Im Test: PS4-Premiere der Rollenspielsaga
Aufeinanderprallende Welten
Eigentlich wollten Schwertkämpfer Fidel Camuze und Freundin Miki Sauvester ja nur ihr Heimatdorf Sthal vor feindlichen Überfällen beschützen. Doch als sie sich aufmachen, um Unterstützung aus der Hauptstadt zu erbeten, gerät ihr mittelalterliches Weltbild durch die Rettung eines kleinen Mädchens aus einem abgestürzten Raumschiffwrack völlig aus den Fugen.
Doch Fidel und Miki bleiben nicht lange allein mit ihren Sorgen. Immer wieder schließen sich Unterstützer und Verbündete ihrer Sache an - eine handvoll sogar bis ans Ende. Und das kommt früher als gewohnt. Denn wer nur der Haupthandlung folgt, kann trotz künstlicher Streckungen wie langwierigem Hin-und-Her-Gelatsche schon nach weniger als zwanzig Stunden das Finale erleben. Das ist sowohl im Vergleich zu früher als auch zu Konkurrenzserien wie Namcos Tales-Saga erstaunlich kurz.
Selbstversorgung gefällig?
Nur gut, dass es auch abseits der erst sehr spät in Fahrt kommenden und zeitlich zwischen Star Ocean 2 und Till the End of Time spielenden Science-Fantasy-Story viel zu tun und zu entdecken gibt. Die zu erkundende Spielwelt ist zwar überschaubar, die einzelnen Schauplätze sind aber angenehm weitläufig und locken mit zahlreichen Rohstoffen, Schätzen und Gegnern.
Waffen, Schmuck oder Rüstungen lassen sich durch nachträgliche Augmentationen sogar noch weiter aufwerten, die verschiedenen Sammel- und Handwerksgeschicke stufenweise verbessern. Mit den dafür nötigen Fertigkeitspunkten kann man aber auch Spezialtalente wie das Knacken von Schlössern, das Anlocken von Gegnern oder das Anliefern zur Neige gehender Hilfsmittel freischalten. Zudem kann man die gesammelten Punkte ins Lernen und Verbessern von Kampfrollen investieren.
Dynamische Geplänkel
Da man in den an Ort und Stelle ausgetragenen und jederzeit pausierbaren Echtzeitkämpfen immer nur ein Gruppenmitglied selbst steuern kann, werden die übrigen den zugeteilten Rollen gemäß von der KI kontrolliert. Im Vergleich zu früheren Episoden setzen sich die Rollenbilder dabei aus weniger, aber dafür komplexeren Verhaltensmustern zusammen, deren Angebot abhängig von den eingesetzten Rollen stetig zunimmt. Jedem Charakter kann man bis zu vier Rollen zuteilen und so z. B. auf Häufigkeit, Stärke und Zielsetzung seiner Aktionen Einfluss nehmen.
Wie gewohnt, kann der aktive Charakter aber auch jederzeit gewechselt werden. Anpassungen an der getragenen Ausrüstung, den zugeteilten Rollen und den bei direkter Steuerung verfügbaren Angriffen sind ebenfalls mitten im Kampf möglich. Mit lediglich zwei Angriffstasten sind die Möglichkeiten zwar eher begrenzt, allerdings werden je nach Drucklänge und Entfernung unterschiedliche Aktionen ausgeführt. Mit einer weiteren Taste kann man zudem ausweichen, verteidigen und mit geschickten Timing kontern. Auch mit diversen Boni aufladbare, individuelle Spezialangriffe (Reserve Rushs) sind mit von der Partie.
Einfache Regeln
Generell wird das Kampfsystem von einem Schere-Stein-Papier-Prinzip getragen, dessen Nutzung nicht zwingend nötig ist, einem das (Über-)Leben aber spürbar leichter machen kann. So lassen sich einfach Angriffe blocken und kontern, Verteidigungshaltungen mit schweren Angriffen knacken und schwere Attacken mit leichten unterbrechen. Bei wenigen Kontrahenten bzw. Mitstreitern funktioniert das dank Zielfixierung und optischer Erkennungshilfen sehr gut.
Auf der anderen Seite ist es aber auch ein willkommener Wechsel, dass im Vergleich zu früher nicht nur eine bestimmte Anzahl an Gruppenmitgliedern, sondern die komplette, bis zu siebenköpfige Party an Kampfhandlungen teilnehmen kann. Manchmal sind sogar noch zusätzliche KI-Verbündete dabei, die man zwar nicht direkt steuern kann, die aber bei größeren Aufeinandertreffen für gelungene Schlachtfeldatmosphäre sorgen. Nur die Kamera verliert sich trotz freier Justierung hin und wieder im Chaos.
Durchwachsene Präsentation
Auch abseits der Kämpfe wirkt die Kameraführung eher unruhig, während Treppchenbildungen, Pop-Ups und Clipping-Fehler leider an der Tagesordnung sind. Mancherorts kommen zudem spürbare Einbrüche bei der ansonsten weitestgehend stabilen Bildrate hinzu. Schade ist auch, dass Sammeltätigkeiten wie Pflanzenernte, Bergbau oder Fischen völlig animationsfrei vonstatten gehen,
Neben der Technik präsentieren sich leider auch Soundkulisse und Charakterdesign recht durchwachsen. Während die eine munter von klassischen Orchesterklängen zu galoppierenden E-Gitarren wechselt, wirken übertrieben marionettenhaft designte Figuren wie Miki im Vergleich zur den meisten anderen Charakteren fast schon wie Fremdkörper. Wer die Barbie-Fratzen aus The Last Hope verkraftet hat, wird aber auch das überleben. Immerhin gibt es nicht auch noch einen stummen Protagonisten als Fremdkörper.
Kein Deutsch
Sämtliche Story-Dialoge wurden vertont, wobei man frei zwischen japanischem Originalton und englischer Synchronisation wählen kann. Ärgerlich ist allerdings, dass man sich im Vergleich zum Vorgänger nur noch englische und französische Übersetzungen geleistet und auf deutsche Untertitel verzichtet hat.
Dafür gefallen die ausbaubare Kartenfunktion sowie die optionalen Kampftrophäen und Gruppenplaudereien (Private Actions), die einem manchmal sogar neue Fertigkeiten bescheren können. Auch der Humor kommt mit albernen Intermezzi wie den Besuchen in Welchs Labor nicht zu kurz. Zudem warten zwei mehrstufige Bonus-Dungeons sowie insgesamt vier Schwierigkeitsgrade darauf, bezwungen zu werden. Gerade die Bosskämpfe sind aufgrund astronomisch hoher Lebenspunkte aber oft einfach nur langwierig. Auch wenn einen der zeitlich und zahlenmäßig sanktionierte Item-Einsatz gelegentlich durchaus ins Schwitzen bringen kann.
Fazit
Angesichts der langen Wartezeit wirkt Star Ocean: Integrity and Faithlessness ungewohnt holprig - und das nicht nur im Hinblick auf die eher schwache Technik, sondern auch in punkto Inszenierung und Dramaturgie. Charakterdesign und Soundkulisse präsentieren sich ebenfalls recht uneinheitlich. Zudem ist das eigentliche Abenteuer ungewohnt schnell vorbei. Im Gegensatz zum letzten Teil gibt es sogar nicht einmal mehr eine deutsche Übersetzung. Trotzdem konnte mich der typische Fantasy-Sci-Fi-Mix auch dieses Mal noch gut unterhalten. Das lag zum einen an der Vielzahl an Aktionsmöglichkeiten, die von handwerklichen Maßarbeiten bis zum Entwickeln hilfreicher Spezialfähigkeiten reichen. Und zum anderen an den dynamischen Echtzeitkämpfen, an denen neuerdings die komplette Party teilnehmen darf. Vor allem die völlig freien Charakterwechsel und neu gestalteten Rollenanpassungen stechen hier hervor. Namcos Tales-Konkurrenz bietet in meinen Augen aber noch immer das deutlich rundere und üppigere Gesamtpaket.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Vergleichsweise kurzer und etwas holprig wirkender fünfter Teil der Action-Rollenspielsaga.
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