Brettspiel-Test: A Few Acres of Snow (Wargame (Konfliktsimulation))

von Jörg Luibl



Publisher: Asmodee
Release:
07.07.2011
Spielinfo Bilder  
Über Buchten, Flüsse und Wege

Man kann also auch gewinnen, ohne den Gegner militärisch unter Druck zu setzen. Man muss allerdings auf der Hut sein, dass nicht plötzlich der Feind vor der Tür steht. Das mag angesichts der Weite der Karte zunächst unwahrscheinlich anmuten, aber schon bald nähern sich Blauröcke und Rotröcke unweigerlich an. Und in der Bewegung zeigt sich eine weitere Stärke des Spiels, denn man kann mit Kanus über die vielen Flüsse, mit Schiffen über Meer und Buchten, mit Karren über die wenigen Straßen fahren – falls man das jeweilige Symbol auf der Karte hat.

Und die Expansion in andere Gebiete ist direkt mit mehr Möglichkeiten verknüpft: Sobald man einen Ort besetzt,kommt die entsprechende Karte zunächst auf den Ablagestapel und wandert beim nächsten Mischen in den Zugstapel. Man erweitert die Aktionsmöglichkeiten seines Decks also parallel zur Erkundung – eine gute Idee.

Natürlich kann man auch Karten ins Deck kaufen oder neutrale ziehen, so dass sich ähnlich wie in Dominion eine Vielfalt an Möglichkeiten ergibt. Die Kehrseite der Medaille: Der Zugstapel wird immer größer und damit sinkt natürlich die Wahrscheinlichkeit, genau die Karte zu ziehen, die man gerade auf der Hand braucht. Dort hat man immer nur fünf Möglichkeiten zum Ausspielen. Aber auch hier sorgt die clevere Spielmechanik für Abhilfe: Zum einen gibt es einen
Die edle Karte ist ein Blickfang, das Artdesign ansonsten schlicht und gut mit zahlreichen Illustrationen. Man braucht keinen all zu großen Tisch.
Die edle Karte ist ein Blickfang, das Artdesign ansonsten schlicht und gut mit zahlreichen Illustrationen. Man braucht keinen all zu großen Tisch.
Reservestapel, wo man Karten quasi für später parken kann – ideal für Truppen, Milizen & Co. Zum anderen kann man überflüssige Karten auch wieder verbannen, um die Effektivität des Decks zu verbessern.

Belagerungen und Überfälle

Man spielt rundenweise, indem man die Aktionen über seine Handkarten ausspielt. Man kann wirtschaften, entwickeln und erobern: Über den Handel mit Pelz, den Verkauf von Karten oder Piraten kann man zu Gold kommen, mit dem man Söldner, Festungen oder Siedler bezahlt.

Man kann neutrale Forts oder Dörfer besiedeln oder aus selbigen Städte machen. Oder man kann gegnerische Orte überfallen sowie Festungen über mehrere Runden belagern. Letzteres wird sehr gut über die Belagerungsleisten abgewickelt, wo sich Angreifer und Verteidiger über das Ausspielen von Militärkarten mehrere Runden beharken. Erst wenn man zwei militärische Punkte Vorsprung hat, nimmt man die Stadt ein.

Das Überfallsystem kann überzeugen: Mit Indianern und Waldläufern kann man auch weiter entfernte Orte über offizielle und geheime Pfade überfallen. Je mehr Karten man dafür einsetzt, desto höher ist die Reichweite für den Überfalltrupp. Der Verteidiger hat zwei defensive Möglichkeiten: Entweder er baut Festungen an der Grenze, die jedes Durchsickern verhindern. Oder er kontert einen Überfall  mit einer Milizkarte oder der betroffenen Ortskarte. So kommt man in einen schönen Fluss von
Der Blick aus der Sicht der Briten: Noch sind die Häfen rund um Boston sicher...
Der Blick aus der Sicht der Briten: Noch sind die Häfen rund um Boston sicher...
Aktion und Reaktion, bei dem man dem Gegner auch mal Karten stibitzen kann: Wenn der Franzose den Priester spielt, darf er dem Briten einen Indianer klauen; dasselbe funktioniert umgekehrt über den Häuptling.

Fazit

Hut ab vor diesem taktischen Gefecht. Es ist schnell erlernt, lässt sich intuitiv spielen und viele Wege führen zum Ziel. Das kommt also heraus, wenn ein Militärhistoriker und ein Dominion-Kenner ein historisches Spiel entwickeln! Eine überraschend authentische Ausgangslage für Briten und Franzosen, die sowohl Handel als auch Nachschub thematisiert. Dazu gelungene Belagerungs- und Überfallmechanismen, die den Kampf um Forts und Siedlungen sehr gut abbilden. Ich bin eigentlich kein Freund von reinen Kartenspielen oder dem Deckbuilding-Ansatz, aber in diesem Fall kann ich nicht widerstehen. Man kann über Reservekarten vorsorgen, seinen Zugstapel gezielt stärken und erweitert parallel zur Expansion seine Aktionsmöglichkeiten. Der Konflikt zwischen Blauröcken und Rotröcken gewinnt angesichts der großen Karte Nordostamerikas nicht nur Brettspielflair, sondern besticht durch sein offenes System und die feinen, aber wichtigen Unterschiede zwischen den Parteien. Man kann defensiv als auch offensiv vorgehen, man kann seine Dörfer entwickeln, mit Überfällen Nadelstiche setzen oder auf breiter Front attackieren. A Few Acres of Snow hat nicht nur ein klasse Artwork, es ist ein wunderbares Spiel für historische Interessierte und Kartentaktiker.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

Braz schrieb am
Bei A Fews Acres of Snow waren es Kleinigkeiten in der Kartenbeschriftung, denn das Wesentliche, der bessere Kräfte-Ausgleich zwischen Briten und Franzosen, wurde in der zweiten Edition schon integriert.
hmm...wollen wir mal so sagen: Der Unterschied zwischen der 1. Edition, die ich mein eigen nenne und der 2. Edition besteht darin, dass es eine aktualisierte Regel gibt und eine Karte (French bateaux) in der 2. Edition nicht mehr vorkommt. Ansonsten sind aber beide Versionen absolut deckungsgleich:
Also -> für Besitzer der Erstauflage: Einfach neue Regel im Netz downloaden und gut is......denn das war`s schon :idea:
Jörg Luibl schrieb am
lordpa hat geschrieben:Schön wäre es wenn ihr etwas mehr Kritik an den Spielen üben könntet.
Das würde ich gerne! Ich liebe Demontagen und Verrrisse. :wink: Aber was soll man machen, wenn man den Ringkrieg so verschlingt, dass sechs Stunden wie ein ICE vorbei rasen?
Es stimmt, dass die Brettspiel-Besprechungen einen positiven Tenor haben. Das liegt daran, dass es sich schon um eine Auswahl der besten Spiele handelt, die ich etwa zwei Mal im Monat empfehle - daher ja Brettspiel-Tipp. Und das wird in Zukunft immer kniffliger, wenn ich mal mit den Klassikern durch bin.
Und was in unserer Liste fehlt: All die Spiele, die ich nicht bespreche! Vieles kommt an, wird gespielt und ist langweilig oder gewöhnlich - da gibt es auch keine Rezension. Dixit und Qwirkle z.B., die letzten Spiele des Jahres, haben mich trotz des interessanten Ansatzes, der bei Letzterem zunächst ein wenig an Ishido auf dem Amiga erinnerte, nicht geschafft. Quebec und Asara ebensowenig wie Thunderstone oder gar Dungeon Lords von einem meiner Lieblingsautoren, Vlaada Chvatil. Hat alles nicht gefunkt.
Die Spiele, die mich neugierig machen und die ich später empfehle, werden genau so intensiv getestet wie Videospiele. Was ich allerdings nicht mache: Das Regelwerk und die Zugfolgen nochmal runterkopieren, denn ich will ähnlich wie bei den Artikeln zu Videospielen vor allem das Spielgefühl einfangen. Selbst diese Empfehlungen sind natürlich nicht perfekt und ich versuche schon, die Ecken und Kanten aufzuzeigen. Wenn etwa die Balance nicht ganz ausgeglichen (Ringkrieg) oder Spielmechanismen etwas unglücklich sind (bei Descent mit Hausregeln zu fixen), die Figurenqualität zu wünschen übrig lässt (Mage Knight lässt grüßen) oder das fade Artdesign abtörnt (Puerto Rico, Burgen von Burgund). Bei A Fews Acres of Snow waren es Kleinigkeiten in der Kartenbeschriftung, denn das Wesentliche, der bessere Kräfte-Ausgleich zwischen Briten und Franzosen, wurde in der zweiten Edition schon integriert.
Vielleicht gibt's...
lordpa schrieb am
Dek0r hat geschrieben:
lordpa hat geschrieben:
Schön wäre es wenn ihr etwas mehr Kritik an den Spielen üben könntet. Es scheint in den Tests fast immer so als ob das Spiel perfekt ist wie es ist. Die Tests heben sich zu wenig voneinander ab sozusagen. Ich hab bei jedem Test das gefühl das das Spiel wie auf mich zugeschnitten ist :D

Genau das wird (vermutlich) nicht passieren. 4Players ist keine Brettspiele Plattform. Hier werden keine Brettspiele gestestet, sondern nur empfohlen. Deshalb lesen sich die Artikl auch so blümchenhaft. ;)
Hast du wohl recht :) das würde auch erklären wieso noch kein Fehlkauf für mich dabei war :)
lordpa schrieb am
ich möchte mich an der stelle mal für die tollen Brettspieltests bedanken! Habt mir schon viele tipps gegeben.
Schön wäre es wenn ihr etwas mehr Kritik an den Spielen üben könntet. Es scheint in den Tests fast immer so als ob das Spiel perfekt ist wie es ist. Die Tests heben sich zu wenig voneinander ab sozusagen. Ich hab bei jedem Test das gefühl das das Spiel wie auf mich zugeschnitten ist :D
trotzdem möchte ich mich nochmal für die tests bedanken. Nimm das oben geschriebene bitte nicht als Kritik sondern als Verbesserungsvorschlag auf :)
mfg Patrick
Jörg Luibl schrieb am
Du meinst sicher The First World War von Phalanx. Da sieht höchstens das Kartendesign von oben so ähnlich aus, aber das war's auch schon. Ist ein Wargame mit einer ganz anderen Spielmechanik. :wink:
schrieb am