Im Visier der Laserwachen
Auf der PlayStation 4 habt ihr die Wahl, ob ihr mit dem Hauptspiel "The Talos Principle" oder der Erweiterung "Road to Gehanna" starten wollt. Aber Vorsicht: Letztere richtet sich an erfahrene Spieler und schon das erste Rätsel dürfte den Kopf zum Qualmen bringen: Wie soll man bloß gleichzeitig die blauen und roten Laser aktivieren und einen davon über Mauern hinweg ins Ziel bringen, damit sich in gefühlten zwei Kilometer Entfernung endlich der Schalter auflädt und das Gatter öffnet? Die wollen doch nicht etwa, dass ich die Kiste mit den beide Sprungschanzen...oh doch, das wollen sie. Um es kurz machen: Die vier zusätzlichen Episoden haben es in sich und werden euch bis tief in die Nacht beschäftigen, zumal auch die Geschichte um Uriel_Kopie (1) und Elohim fortgeführt wird - über saubere Texte an Terminals oder in stimmungsvoller deutscher Sprachausgabe.
In "The Talos Principle" löst man Rätsel und bekommt dafür Tetris-ähnliche Steine, die wiederum weitere Gebiete öffnen. (PS4)
Uriel_Kopie (1)? Elohim? Terminals? Vergesst Gehenna und startet als Einsteiger auf jeden Fall das Hauptspiel, denn dann könnt ihr ohne Unterstriche gemütlich in die Geschichte abtauchen und mit leichten Aufgaben in Egosicht beginnen. Die mediterrane Idylle wurde nahezu identisch auf PlayStation 4 übertragen. Die Grillen zirpen, die Abendsonne leuchtet. Aber irgendwo zwischen den verwitterten Kalksteinruinen schweben Wachroboter, die einen in null Komma nichts wegbrutzeln. Sobald man in ihre Nähe kommt, fächern ihre roten Laser auf und tasten die Gegend ab. Es gibt hier keine Waffen, also schnell hinter einer Säule oder einer Statue verstecken! Da ist man zumindest kurzfristig sicher und kann mit etwas Timing ihre festen Patrouillenwege für eine Umgehung ausnutzen.
So idyllisch die antike Kulisse in „The Talos Principle“ auch wirkt und so weise die Stimme des mysteriösen Erzählers zu Beginn klingt: Man muss ganz schön aufpassen, wenn man durch die Anlagen spaziert oder spurtet. Aber keine Bange, der Spielrhythmus ist eher entspannend als frustrierend: Falls man mal im Laser stirbt, ist das nicht weiter tragisch, denn es wird an den Anfang des jeweiligen Parcours zurückgespult. Und weil alles angenehm offen angelegt ist, kann man auch mal eine alternative Route probieren.
Auf der Suche nach Antworten
Der Apparat soll in die Luft? Auf der Kiste? Jup. Ein Blick auf das erste Rätsel in "Road to Gehenna": Nur erfahrene Spieler sollten mit der Erweiterung starten, die gleich mehrere Mechanismen kombiniert. (PS4)
Jedenfalls hat man genug Zeit, über die kryptischen Computertexte, die religiösen Anspielungen und den philosophischen Sinn des Ganzen zu grübeln. Kaum hackt man einige Befehle in die seltsam altmodischen Terminals, fragt man sich: Wem gehört die Stimme, die sich „Elohim“ und mich „Mein Kind“ nennt? Einem Gott? Wer hat das eigentlich alles gebaut? Wieso hat man so komische Kunststoffhände? Ist man etwa ein Roboter? Und falls ja: Warum kann man sich menschliche Gedanken machen? Fragen über Fragen. Wer sich auf die Story mit ihren drei Enden einlässt, wird angenehm anspruchsvoll und kreativ unterhalten. Im Gegensatz zu den endlosen Monologen eines
The Old City, wird man hier viel mehr zum Mitdenken animiert.
Mit der Zeit sammelt man nicht einfach immer mehr Hinweise, die sich aus E-Mails, Botschaften auf Wänden, Usereinträgen oder mythologischen Fragmenten zusammensetzen – es ergeben sich mit der Stimme und dem Computer in Form des „Milton Library Assistant“ auch zwei erzählerische Ebenen, die scheinbar konkurrieren, was richtig neugierig macht. Auch deshalb, weil sie einen direkt ansprechen oder zum Interagieren auffordern: Die göttliche Stimme etwa warnt davor, den großen Turm zu betreten. Wenn man es dennoch tut, wird über die menschliche Neugier sinniert und wenn man den
An den Computerterminals bekommt man nicht nur Informationen, sondern muss auch philosophische Fragen beantworten. (PS4)
Turm verlässt, wird der Besuch mit einem strengen "Wo bist du gewesen, Kind?" kommentiert - sehr schön. Die Terminals wiederum stellen des Öfteren philosophische Fragen, die man beantworten muss - etwa, ob man die Freiheit des Menschen maximal auslegen sollte oder inwiefern man zwischen Mensch und Tier als Persönlichkeiten unterscheidet. Und all das wird scheinbar protokolliert.
Schade ist allerdings, dass es keine direkten Wechselbeziehung zwischen Story und Rätseln gibt, also keine verborgenen Hinweise in Texten, die man dann im Gelände nutzen könnte. Man muss den unheimlich interessanten, von Tom Jubert (
Faster Than Light,
The Swapper) entworfenen erzählerischen Hintergrund also nicht unbedingt durchschauen oder ergründen.