dutzend Klonen, die mit einer perfekt synchronisierten Zusammenarbeit gemeinsam die Herausforderungen meistern. Wir haben als Subjekt 87 die Testkammern betreten...

Seltsame Experimente

Testkammern? Ja, ich nenne die Level jetzt einfach mal so, von denen es leider nur 14 an der Zahl gibt. Denn die Ausgangssituation erinnert stark Valves Knobelhit Portal: Ich wache in einem Raum auf, der offensichtlich mit High-Tech-Krempel vollgestopft ist. Der einzige Hinweis auf meine Identität ist ein mysteriöser Funkkontakt, der mich als Subjekt 87 anspricht. Nicht nur der Name deutet darauf hin, dass vor mir schon andere Versuchskaninchen an dem Experiment teilnehmen durften, denn ich finde auch hin und wieder Dokumente und Mails, die mir meine Vorgänger hinterlassen haben.   

Klone statt Portal-Kanonen

Es lassen sich bis zu elf parallele Zeitlinien mit entsprechenden Klonen erstellen.
Statt auf eine Portal-Kanone darf ich auf eine nicht minder coole Fähigkeit zurückgreifen, um die diversen Schalter- und Plattformrätsel sowie Geschicklichkeitseinlagen zu meistern: Ich darf wie in Braid die Zeit zurückspulen, um z.B. den verunglückten Sprung in den tödlichen Abgrund wieder rückgängig zu machen. Und nicht nur das, denn ich kann sogar alternative Zeitlinien erschaffen, in denen meine Handlungen quasi parallel ausgeführt werden. Wie das geht? Mit der Hilfe von Klonen! Bis zu elf von ihnen kann ich losschicken, um mit vereinten Kräften das Ziel zu erreichen. Das Spielprinzip entspricht eigentlich einem typischen Koop-Erlebnis – mit dem Unterschied, dass man hier seine Partner alle selbst kontrolliert und Handlungen „aufzeichnet“. Ein einfaches Beispiel: Ich stehe vor einer verschlossenen Tür und erkenne schnell, dass zwei weit entfernte Schalter parallel gedrückt werden müssen, um sie zu öffnen. Also renne ich zu Schalter Nr. 1 und stelle mich auf ihn. Daraufhin spule ich bis zur verschlossenen Tür zurück, kurz nachdem ich losgelaufen bin bzw. loslaufen werde. Auf Knopfdruck aktiviere ich eine zweite Linie und renne zu Schalter Nr 2. Danach das gleiche Spiel: Zurückspulen und eine weitere Zeitlinie kreieren. Dabei muss man aber darauf achten, nicht vor die Erschaffung des ersten Klons zurück zu reisen und damit auch dessen Erschaffung wieder rückgängig zu machen. Jetzt einfach vor der verschlossen Tür warten, bis die beiden anderen Ichs ihren Schalter gedrückt haben und schon kann es weiter gehen.

Diese Tür ist immun gegenüber Zeitmanipulationen.
In späteren Arealen werden die Aufgaben zunehmend komplexer: Hier erweisen sich manche Tore  immun gegenüber Zeitmanipulationen, während Hindernisse wie Laser, bewegliche Plattformen und Schalter mit Countdown-Triggern ein mitunter sekundengenaues Abstimmen der Aktionen erfordern. Zusätzlicher Druck wird aufgebaut, indem z.B. der Sauerstoff zunehmend zur Neige geht. Zudem muss man um einige Ecken denken und sich genau überlegen, wann man mit welchem Klon was macht. Das Erschaffen von bis zu elf Klonen wirkt auf den ersten Blick großzügig, doch später kann es durchaus passieren, dass man noch eine weitere Zeitlinie benötigt, aber keine mehr erschaffen darf. Deshalb sollte man sich die Schalter ganz genau ansehen und sich fragen, ob man einen Klon fest platzieren muss oder schon ein Drüberlaufen zum Auslösen ausreicht, sodass man nicht unbedingt einen von ihnen verbraten muss. Trotz des recht einfachen Prinzips sind die Rätsel intelligent und die Level hervorragend gestaltet.

Das große Hightech-Labor

Die Kulisse überzeugt weniger: Zwar ist der futuristische Stil mit einem Hauch von Tron zu Beginn noch ansprechend, doch hat man sich sehr schnell an den vielen Einheits-Plattformen, Einheits-Wänden und Einheits-Einrichtungen satt gesehen. Mehr visuelle Abwechslung in den Arealen hätte dem Titel sicher gut getan und auch die Animationen des Protagonisten wurden eher einfach gestrickt, die Kollisionsabfrage sogar stellenweise einfach ignoriert. So marschiert man z.B. einfach mal durch ein Gerüst, Vorhänge oder Fässer hindurch anstatt hängen zu bleiben. Dabei erlebt man im Gegensatz zu Portal und seiner Ego-Perspektive das Geschehen hier aus der Außenansicht – im Zusammenspiel mit den Klonen und der Rückspulfunktion eine durchaus sinnvolle Entscheidung.  

Zwar lässt sich das Spiel auch problemlos mit einem Controller spielen, doch sind Tutorial-Hinweise nur auf die Verwendung von Maus und Tastatur ausgelegt. Da man auch in den Optionen keine Übersicht zur Tastenbelegung findet, hilft am Controller nur Ausprobieren. Klar: Die meisten Aktionen hat man schnell raus, doch als ich zum ersten Mal einen kräftigen Sprung ausführen sollte und musste, hat es doch ein Weilchen sowie einige Fehlversuche lang gedauert, bis ich

Meist stehen klassische Schalterrätsel im Mittelpunkt, die in Kombination mit den Zeitmanipulationen und Countdowns an Reiz gewinnen.
den rechten Trigger des 360-Pads als Lösung identifiziert hatte.  

Schlichte Präsentation

Während Portal auch von der Handlung und den großartigen Sprüchen von GlaDOS lebt, weckt der Rahmen von Project Reality deutlich weniger Interesse. Zwar ist man zunächst neugierig, was es mit Subjekt 87 und dem Experiment auf sich hat, doch zum einen fehlt hier die Prise Humor, die Portal so ausgezeichnet hat. Zum anderen lässt auch die Präsentation mit ihren lieblosen Textboxen sowie fehlender Sprachausgabe zu wünschen übrig und auch die Charaktere geben zu wenig her. Gut gefällt mir die Musikbegleitung, auch wenn sich die elektronischen Synthesizerklänge zu schnell wiederholen.

Fazit

Project Temporality ist eine gelungene Kombination aus Kopfarbeit und Geschicklichkeit. Man muss schon einige Dinge ausprobieren und Aktionen über mehrere Ecken planen, doch es ist immer wieder ein tolles Gefühl, wenn es endlich „Klick“ macht und man die Lösung erkennt. Deshalb ist es schade, dass die spaßigen Zeitexperimente schon so schnell vorbei sind. Ich hätte mir noch mehr Areale und Kopfnüsse gewünscht - idealerweise mit einer größeren Anzahl an Schauplätzen, denn der Mangel an visueller Abwechslung fällt hier bereits nach kurzer Zeit negativ auf. Ich hoffe, dass Entwickler Defrost Games Nachschub in einer neuen Umgebung liefert. Zudem wäre es auch interessant zu sehen, ob und wie sich die parallelen Zeitlinien mit einem echten Koop-Modus realisieren lassen würden. Wer hätte damals gedacht, dass auch ein Portal irgendwann einen so exzellenten Mehrspielermodus bieten würde? Doch auch so fängt Project Temporality das Koop-Erlebnis für Solisten erstaunlich gut ein und sorgt dank des cleveren Leveldesigns mit Anleihen beim Valve-Klassiker für tollen Knobelspaß!  

Pro

cleveres, mitunter verzwicktes Leveldesign
klasse Spielmechanik mit Zeitmanipulation und Klonen
gute Mischung aus Kopfarbeit und Geschicklichkeit
hörenswerter Soundtrack...
alle Level von Anfang an auswählbar

Kontra

geringer Umfang
Kulisse könnte mehr Abwechslung vertragen
keine Tutorial-Hinweise / Tasten-Übersicht bei Controller-Verwendung
...der sich aber schnell wiederholt
Story, Charaktere und Präsentation geben nicht viel her
kein „echter“ Koop-Modus

Wertung

PC

Braid trifft Portal: Project Temporality bietet mit seinen Zeitexperimenten eine gelungene Kombination aus Kopfarbeit und Geschicklichkeit!

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