Geistig gesundIch kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Anfang 1994 mit zittrigen Fingern eine Diskette in das Laufwerk meines Amiga 1200 schob, auf deren Magnetscheibe sich die Demo
Arte! von der Gruppe Sanity befand. Gerade eben hatte der Postbote ein Paket mit mehreren Disks abgeliefert, die ich vom Nordlicht PD Service, meinem damaligen Stammlieferanten für Amiga Public Domain- und Shareware-Software, sowie Szenedemos, erhalten hatte. So war das damals...
Sanity war seinerzeit eine der berühmtesten Demogruppen und jedes ihrer Werk eine kleine Sensation. Wahrlich nicht verwunderlich, waren doch mit Chaos, Tron oder Mr. Pet einige der begnadetsten Effektcoder überhaupt am Start, von denen einige noch heute im Echtzeitkunst-Sektor aktiv sind. Außerdem hatten ihre Demos immer fantastische Pixelgrafiken zu bieten (Cougar!!!), und die Musik dazu ließ mich grundsätzlich immer ausflippen, Soundmagier Volker Tripp, alias Jester, und meiner, am Amiga angestöpselten Stereoanlage sei Dank.
Gehobenes ProgrammDoch dieses Arte!, das kurz vor Ende des Jahres 1993 auf dem legendären Szene-Event "The Party" veröffentlicht wurde, beim dortigen Amiga-Demowettbewerb nur den dritten Platz belegte und vom stimmberechtigten Publikum wohl - auch aufgrund der starken Konkurrenz wie
Full Moon und
Origin etwas unterschätzt wurde, war anders. Dieses Mal waren es nicht Jester und Cougar, die mich audiovisuell in Extase versetzten. Andere Personen waren dafür verantwortlich, nämlich die neu aufgenommene French Connection um Frederic "Moby" Motte (Musik) und Olivier "Ra" Bechard. Letzter hat mit seinem ungewöhnlichen, völlig abgedrehten aber künstlerisch so wertvollen Grafikstil mal eben die gesamte Demoszene, insbesondere die Logografiken, revolutioniert. Moby hingegen brachte den wahren Funk in diese kreative Computerkunstszene.
Doch zurück zur Diskette, auf welcher dieses Meisterwerk namens Arte! schlummerte und die mir dank Track-Loader-Routine schon nach wenigen Sekunden erste Grafiken und Sounds entgegen schleuderte. Sofort war ich elektrisiert, merkte, wie sich die Haare auf meinen Armen aufstellten und wohlige Schauer meinen Rücken hinab glitten. Dieses Design, diese nahtlosen Übergänge von einem brillant gecodeten, in einer solchen Qualität nie zuvor gesehenen Effekt zum anderen, gepaart mit Grafikpracht und diesen funkigen Gitarrenriffs. Das war neu, das war frisch und schlichtweg eine Sensation, der ich mich bis heute nicht entziehen kann. Und es sollte der Tag werden, an dem sich mein musikalisches Herz den funkigen Grooves öffnete - zum damaligen Zeitpunkt nicht unbedingt eine meiner bevorzugten Musikrichtungen (was sich vier Jahre später beim Drum 'n' Bass, Muffler sei's gedankt, wiederholte. Doch diese Geschichte soll ein andern Mal erzählt werden).
Keiner groovt besserJedenfalls war es Moby, der mir Gitarren- und Bass-Sounds um die Ohren schleuderte, wie ich sie in dieser Qualität noch nie aus dem Paula-Soundchip des Amigas gehört hatte. Livin' Insanity heist das gute Stück, das erste von insgesamt dreien, welches in Arte! Verwendung fand. Ein pefekter Titel, weil ich eben in diesem Moment wahnsinnig glücklich war.
Nach drei Minuten Laufzeit konnte ich dann wieder durchatmen, hatte mich bereits auf einen Endscroller eingestellt. Doch bei Arte! war noch lange nicht Schluss. Nach kurzer Ladezeit zupfte der Mann mit der längsten Matte in der Demoszene schon wieder an seiner Gitarre herum, ließ die Finger über die Klaviertasten fliegen und entlockte seinem Bass, Mobys selbsterklärtes Lieblingsinstrument, diesen Rhythmus, bei dem jeder mit muss. Ich ganz besonders. Auch hier war der Titel des Songs wieder Programm: Elekfunk, absolut elektrisierende Funk-Musik.
Nachdem sich nach etwa siebenminütiger Laufzeit mein Adrenalinspiegel gerade wieder zu senken begann, durfte ich die nächste Überraschung in Form einer Texteinblendung erleben. Diese grandiose Technikfeuerwerk, mit all seinen beeindruckenden Effekten und der Farbenvielfalt, war gar nicht speziell für den 256 Farben unterstützenden, schnelleren Amiga 1200 geschrieben worden, sondern lief auch auf einem Amiga 500!? Ja, Chaos, Pet und Co. waren schon immer wahnsinnig - im positiven Sinne.