Namen sind Schall und Rauch
Freunde Ancarias! Wenn ihr euch genau wie ich auf erneute Beuteraubzüge in der ursprünglich von Ascaron als Diablo-Konkurrent erdachten Fantasy-Welt gefreut habt: Dann. Kehrt. Um. Denn bereits nach etwa zehn Minuten Spielzeit, die teils mit einer belanglosen Story samt erzwungen witziger Dialoge, teils mit rudimentärer, auf simples Knopfhämmern reduzierter Prügelaction ohne jegliche Beute gefüllt werden, ist eines klar: Sacred 3 hat außer der Fantasy-Welt als Hintergrund und der Seraphim als einer von vier spielbaren Charakteren (bzw. fünf in der Erstauflage) nur noch wenig mit dem gemeinsam, was über Jahre als unterhaltsame Alternative zu den Diablos, Dungeon Sieges und Baldur's Gate: Dark Alliances bekannt war.
Auch wenn vieles nach einem klassischen Hack&Slay-Abenteuer aussieht, muss man viele Abstriche hinnehmen. So gibt es in Ancaria z.B. keine Beute mehr...
Schlimmer noch: Nach den ersten zehn Minuten bleibt bis zum Ende das Gefühl, dass man eigentlich alles schon kennt. Es gibt durchaus interessante Auseinandersetzungen gegen ernst zu nehmende Bosse. In manchen Gebieten muss man Artillerie in verschiedenen Formen ausweichen. Man kann auf der Übersichtskarte nicht nur die nächste Story-Mission in Angriff nehmen, sondern in kleinen Prügel-Abstechern versuchen, sein Reservoir an Heil- und sonstigen Auffüll-Tränken aufzubessern. Und man kann nach Levelaufstieg gegen Gold die wenigen aktiven oder passiven Fähigkeiten bzw. einzelne Ausrüstungsgegenstände aufwerten und dadurch neue Buffs freischalten. Doch nach vier Stunden spielt sich Sacred 3 immer noch genauso wie in den ersten zehn Minuten. Gleiches gilt nach sechs, acht oder zehn Stunden. Weder Mechanik noch Erzähltempo variieren, alles fließt mehr oder weniger gleichförmig vor sich hin. Abhilfe hätten die unterschiedlichen Charaktere schaffen können. Doch bis auf die eine oder andere Spezialfähigkeit und die etwas andere Herangehensweise, die der Bogenschütze fordert, macht es auch hier zu wenig Unterschied, wen man sich herausgepickt hat.
Golden Dynasty Ancaria Axe Warriors
Mit den Spezialfähigkeiten lassen sich die Gegnermassen schnell dezimieren. Allerdings kann jede Figur nur zwei ausrüsten.
Ich habe prinzipiell nichts dagegen, wenn Entwickler neue Wege beschreiten möchten - auch bei bekannten Serien. Nur sollten diese Wege dann auch so weit funktionieren, dass eventuelle Verluste bei wertgeschätzten Mechaniken aufgewogen werden. Für Sacred 3 würde das bedeuten: Die Kämpfe, die man erlebt, sind mechanisch, technisch und dramaturgisch so ausgereift, dass man die ganzen Zugeständnisse wegsteckt, die man angesichts dessen machen muss, was man eigentlich mit dem Namen suggeriert und was man definitiv nicht bekommt. Oder anders: Wenn ich schon auf Beute, offene Welt und relativ freie Charakter-Entwicklung verzichten muss, dann müssen die Auseinandersetzungen in jeder Hinsicht rocken.
Tun sie aber nicht. Mal fühlt es sich an wie ein
Diablo 3 light - nur dass man in Sanktuario innerhalb des Kampfsystems und den Figuren mehr Abwechslung wahrnimmt. Dann wiederum wie ein
Skylanders - mit dem Unterschied, dass Skylanders deutlich besser aussieht, die Figuren sympathischer sind und die Helden springen können. Doch viel zu häufig kommt man sich vor wie in einem isometrischen
Dynasty Warriors: Man drückt die immer gleichen Tasten, kriegt als Ergebnis die immer gleichen Kombos und lässt von Zeit zu Zeit einen von zwei ausgerüsteten Spezialangriffen vom Stapel. Leider flaut der anfängliche Reiz der Kämpfe ähnlich schnell ab wie bei den Tecmo-Koei-Titeln. Da Deep Silver ohnehin die Dead-Island-Lizenz besitzt, wäre man evtl. besser beraten gewesen, hier einen Arcade-Prügler rund um die Untoten zu stricken, als auf Teufel komm raus zu versuchen, Ancaria einer Frischzellenkur zu unterziehen.