Suburbia05.06.2014, Jörg Luibl
Suburbia

Special: Ein Hauch von SimCity am Tisch

Lust auf SimCity am Tisch? Dann könnte Suburbia einen Blick wert sein: Im aktuellen Brettspiel von Ted Alspach (Age of Steam, Ultimate Werewolf) errichtet ihr als Architekt zwar nur einen Vorort, aber müsst dabei sowohl auf gesundes Wachstum als auch Missionsziele achten. Und nicht, dass euch die Konkurrenz das Stadion wegschnappt! Warum der kompetitive Aufbau einer kleinen Stadt richtig Spaß macht, klärt der Test.

Srupelloser Baumagnat am Werk

Okay, die Müllkippe errichte ich unter dem See - so verliere ich keine Bevölkerung. Und direkt daneben werden gleich die Sozialwohnungen gebaut. Das gibt ein fettes Wachstum. Ich freue mich diebisch, als ich das gerade gekaufte grüne Plättchen wie in einem Puzzle an das gelbe Plättchen lege: Hurra, meine Siedlung wächst! Am anderen Ende des Tisches wird eine Augenbraue empört hochgezogen und ein verächtliches "Skrupelloser  Baumagnat!" gezischt...

Suburbia ist komplett auf Deutsch bei Lookout Games erschienen. Es kostet knapp 35 Euro und ist für 1 - 4 Spieler ausgelegt.
Was? Ich baue moralisch nicht korrekt? Ist aber für mich als Architekt gerade das Lukrativste! In Suburbia geht es knallhart zur Sache: Bis zu vier Spieler wetteifern darum, am Ende die bevölkerungsreichste Stadt vorzuweisen. Dabei geht es nicht um Umweltschutz oder sozialen Ausgleich, sondern um die richtige Balance zwischen dem Wachstum an Einwohnern, das wiederum vom eigenem Ruf abhängt, sowie den Einnahmen - so ganz skrupellos darf man es städtebaulich also nicht treiben.

Zwischen Flughafen und Casino

Auf über hundert Gebäudeplättchen sind die Boni und Mali genau vermerkt. Wer z.B. einen Schlachthof, eine Müllkippe, Sozialwohnungen oder ein Casino baut, verliert erstmal an Ruf. Es sei denn, man bettet das Gebäude so geschickt in seine Siedlung ein, dass die Abzüge entweder aufgefangen oder ganz kompensiert werden. Und wenn das nicht klappt, wie beim Casino, kann man über die Mehreinnahmen vielleicht in der nächsten Runde an Ruf gewinnen, wenn man z.B. ein tolles Stadion oder eine Uni baut.

Aber kann man die Gebäude auch kaufen? Man startet mit drei gewöhnlichen Gebäuden und mickrigen 15 Dollar - ein Stadion kostet später satte 16 Dollar!

Mit der Zeit entsteht eine bunte Stadt. Je nachdem, was wo anliegt, gibt es Boni oder Mali.
Wenn es gerade ins Spiel kommt, muss man dafür sogar 26 Dollar bezahlen, denn auf einer für alle Spieler zugänglichen Immobilienleiste sinkt der Preis pro Karte erst mit der Zeit. Gerade zu Beginn muss man also versuchen, seine bei Null stehenden Einnahmen über Wirtschaftsgebäude wie Büros oder Restaurants zu steigern. Außerdem kann man seinen bei eins startenden Ruf über Schulen & Co erhöhen. Diese beiden Werte werden dann pro Runde direkt in Dollar und Bevölkerung umgewandelt.

Gegenseitige Beeinflussung

So entsteht aus den drei Hexfeldern der Startaufstellung schnell ein buntes Mosaik aus grünen Appartements, gelben Firmen, grauen Kraftwerken und blauen Geschäften. Wer Einnahmen und Ruf am effizientesten unter einen Hut bringt und vielleicht als Erster die besten Karten kauft, wird am Ende gewinnen. Aber Suburbia bietet nicht nur temporäre Effekte auf einer Gebäudekarte, sondern auch übergreifende Effekte, die man - natürlich zum Ärger der Wettbewerber - in seine Planung einbeziehen kann.

Spannend ist vor allem der überregionale Aspekt: Wenn mehrere Vororte entstehen, beeinflussen manche eigene auch fremde Gebäude – und umgekehrt. Wer z.B. das Nobelrestaurant in seinem Vorort baut, bekommt zwar drei Dollar zusätzliches Einkommen, aber später immer einen Dollar Abzug, wenn jemand anderes ein Restaurant baut. Ähnliche Effekte bieten Flughäfen, Büros & Co. Man kann Suburbia auch mit einer Zusatzregel gegen einen Roboter inkl. Rangliste alleine spielen. Aber je mehr Leute mitspielen, desto spannender werden diese gegenseitigen Beeinflussungen!

Missionen sorgen für zusätzliche Spannung

Neben der eigenen Bevölkerung und dem Einkommen sollte man die optionalen Ziele nicht aus den Augen verlieren. Einige liegen von Beginn an für alle sichtbar aus, für ein anderes hat man sich verdeckt entschieden. Es gibt 20 Missionen wie etwa die meisten Flughäfen oder Wohnungsplättchen zu besitzen oder die größte zusammen hängende Fläche aus Seen oder Industrie vorzuweisen.

Diese Missionen sorgen für zusätzliche Würze, denn sie können die eigene Stadtplanung beeinflussen, und steigern

Jeder Spieler baut seine Siedlung unterhalb des eigenen Tableaus, auf dem Einkommen und Ruf angepasst werden.
natürlich die kompetitive Spannung: Was, der hat einen See mehr? Also muss ich nachlegen! Und der Wettlauf lohnt sich, denn am Ende des Spiels bekommt man für die Erfüllung nochmal zehn bis zwanzig Bevölkerung zusätzlich. Wer also das universelle und sein eigenes Ziel erfüllt, kann theoretisch auch als Letzter noch an den anderen vorbeiziehen.

Der Kniff mit den Seen und Verdopplungen

Suburbia ist nicht nur leicht zu verstehen und flott zu spielen, sondern besticht mit einigen sehr eleganten Kniffen, die das Bauen und Kaufen taktisch vielseitiger gestalten. Einem maßlosen Turbowachstum wird z.B. über die roten Linien des Spielplans entgegen gewirkt, deren Überschreiten sofort eine Verringerung von Einkommen und Ruf bewirkt - gut für die Balance. Und bei Geldknappheit kann man z.B. auf Seen zurückgreifen: Man darf quasi jederzeit eine ausliegende Immobilie gratis in einen See verwandeln und bekommt nicht nur pro angrenzendem Gebäude sofort zwei Dollar, sondern hat so vielleicht auch eine wichtige Karte eines Wettbewerbers stibitzt - böse Blicke inklusive.

Sehr wichtig ist auch der Einsatz der Verdopplungen: Jeder Spieler darf drei mal statt zu bauen auch eine bestehende Karte mit einem Plättchen versehen, um sie quasi nochmal zu kaufen und ihren Effekt zu verdoppeln. Das kann bei

Neue Gebäude erscheinen in der für alle zugänglichen Immobilienleiste.
einigen Karten sehr lukrative Auswirkungen haben, wie z.B. beim Seegrundstück: Da bekommt man ohnehin schon zwei Dollar zusätzlich pro Gebäude an einem See, woraus dann mal vier Dollar werden - also satte sechzehn Dollar Ertrag , falls man vier Gebäude vorweisen kann.

Was gefällt nicht so gut?

Es gibt wirklich nicht viel zu meckern. Zu Beginn habe ich das Artdesign als etwas steril und dröge empfunden, aber letztlich passt die moderne Illustration mit den grellen Farben zum Thema. Hat man Suburbia einmal verinnerlicht, kann man vielleicht über recht ähnliche Bautaktiken sehr schnell zunächst Geld machen, um dann im letzten Drittel alles in die Gebäude mit Bevölkerungsboni zu investieren. Diese ähnliche Herangehensweise ist allerdings keine Sieg-Garantie. Vor allem nicht, wenn man mit mehreren Leuten spielt, die sich auf einem ähnlichen Level befinden.

Fazit

Suburbia gehört momentan zu meinen Favoriten für unser Brettspiel des Jahres! Warum gibt es eigentlich so wenig Spiele, in denen man eine Stadt errichtet? Hier weht endlich mal wieder ein Hauch von SimCity am Tisch. Das Szenario ist frisch, das Regelwerk klar und die Spielmechanik angenehm durchdacht. Zwar kann man keine Straßen oder einzelne Häuser anlegen, aber auch mit den modularen Gebäudekomplexen lässt sich schnell eine bunte Siedlung errichten. Es macht Spaß, die richtige Balance aus Einnahmen und Ruf zu finden, indem man sein eigenes Mosaik aus Gebäuden baut, die sich gegenseitig beeinflussen. Für Langzeitmotivation und taktische Spannung sorgen drei Elemente: Die effizienten Verdopplungen, die teilweise verdeckten Missionsziele und vor allem die überregionalen Effekte - so können sich die Städte aller Wettbewerber quasi direkt beeinflussen. Suburbia ist ein sehr elegantes, angenehm verzahntes und flottes Aufbauspiel, das wir immer wieder gerne auf den Tisch holen. Man kann es auch alleine oder sehr gut zu zweit spielen; es gibt übrigens auch eine App, die wir allerdings noch nicht testen konnten.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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