V-Rally 304.08.2002, Mathias Oertel
V-Rally 3

Im Test:

Bislang thront World Rally Championship von Sony einsam an der Spitze der Rallye-Spiele. Doch mit V-Rally 3 (ab 26,89€ bei kaufen) von Infogrames rückt Konkurrenz heran, die schon auf eine ruhmreiche PSone-Vergangenheit zurückblicken kann. Wie sich die neueste Inkarnation der V-Rally-Serie spielt und mit welchen Mitteln Ihr aufgefordert werdet, die Finger von WRC zu lassen, könnt Ihr in unserem Test erfahren.

Karriere ist alles

Bei allen bisherigen Genre-Vertretern -den guten alten Colin Mc Rae bis Auflage 2.0 eingeschlossen- ging es nur um eines: die Konkurrenz Schlamm schlucken zu lassen und als Zeitschnellster die Ziellinie zu überfahren.

Zwar erfindet auch V-Rally 3 das Rallye-Rad nicht neu, fügt aber mit dem Karriere-Modus ein bisher in diesem Spiele-Sektor neues Element hinzu, das langfristig weitaus motivierender ist als die bisher üblichen "Such-dir-einen-Wagen-aus-und-gib-Gas"-Rasereien.

Denn Ihr startet als Anfänger und müsst erst einmal mit Probefahrten die Teams überzeugen, Euch unter Vertrag zu nehmen.

Solltet Ihr in der glücklichen Lage sein, aus mehreren Teams auswählen zu können, solltet Ihr die Verträge genauer unter die Lupe nehmen. Denn sowohl Vertragsdauer als auch das vom Team vorgegebene Minimalziel unterscheiden sich unter Umständen erheblich.

Habt Ihr schließlich das Teams Eures Vertrauens gefunden, geht es schon ab zur ersten Rallye - natürlich in der schwachen 1,6-Liter-Klasse, denn die Top-Teams fassen Euch nicht einmal mit der Kohlenzange an.

Also müsst Ihr Euch durch fahrerische Leistungen Respekt verschaffen. Sollte Euch dieses Vorhaben gelingen, dauert es nicht lange, bis bessere Teams anklopfen, die einen Saison-Gesamtsieg möglich machen, der Euch dann die Tore zur 2.0-Liter-Serie öffnet.

Neben stärkeren und schwerer unter Kontrolle zu haltenden Fahrzeugen warten in der "großen" Meisterschaft auch noch zwei neue Länder auf Euch, welche die vier Rallye-Stützpunkte der "Mini"-Klasse ergänzen.

Und hier geht das Spielchen wieder von vorne los: Team suchen, Vertrag unterschreiben, Leistung abliefern, neues Team finden usw.

So löblich und neu der Ansatz des Karriere-Modus auch ist, der einen auch zugegebenermaßen eine ganze Zeitlang bei der Stange hält - er wirkt irgendwie unausgereift.

So finden zum Beispiel keine Vertragsverhandlungen statt, in denen Ihr das Planziel eventuell beeinflussen könntet.

Auch Zufalls-Elemente während der Saison, welche die Karriere spannender gestalten würden, sucht man vergeblich. Das könnten zum Beispiel unerwartete Finanzspritzen sein, die das Team erhält oder das Angebot eines anderen Teams, dessen Fahrer unerwartet ausgefallen ist usw.

Dadurch hätte der ganze Karriere-Modus noch einen zusätzlichen Kick bekommen und auch noch weiter von dem letzten Endes doch bekannten Rallye-Fahren abgelenkt.

Verdammt rutschig hier

Was die Spielbarkeit und Fahrverhalten betrifft, waren alle bisherigen V-Rally-Teile eher Arcade- denn Simulations-lastig, ohne jedoch den Bezug zur Realität zu verlieren. Bei Teil 3 jedoch setzt man mehr als je zuvor auf eine realistische Fahrphysik, behält aber auch noch seine Arcade-Wurzeln bei.

Das Problem beim Fahren liegt aber trotz aller Spagat-Versuche einfach darin, dass die verschiedenen Untergründe alle recht ähnlich zu befahren sind. Auf Schnee geratet Ihr annähernd im gleichen Maße ins Schleudern wie auf einer Sandpiste oder einer schlammigen Straße. Dabei sollte man eigentlich erwarten, dass eine staubige Straße mehr Grip bietet als vereister Asphalt.

Sowieso sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Bodenbelägen nur marginal spürbar. Es ändert sich nicht viel, ob Ihr nun durch Tiefschnee fahrt oder auf einer eisglatten Fläche versucht, das Fahrzeug unter Kontrolle zu haben.

Dadurch werden die generellen Setup-Möglichkeiten wie Reifenwahl, Bremsbalance usw. auch wieder relativiert. Es lassen sich zwar auf der Piste deutliche Änderungen im Fahrverhalten feststellen, doch Ihr werdet selten an den Punkt kommen, wo der Wagen unkontrollierbar wird - es sei denn, Ihr habt Euch im verschneiten Schweden für Asphalt-Pneus entschieden, die Euch deutlich häufiger aus der Bahn werfen als ihre Schnee-geeigneten Kollegen.

Trotz der recht eingeschränkten Möglichkeiten lohnt es sich aber, in den Serviceparks Euren Wagen auf die nächsten Etappen abzustimmen, um vielleicht noch die eine oder andere Sekunde herauszukitzeln.

Doch auch ohne Ideal-Setup lassen sich die Strecken gut bewältigen und beginnen auch, eine Menge Spaß zu machen, sobald man die extrem empfindliche Steuerung akzeptiert hat.

Schon die kleinste Pad-Bewegung macht das Fahren zu einer äußerst wackeligen Angelegenheit. Und glaubt man, die Wagen der 1.6-Liter-Klasse gut im Griff zu haben und wagt sich an ihre großen Brüder, macht sich die sensible Lenkung noch stärker bemerkbar und sorgt für starke Frustmomente, die der Karriere-Modus nicht ganz auffangen kann.

Jenseits der Karriere

Wer abseits der Karriere ungezwungenen Rallye-Spaß erleben will, findet mit dem Zeitfahren und den sich im Schwierigkeitsgrad stetig steigenden Herausforderungen genügend Futter.

Und natürlich werden auch die Mehrspieler-Freunde unter Euch nicht vergessen. Bis zu vier menschliche Kontrahenten können gegeneinander antreten - leider nur nacheinander.

Das entspricht zwar dem realen Rallye-Geschehen, doch hätte ein Splitscreen-Modus für ein deutliches Ansteigen des Fun-Faktors sorgen können.

"Da ist was kaputt"

Wie es sich für ein Rallye-Spiel gehört, wurde ein vollständiges Schadensmodell eingebaut. Doch wie im ganzen Spiel finden sich auch hier kleine Ungereimtheiten. So haben Schäden zum Beispiel erst einen spürbaren Einfluss auf das Fahrverhalten, wenn der Wagen kurz vor dem Zusammenbruch ist. Selbst mit einem Plattfuß ein bis zwei Kilometer vor dem Ziel kann man das Fahrzeug mit entsprechendem Geschick noch in die rettende Zone manövrieren und verliert dabei nicht mal all zu viel Zeit.

Auch fehlende Karosserieteile und damit verbundener Verlust von Aero-Dynamik werden weitestgehend kompensiert.

Das ist im Endeffekt verschenkte Liebesmüh, denn so nett die Schäden optisch auch anzuschauen sind, würde man sich doch wünschen, dass sie einen größeren Einfluß auf die Fahrweise hätten. Selbst wenn man dem Spiel zu Gute halten muss, dass man so niemals die Chance verliert, um gute Platzierungen mitzufahren, wodurch die Motivation erhalten bleibt.

Darüber hinaus ist auch der "Rückhol-Service" in einigen Fällen mangelhaft umgesetzt. Zwar ist die Zone jenseits der Strecke, die man befahren kann, verschwenderisch groß geraten, doch in manchen Fällen kann es passieren, dass man nach einer doch zu groß angelegten Kehre außerhalb dieser Zone landet und wieder auf die Strecke "gebeamt" wird.

Gleiches passiert bei einem spektakulären Unfall, wenn Ihr auf dem Dach liegend wie von Geisterhand unheimlich zeitsparend wieder auf die Strecke gesetzt werdet.

Schafft man es jedoch, sich an einer schwer zugänglichen Stelle festzusetzen, kann es passieren, dass Ihr nicht zurückgesetzt werdet, sondern die Rallye auf der Stelle beendet wird - höchst ärgerlich, wenn man gerade auf einem Podiumsplatz lag.

Schön anzusehen - aber...

Auf den ersten Blick macht V-Rally 3 einen sehr guten optischen Eindruck: Die Strecken aus sechs Ländern sind allesamt unterschiedlich und interessant gestaltet und mit Objekten am Streckenrand vollgepflastert wie bei keinem vergleichbaren Spiel.

Dass diese Objekte nicht nur statisch sind, sondern auch mal aus vorbeilaufenden Rentieren, Motorschlitten oder auch schwebenden Hubschraubern bestehen, sorgt ebenfalls für viel Vergnügen auf der Netzhaut.

Auch die Autos sind sehr gut gelungen, mit einem optisch schönen Schadenssystem versehen und fangen sich, nach entsprechender Fahrdauer auch einen deutlich sichtbaren Schmutzfilm ein.

Die diversen Kameraperspektiven (inklusive gut umgesetzter Cockpitsicht) machen ebenfalls einiges her und geben Euch immer die bestmögliche Übersicht.

Doch all das hat seinen Preis: Zum einen fehlt, wie schon erwähnt, ein Splitscreen-Modus, der wohl zu rechenaufwändig gewesen wäre.

Schlimmer, weil deutlich das Spiel beeinflussend, sind die gelegentlichen Slowdowns, die im Zusammenspiel mit den nur wenig kaschierten Pop-Ups für ein deutliches Absinken der Grafikwertung sorgen.

Und irgendwo dazwischen finden wir immer wieder das so genannte "Tearing", in dem das Bild nicht synchronisiert aufgebaut wird und sich plötzlich bei Kurven leicht verschiebt, bevor die Synchronisierung wieder durchgeführt wird.

Das ist zwar bei weitem nicht so nervend wie ein komplettes Absinken der Bildrate bis zum Stottern, stört die Konzentration aber dennoch ungemein.

Vielleicht hätten die Entwickler gut daran getan, etwas weniger Objekte an den Straßenrand zu pflanzen, die dementsprechend weniger Rechenleistung gekostet und auch weniger Probleme gemacht hätten.

"Links Zwei, über Kuppe"

Der Ko-Pilot und seine Streckenansagen sind bei vielen Genre-Kollegen häufig ein Stein des Anstoßes. Hier gibt es generell wenig Punkt zur Klage: Meist zuverlässig stimmen die qualitativ hochwertigen Ansagen in einem Großteil der Fälle mit der tatsächlichen Streckenführung überein und warnen auch vor potenziellen Gefahrenpunkten.

Zudem kriegt Euer virtueller Beifahrer durch Aussagen wie "Scheiß Nebel!" noch einen Anflug von Menschlichkeit und sorgt so immer wieder für ein Schmunzeln.

Das vergeht einem jedoch, wenn man nach Zieleinfahrt und Rallye-Gewinn auf einmal "Wir sind nicht gut" zu hören bekommt.

Neben den Ansagen kriegt man während der Rennen gelegentlich noch Umgebungsgeräusche mit, die jedoch von den dröhnenden und überzeugenden Motorengeräuschen in den Hintergrund gedrückt werden.

Rundherum gelungen ist die Musik, die in den Menüs für eine unaufdringliche und nie in den "Nerv-Bereich" abrutschende Sounduntermalung sorgt.

Fazit

Trotz des gestiegenen Realitätsanspruches bleibt auch der neueste Teil der V-Rally-Serie ein Arcade-Spiel - und macht als solches auch Spaß. Die Schwächen des Karriere-Modus nimmt man erst nach einigen Stunden richtig war und auch die grafischen Schwächen offenbaren sich erst nach der ersten "Hurra"-Phase. Weitestgehend uneingeschränkt überzeugen kann eigentlich nur der Sound.
Wer allerdings nach einem Hardcore-Rallye-Spiel sucht, ist mit dem doch schon älteren WRC und vermutlich auch mit dem im September erscheinenden dritten Teil von Colin McRae besser aufgehoben. Mit etwas Feinarbeit hätte man sicherlich noch mehr aus dem ambitionierten V-Rally 3 herausholen können, doch andererseits kann ich mir wahrlich schlechtere Spiele vorstellen, um mir die Zeit zu vertreiben.

Pro

<li>lizenzierte Wagen von 13 Herstellern</li> <li>Strecken in sechs Ländern</li><li>Farbenfrohe, detaillierte Grafik</li><li>gut in Szene gesetztes Schadensmodell</li><li>Karriere-Modus ein Novum im Genre</li><li>zumeist passender, guter Ko-Pilot-Kommentar</li><li>passable Setup-Möglichkeiten</li>

Kontra

<li>Schäden mit wenig Auswirkungen</li><li>grafische Schwächen: Popups, Slowdowns, Tearing</li><li>Karrieremodus unausgereift</li><li>mangelhafte "Rücksetz-Mechanik"</li><li>sensible Steuerung</li><li>kein Splitscreen im Multiplayer</li>

Wertung

PlayStation2

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