Haunting Ground14.06.2005, Jens Bischoff
Haunting Ground

Im Test:

Als Survival-Horror-Fan ist man es gewohnt, mit immer dickeren Wummen immer gigantischere Monster zu jagen. Der namensgebende Kampf ums Überleben blitzt dabei nur noch selten auf. In Haunting Ground (ab 135,00€ bei kaufen) alias Demento zeigt Resi-Mutter Capcom dieser Entwicklung jedoch die kalte Schulter und schickt euch ohne Waffen in die Arme fanatischer Freaks. Schnell entsteht eine unheimlich bedrohliche Stimmung, die mit Angst und Panik spielt. Besser als die üblichen Zombieschlachtfeste?

Wo bin ich?

Nach einem schweren Autounfall erwacht Protagonistin Fiona Belli nicht wohlbehütet in einem Krankenhaus, sondern halbnackt in einem Käfig gehalten im fahl beleuchteten und blutverschmierten Keller eines unheimlichen Schlosses.

Fragen über Fragen: Fiona hat anfangs noch keine Ahnung, warum man ihr nach dem Leben trachtet.
Ihr habt keine Ahnung, wie ihr hier her gekommen seid und was euch außerhalb des Gewölbes erwartet. Nachdem ihr euch aus eurem engen Gefängnis befreit habt, merkt ihr allerdings schnell, dass das gesamte Anwesen einem Gefängnis gleicht. Das ganze Grundstück ist von hohen Mauern umgeben, die Tore in die Freiheit sind fest verriegelt und alles scheint wie ausgestorben.

Die Hetzjagd beginnt

Das ändert sich jedoch schlagartig, als ihr gegen Anbruch der Dunkelheit in den Wohnbereich des Schlosses vordringt. Hier macht ihr Bekanntschaft mit der apathisch wirkenden Haushälterin Daniella, die euch kalt und unnahbar mit Kleidung versorgt und dann wieder verschwindet. Na ja, Fiona ist schon freundlicher empfangen worden, hatte aber weit Schlimmeres erwartet. Doch nur ein paar Räume weiter trifft sie auf den geistig zurückgebliebenen Quasimodo-Verschnitt Debilitas, der gerade mit einer seiner Puppen beschäftigt ist. Fiona scheint in den leeren Augen des grotesken Riesenbabys aber ein viel interessanteres Spielzeug zu sein und ehe ihr euch verseht, ist der Koloss auch schon wild grunzend und laut stampfend hinter euch her.

Auf den Hund gekommen

Nach einer panischen Verfolgungsjagd findet ihr schließlich ein passendes Versteck und seid das anhängliche Ungetüm erst einmal los. Wann und wo es euch das nächste Mal wieder auflauern wird, ist aber genauso ungewiss wie die Frage, welche makaberen Überraschungen das Horrorschloss noch so bereithält. Doch anstelle weiterer Jäger trefft ihr zunächst auf einen tierischen Leidgenossen: Den weißen Schäferhund Hewie,

Was Hunde wollen: Wenn ihr Hewies Gehorsam mit Streicheleinheiten lobt, wird er immer verlässlicher.
den ihr brutal zugerichtet und qualvoll winselnd im Garten von seinen einschneidenden Drahtfesseln befreit und der euch für seine Rettung bis zum Ende Spiels zur Seite stehen wird.

Hilfe auf Kommando

Hewie ist aber weit mehr als ein anhänglicher Flohteppich, der auf gelegentliche Streicheleinheiten steht. Droht Gefahr, beginnt er in die entsprechende Richtung zu knurren, trefft ihr auf ein für Fiona unpassierbares Hindernis, könnt ihr Hewie anweisen, sich durch schmale Öffnungen zu zwängen oder über Abgründe zu springen, um euch außer Reichweite liegende Gegenstände zu bringen. Stoßt ihr auf einen eurer Verfolger, dürft ihr Hewie sogar als Kampfhund einsetzen. Meist ist er dadurch zwar am Ende selbst der Leidtragende, was euch aber oft wertvolle Sekunden bei der Flucht oder Verstecksuche beschert. Ärgerlich ist dabei nur, dass Hewie euren Aufenthaltsort stets wittert, sich nach einer Kampfniederlage oft winselnd in die Nähe eures Unterschlupfs zurückzieht und eure Verfolger so wieder auf eure Fährte bringt.         

Ständig in Gefahr

Wirklich sicher seid ihr jedoch ohnehin nie und nirgendwo. Vor allem, wenn ihr ein und dasselbe Versteck immer wieder aufsucht, kriegen das eure Hetzer schnell spitz und finden euch auch in jedem noch so unauffälligen Schrank,

Teamwork ist Pflicht: Einige Rätsel und Fallen könnt ihr nur mit Hewies Hilfe bewältigen.
unter jedem noch so großen Bett oder hinter jedem noch so schweren Vorhang. Auch auf Hewies Einsätze könnt ihr euch nicht immer verlassen, denn auch wenn ihr ihn über den Verlauf des Spiels immer besser abrichten könnt, kommt es doch immer wieder vor, dass er sich euren Anweisungen widersetzt und Fiona dadurch teils in arge Bedrängnis bringt. Auch sein ständiges Gekläffe, wenn er euch nach einer Kletterpartie nicht folgen kann oder eine angewiesene Stellung halten soll, bleibt nicht immer ohne Konsequenzen.

Ab in die Hundeschule

Dennoch wärt ihr ohne ihn viel öfter aufgeschmissen und um ihm Gehorsam beizubringen müsst ihr ihn wie jeden Hund zur richtigen Zeit loben oder tadeln. Im Schlossgarten findet ihr sogar einen verwaisten Hundedressurplatz mit Strohpuppen und Schikanen, wo ihr ihn besser abrichten oder auch mit einem Ballspiel belohnen könnt. Daneben müsst ihr euch aber auch um eventuelle Verletzungen des Vierbeiners kümmern und könnt ihn mit speziellen Leckerlis vorübergehend besonders scharf machen, um euren Gegnern noch mehr Schaden zuzufügen.

Todesängste: Je stärker Fiona in Panik gerät, desto mehr leiden Kontrolle und Wahrnehmung.
Lasst ihr Hewie erst Platz machen und dann mit einem Satz angreifen, führt er sogar eine Art Power-Beißattacke aus, die euren Verfolger gar zu Boden werfen kann, woraufhin er auch schon mal einen nützlichen Gegenstand fallen lässt.

Riskanter Gegenschlag

Aber auch Fiona ist nicht völlig wehrlos. Habt ihr noch genügend Ausdauer, könnt ihr eure Widersacher mit einem überraschenden Sprint-Tackle aus dem Gleichgewicht bringen und mit ein paar schmerzhaften Tritten kurzzeitig außer Gefecht setzen. Solche Aktionen bergen aber natürlich immer ein gewisses Risiko, da ihr euch euren körperlich meist weit überlegenen Peinigern sehr weit nähern müsst und keine Garantie habt, mit eurer Attacke Erfolg zu haben. Versucht ihr nach einem missglückten Angriff Reißaus zu nehmen, geht euch durch die vorherige Kraftanstrengung dann viel schneller die Puste aus, was euch nicht nur verlangsamt, sondern auch in Panik versetzt, da euch eure Jäger dadurch viel dichter auf den Fersen sind.

Nur keine Panik

Fionas Paniklevel sollte aber so gering wie möglich gehalten werden, da sie mit steigender Todesangst viel schlechter zu kontrollieren ist,

Kalte Dusche: Mit frischem Wasser und diversen Kräutern macht sich Fiona wieder fit.
immer häufiger zu stolpern beginnt und so zu einer immer leichteren Beute für ihre Verfolger wird. Zusätzlich beginnt euer Controller stark zu vibrieren, während die Sounduntermalung nervenaufreibende Töne anschlägt und die Grafik euch mit Bildaussetzern, zunehmendem Farbverlust und schwindendem Tiefenkontrast weitere Handicaps beschert - bis das Bild nur mehr einem monochromen Relief gleicht. Auch Interaktionen mit der Umgebung fallen in Panik flach, selbst um aufs Inventar zuzugreifen oder einen Speicherpunkt zu aktivieren fehlt es Fiona in diesem Zustand an Beherrschung. Klassische Energiebalken sucht ihr übrigens vergebens, Ausdauer, Gesundheits- und Angstzustand Fionas müsst ihr komplett aus den grafisch, akustisch und sensorisch vermittelten Effekten ablesen und mit entsprechenden Aktionen oder Items rechtzeitig kurieren. Das ist zwar vor allem zu Beginn nicht ganz einfach, überträgt den Ernst der Lage jedoch unglaublich intensiv auf den Spieler, der wirklich das Gefühl hat, ums Überleben zu kämpfen, auch wenn sich diese emotionale Bindung mit der Zeit spürbar abnutzt und im schlimmsten Fall zu einer lästigen Pflichtübung wird.        

Was liegt an?

In ruhigeren Minuten sucht ihr hingegen nach Fluchtmöglichkeiten, haltet nach Schlüsseln Ausschau, löst diverse Rätselaufgaben und setzt irgendwelche Apparaturen oder roboterartige Golems in Gang, die euch anhand beschreibbarer Kommando-Druckplatten immer wieder neue Schlossbereiche zugänglich machen. Die Hintergrundgeschichte um alchemistische Experimente und ewiges Leben bleibt dabei sehr geheimnisvoll und sorgt für einen beständigen Spannungsbogen sowie ungewöhnliche Schauplätze und Ereignisse. So öffnet ihr in einer Toilette, wo ihr übrigens jederzeit eure Gesundheit wiederherstellen könnt, die verschlossenen Fensterläden, um nachzuschauen, wie weit ihr euch schon vom Wohnbereich des Schlosses entfernt habt, und stellt plötzlich fest, dass ihr euch unter Wasser befindet, während sich kurz darauf das Spiegelbild eures Verfolgers in der Scheibe spiegelt und eine weitere Hetzjagd beginnt.

Todeskampf: Debilitas' Umarmungen sind nicht nur schmerzhaft, sondern versetzen euch auch in Panik.
Leider wisst ihr jedoch nicht immer, was als nächstes zu tun ist oder irrt mit einem neu gefunden Schlüssel in der Gegend umher, um die passende Türe ausfindig zu machen. Hier hätte euch eine intelligente Automap viel nervige Lauf- und Sucharbeit erspart. Die primitiven Grundrissskizzen, die euch Capcom zur Seite stellt, sind hingegen reichlich nutzlos und verwirren mehr als dass sie euch weiterhelfen.

Gelegentliche Frustmomente

Auch das Speichersystem sorgt mitunter für Frust, da die Standorte der sichernden Uhren nicht immer optimal gesetzt sind und es trotz tödlicher Fallen und taktischer Bosskämpfe keinerlei Rücksetzpunkte nach längerer Speicherpause oder geschafften Bossfights gibt. Dass ihr auf der Flucht nicht speichern könnt, ist hingegen gar nicht so übel, da Panik und Bedrohung so viel besser rüber kommen und man Fionas Leben bis zum bitteren Ende zu retten versucht. Auch dass es keine Ladepausen bei der Hetzjagd durch die weit über hundert Räumlichkeiten des Anwesens gibt, trägt zum intensiven Mittendringefühl bei. Ärgerlich sind dabei nur die durch die vollautomatische Kameraführung immer wieder verursachten abrupten Perspektiven- und damit verbundenen Richtungswechsel bei der Steuerung, die euch beim Fliehen oftmals unfreiwillig zurück in die Arme eurer Jäger rennen lassen,

Monströser Feuerlöscher: Hin und wieder legt ihr mit Hilfe von steuerbaren Golems neue Fluchtwege frei.
was angesichts der ohnehin etwas trägen Steuerung schnell das Aus bedeuten kann. Ansonsten gibt es am Gameplay aber nicht viel zu kritisieren, außer dass das gut zehn bis 15 Stunden währende morbide Versteckspiel mit der Zeit etwas an Abwechslung vermissen lässt.

Auf ein Neues

Durch die beklemmende Atmosphäre gegen die ein Resident Evil 4 wie ein munteres Schützenfest wirkt, das dem Niveau eines Silent Hills sehr nahe kommende Charakterdesign und nicht zuletzt durch das ein Dead to Rights weit hinter sich lassende Zusammenspiel mit eurem fantastisch animierten Hundepartner sieht man über gewisse Defizite und Abnutzungserscheinungen der Spielmechanik jedoch gerne hinweg, wenn auch bei gewissenhafterer Ausarbeitung ein noch packenderes und dadurch auch awardwürdiges Spielerlebnis drin gewesen wäre. Dafür besitzt Haunting Ground aber immerhin einen gewissen Wiederspielwert, da ihr neben neuen Outfits (u. a. ein Cowgirl-Kostüm mit funktionsfähigem Revolver) und einer üppigen Filmgalerie auch vier verschiedene Abspanne, einen härteren Schwierigkeitsgrad sowie ein interessantes Alternativ-Abenteuer mit Rollentausch freispielen könnt,

"Fass!" - Während Hewie zum Sprungangriff ansetzt, macht sich Fiona schnell aus dem Staub.
wo ihr die Kontrolle über Hewie übernehmt, der dann Fiona durch eine Handvoll Spielabschnitte lotsen muss.

Stimmungsvolle Präsentation

Präsentiert wird der Survival-Horror-Trip durchweg in schmucker 3D-Echtzeitgrafik, die neben dem düsteren Grundton vor allem mit hübschem Licht- und Schattenspiel glänzt. Auch Gestik und Mimik der Charaktere können sich sehen lassen, wobei Hund Hewie besonders authentisch wirkt. Doch auch die leeren Augen Debilitas‘ oder das kaltherzig unnahbare Auftreten Daniellas sorgen für Gänsehaut. Zudem vermittelt die dynamische Soundkulisse mit ihren erst schleppenden, dann treibenden Zerrklängen für Hochspannung - vor allem, wenn ihr allein im Dunkeln spielt und die Surround-Anlage voll aufgedreht habt. Heimkinofans freuen sich neben Dolby Prologic II aber auch über einen 60Hz- und Progressive Scan-Modus. Die englische Sprachausgabe macht ebenfalls eine gute Figur. Eine deutsche Tonspur gibt es hingegen keine. Englisch-Unkundige müssen daher mit einem Auge auf die meist ordentlich eingedeutschten Untertitel schielen.        

Fazit

Haunting Ground bietet packenden Survival-Horror in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Man ist zu keiner Zeit und an keinem Ort wirklich sicher vor seinen fanatischen Verfolgern und quasi ständig auf der Flucht. Diese allgegenwärtige Bedrohung gepaart mit der Tatsache, sich nicht oder nur unzureichend zur Wehr setzen zu können, erzeugt ein beklemmendes Gefühl, das man sonst höchstens von einem Trip nach Silent Hill oder der eindeutig Pate gestandenen Clock Tower-Serie kennt. Wer es gewohnt ist, den Waffen strotzenden Zombieschlächter zu mimen, wird in Haunting Ground zum Umdenken gezwungen, was sicher nicht jedermanns Sache sein dürfte; aber wenn man sich darauf einlässt, ein einzigartiges Spielerlebnis beschert. Wenn Fiona in Panik durch die kalten Gemäuer von Schloss Belli stolpert, während ihr von einem debil glucksenden Quasimodo-Verschnitt mit Puppen-Faible erbarmungslos gejagt werdet, sorgen nicht nur audiovisuelle Wahrnehmungsverzerrungen und Controllervibrationen dafür, dass ihr tatsächlich das Gefühl habt, ums Überleben zu kämpfen. Schade nur, dass sich die Verfolgungsjagden trotz wechselnder Jäger mit der Zeit doch etwas abnutzen und ihr oftmals nicht genau wisst, was überhaupt zu tun ist. Selbst die dürftige Kartenfunktion verwirrt mehr als dass sie hilft. Aber unterm Strich hebt sich Haunting Ground trotzdem recht angenehm vom eingesessenen Genreeinerlei ab und lässt dank ansehnlicherer Präsentation, harmonischerer Bossfights sowie origineller Hundeabrichtung auch den einzig wirklich vergleichbaren Konkurrenten Clock Tower 3 ein paar Spielspaßprozente hinter sich.

Pro

keine Ladezeiten
coole Panikeffekte
hübsche Animationen
spannender Spielverlauf
dynamische Soundkulisse
beklemmende Atmosphäre
ständiges Bedrohungsgefühl
gelungenes Charakterdesign
stimmungsvolle Präsentation
unverbrauchte Spielmechanik
originelles Team-Feature (Hund)
60Hz- & Progressive Scan-Modus

Kontra

dürftige Kartenfunktion
viel Such
& Laufarbeit
auf Dauer etwas zu eintönig
unkomfortables Speichersystem
abrupte Kamera
& Steuerungswechsel
gelegentlich unklare Aufgaben bzw. Ziele

Wertung

PlayStation2

Spannender Survival-Horror-Trip mit originellem Hundebeistand.

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