Ar Tonelico Qoga: Knell of Ar Ciel14.04.2011, Jens Bischoff
Ar Tonelico Qoga: Knell of Ar Ciel

Im Test:

Mit dem dritten Ar Tonelico feiert die japanische Rollenspielsaga ihr Debüt auf der PlayStation 3. Einmal mehr wird gesungen, gestrippt und parodiert, dass sich die Balken biegen. Doch kann der schlüpfrige Klamauk auch spielerisch überzeugen?

Lust auf Torten?

Als Turmarbeiter Aoto mal wieder bei einem Nickerchen ertappt wird und von seinem Pflegevater die Leviten gelesen bekommt, scheint alles

Tatsumi scheint eher unfreiwillig ins Abenteuer zu schlittern - für Ar Tonelico-Veteranen ist er aber kein Unbekannter.
wie eh und je. Doch als er sich endlich aufrappelt aufzustehen, überschlagen sich die Ereignisse: Vor seinem Haus bricht ein Mann tot zusammen, dessen angeschlagene Begleiterin Aoto um Hilfe bittet, bevor sie sich vor seinen Augen in ein kleines Mädchen verwandelt und ebenfalls zu Boden sackt. Nach einem kurzen Handgemenge mit einer Gruppe Verfolgern nimmt sich Aoto des Mädchens an und wird selbst zum Gejagten.

Zusammen mit Jugendfreund Tatsumi verlässt Aoto sein Heimatdorf, um sich und das Mädchen in Sicherheit zu bringen. So weit so gut. Doch warum wurde die Kleine von einem vermutlich mit Steroiden voll gepumpten Chun-Li -Verschnitt mit Ballettröckchen verfolgt? Wer war die erschöpfte Kriegerin, die sich zuvor in sie verwandelt hat? Und warum hat sie sich auf der Flucht plötzlich ihre Kleider vom Leib gerissen und ihre Verfolger singend in Tortenstücke verwandelt? Willkommen in der Welt von Ar Tonelico!

Man muss schon eine Vorliebe für alberne Skurriliäten haben, um Aoto auf seiner bevorstehenden Odyssey zu begleiten. Ar Tonelico Qoga ist zwei, drei Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers angesiedelt und spielt erneut in einer Turmwelt über dem unbewohnbaren Planeten Ar Ciel. Saki, das von Aoto und Tatsumi gerettete Mädchen, ist eine so genannte Reyvateil, ein Wesen, das über die Gabe verfügt Liedmagie zu wirken. Eigentlich nichts ungewöhnliches in Ar Ciel, aber irgendeinen Grund muss es natürlich haben, warum Saki verfolgt wird - sogar mehr als einen...

Reine Nervensache

Die Spielwelt besteht aus verschiedenen Arealen wie Städten und Dungeons, die über eine Art Weltkarte angesteuert werden können, sobald man sie einmal erreicht hat.

Die per Zufallsgenerator ausgelösten Kämpfe können trotz zahlenmäßiger Begrenzung ganz schön auf die Nerven gehen.
Anfangs wirken die Schauplätze sehr linear und kompakt, später werden sie aber immer weitläufiger und verschachtelter, so dass man sich teils durchaus verlaufen kann, denn eine Kartenfunktion oder Wegweiser gibt es leider nicht. Das Aufspüren von Schatztruhen und anderen Sammelobjekten gewinnt so zwar an Reiz, kostet aufgrund manch sehr vager Zielangabe sowie einiger unvorhersehbarer Gebietswechsel ohne direkte Rückkehrmöglichkeit aber auch oftmals Nerven.

Für zusätzliche Strapazen sorgen altmodische Zufallskämpfe, denen man nur bedingt aus dem Weg gehen kann. Die Anzahl ist zwar in jedem Gebiet limitiert, so dass man irgendwann seine Ruhe hat. Bis es soweit ist, vergeht aber mitunter mehr Zeit als man für das Durchforsten des aktuellen Areals überhaupt benötigt. Von Monster abstoßenden oder anziehenden Gegenständen kann man zwar ebenfalls Gebrauch machen, aber leider erst sehr spät.       

Die Kämpfe an sich laufen dieses Mal in Echtzeit ab, werden jedoch pausiert, sobald man sich ins Kampfmenü begibt, wo man zwischen den bis zu drei aktiven Angreifern wechseln, Hilfsgegenstände einsetzen oder Spezialangriffe initiieren kann.

Das Kampfsystem bietet einige interessante Möglichkeiten...
Da man immer nur einen Charakter direkt steuern kann, werden die übrigen Mitstreiter von unbeeinflussbaren KI-Mustern geführt. An deren Kampfverhalten gibt es meistens nicht viel auszusetzen, trotzdem hätte ich mir gewünscht zumindest Ziele individuell zuweisen sowie Offensiv- und Defensivausrichtungen anordnen zu können.

Viel Lärm...

Neben den Angreifern zieht immer auch eine magiebegabte Reyvateil mit in die Schlacht, deren musikalische Unterstützung es geschickt einzusetzen gilt. Während des Kampfgeschehens stimmt sie ein Lied an, dessen Höhen und Tiefen anhand eines Harmographen am unteren Bildrand angezeigt werden. Trifft man einen Gegner, wenn die Welle gerade einen Höhepunkt passiert, richtet man mehr Schaden an und steigert zudem den Pulsschlag der singenden Reyvateil. Deren Aufregung steigt auch, wenn Gegner besiegt oder sie selbst getroffen wird. Allerdings sollte man sie nicht zu lange einem Feindkontakt aussetzen, da sie selbst vollkommen wehrlos und ihre Verteidigungskraft recht bescheiden ist.

Erreicht ihr Pulsschlag einen bestimmten Wert, kann man sie dazu bringen, sich einem Teil ihrer Kleider zu entledigen und die Gruppe mit elementaren Angriffsboni und anderen Eigenschaften zu beseelen. Ihre Aufregung steigt dadurch noch weiter an und kann in Form von Liedmagie jederzeit entfesselt werden, die abhängig von ihrer gegenwärtigen Erregung und Blickrichtung Schaden anrichtet. Auch die schützenden Angreifer können ab einer gewissen Stufe ihren ultimativen Spezialangriff vom Stapel lassen. Entblößt man die Reyvateil zur Gänze und bringt ihr Herz regelrecht zum Rasen, wird es besonders verheerend für den Gegner - vor allem, wenn man die ekstatische Entladung mit entsprechendem Taktgefühl noch zusätzlich in die Höhe peitscht.

...um nichts

Was sich interessant anhört, kommt im Kampfalltag aber leider so gut wie nie zum Einsatz. Die meisten Widersacher sind bereits ausgelöscht, bevor das Herzblut der fröhlich trällernden Reyvateil auch nur ansatzweise in Wallungen gerät.

...doch leider reicht stupides Button-Mashing die meiste Zeit völlig aus.
Selbst das rhythmische Abgleichen seiner Angriffe mit dem Harmographen kann man sich getrost schenken, da es nur Zeit kostet, in der die Kameraden oft längst Kleinholz aus den Gegnern gemacht haben. Erst im letzten Drittel des Spiels trifft man auf Gegner, die man aufgrund physischer Resistenz und massiver Lebensenergie ohne Striptease-Programm kaum klein kriegt. Davor hämmert man quasi einfach nur auf den Angriffsknopf bis alle Angreifer tot sind und achtet währenddessen darauf, dass der wehrlosen Reyvateil niemand zu nahe kommt...

Herkömmliche Spezialangriffe, die nur unnötig an der eigenen Lebensenergie knabbern, kann man dabei genauso außer Acht lassen wie das Wechseln der Charaktere, Abwehrmanöver oder den Einsatz von Heiltränken und ähnlichem. Wer etwas mehr Herausforderung will, kann zwar den Schwierigkeitsgrad anheben, was aber auch nur die Statuswerte der Gegner erhöht und die Kämpfe dadurch lediglich länger und Item-intensiver, aber nicht wirklich spannender macht, so lange man auf seine Abwehr achtet. Selbst seltene Bossgegner bringen eine halbwegs vernünftig ausgerüstete Party kaum in Bedrängnis.    

Charmante Psychospielchen

Was hingegen überzeugt, ist der zum Teil von getroffenen Entscheidungen abhängige Spielverlauf, der nicht nur verschiedene Enden parat hält, sondern auch den Weg dorthin mitunter deutlich verändert. Ein Highlight stellen auch wieder die Tauchgänge in die Seelen der Aoto begleitenden Reyvateil dar.

In den serientypischen Tauchgängen kann man ausrüstbare Elementargeister rekrutieren.
Oft erwarten einen hier zwar nur passive Dialog-Stafetten, die Aufschluss über Ängste und Hoffnungen der Heldinnen geben, aber es gibt auch die ein oder andere nette Überraschung: Mal übernimmt man eine Rolle in einer interaktiven Highschool-Soap, mal gilt es mit passender Truppenwahl einen Psychokrieg zu gewinnen und ein andermal ist man der Held eines Retro-Rollenspiels komplett mit nostalgischen Chiptunes, Textkämpfen und Capslock-Dialogen - einfach charmant!

Leider ist der Unterschied zur restlichen Inszenierung nicht allzu groß, denn in punkto Technik und Präsentation wirkt Ar Tonelico hoffnungslos veraltet. Die Charaktermodelle sind ungemein detailarm, die Animationen geradezu lachhaft und die Spielumgebungen völlig trist und steril. Die hin und wieder durchaus Interesse weckende Story wird fast nur über Standbild-Dialoge mit Portrait-Schablonen erzählt, die nicht einmal durchgehend synchronisiert wurden. Teils setzt die wahlweise englische oder japanische Sprachausgabe sogar mitten in einem Wortwechsel einfach aus. Zudem sind die englischen Texte oft sehr schlampig verfasst und eine deutsche Übersetzung hat man sich gleich ganz gespart. Keine Ahnung warum man dafür über 5 Gigabyte an Daten vor Spielbeginn zwangsweise auf die Festplatte schaufeln muss...

Private Peep-Show

Doch zurück zum Spiel. In den Seelentauchgängen, welche die begleitenden Reyvateils erst über sich ergehen lassen, wenn man in persönlichen Gesprächen genug Vertrauen gewonnen hat,

Auch beim Herstellen neuer Items oder Spezialangriffe braucht man die Unterstützung der Reyvateils.
findet man neben Einblicken die Psyche der Betroffenen auch immer wieder Hyuma genannte Elementargeister, mit denen sich die betroffenen Damen von persönlichen Stripshows flankiert ausrüsten lassen, um neue Lieder und damit verbundene Kräfte zu erlernen. Damit die Hüllen fallen und stärkere Hyuma genutzt werden können, müssen entsprechende Zuneigungsstufen erreicht werden. Hier helfen neben gemeinsamen Ereignissen und Gesprächen natürlich auch passende Geschenke.

Doch die Reyvateil können nicht nur singen und sich ausziehen. Sie gehen einem auch bei der Herstellung von Gegenständen zur Hand, wenn man im Besitz der nötigen Rezepte und Zutaten ist, die man bei seinen Streifzügen erbeuten kann. Auch neue Gesprächsthemen lassen sich an bestimmten Plätzen oder während Kämpfen einsacken.  Charakterpflege und -entwicklung sind zwar recht simpel gestrickt, aber durchaus motivierend - auch wenn die Häufigkeit der Stufenanstiege geradezu inflationäre Ausmaße besitzt. Da weit mehr geredet als gekämpft wird, gleicht sich das aber wieder aus und reinen Anime-Voyeuren wird's sowieso egal sein...  

Fazit

Ar Tonelico Qoga ist wie seine Vorgänger sicher nicht jedermanns Sache: Der schlüpfrig alberne Humor ist teils einfach vorpubertär, die Zufallskämpfe können trotz Begrenzung ziemlich nerven und die Präsentation wirkt geradezu vorsintflutlich. Selbst interessante Elemente wie das rhythmusbasierte Kämpfen sind die meiste Zeit kaum von Bedeutung. Der durch getroffene Entscheidungen beeinflussbare Spielverlauf mit seinen unterschiedlichen Enden weiß hingegen zu gefallen. Auch Charakterentwicklung, Beziehungspflege und Sammelreize halten bei Laune. Gefallen haben mir auch die teils sehr charmant inszenierten, wenn auch oft sehr passiven Seelentauchgänge in verquere Brett- oder Retro-Rollenspiel-Welten. Unterm Strich haben es die Entwickler aber einfach viel zu selten geschafft, ihre Ideen auch spielerisch attraktiv in Szene zu setzen. Schade...

Pro

motivierende Sammelreize
beeinflussbarer Spielverlauf
interessantes Kampfsystem...
originelle Seelentauchgänge

Kontra

oft nervige Zufallskämpfe
altbackene Technik & Präsentation
...das viel zu selten sinnvoll genutzt wird

Wertung

PlayStation3

In Ansätzen interessanter und charmanter, aber auch sehr flacher und altbackener Rollenspiel-Exot.

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