Im Test: Der stylische Hexentanz geht weiter
The Witch is back
Man möge mir die englische Überschrift verzeihen, aber manchmal ist die englische Sprache einfach eloquenter in ihren Formulierung und Anspielungen. Ich könnte die Rückkehr von Bayonetta auch mit dem deutschen "Die Hexe ist zurück" feiern, doch diesem Satz fehlt sowohl die Wucht als auch die Doppeldeutigkeit, die sich im auf Witch reimenden englischen Schimpfwort verbirgt und die bezeichnend für die Umbra-Hexe war und ist. Was es denn hier zu feiern gibt? Nun, zum einen, dass es Platinum Games nach beinahe vier Jahren endlich geschafft hat, die Fortsetzung zu dem fantasievollen Action-Spektakel aus dem Jahre 2009 (Japan) bzw. 2010 (Europa) auf die Beine zu stellen. Natürlich mit tatkräftiger finanzieller Unterstützung von Nintendo, nachdem die Finanzierung von Sega scheinbar nicht mehr alleine zu stemmen war. Dass der Publisher im Gegenzug auf einer Exklusivität pochte, ist klar - auch wenn die Hexenfans mit PS3 oder 360 erbost darüber waren, dass Bayonetta auf einem neuen System um die Gunst buhlt.
Abgefahren und sexy wie immer
Ihre nicht unerheblichen Rundungen füllen den Bildschirm, das Objektiv fährt an ihren Beinen oder Armen entlang, nur um kurz darauf an Stellen zu landen, die unbekleidet vermutlich für Schamesröte bei den Spielern und schwarze Balken auf den Screenshots sorgen würden. Sehr bemerkenswert dabei: Sie ist lasziv, ohne sich lächerlich zu machen. Sie kokettiert nach wie vor mit ihrer Sexualität und liefert auch verbal die eine oder andere Doppeldeutigkeit. Auch ohne Hideki Kamiya als Regisseur, der hier nur noch eine beratende Rolle eingenommen hat, bleibt Platinum Games dem Bild treu, das Bayonetta im ersten Teil verkörperte. Allerdings bringt man sie als Figur auch nicht weiter - weder in der Anfangsphase noch über den Rest des Spiels, in dem sie versuchen muss, Jeanne aus der Hölle zu befreien. Ein Unterfangen, für das sie nur begrenzt Zeit hat, so dass das Babysitting für ihren immer wieder auftauchenden Begleiter, den geheimnisvollen jugendlichen Loki (keine Ähnlichkeit zum nordischen Gott) zu einem lästigen Übel wird.
Wankelmütige Erzählung
Die größte Schwäche von Bayonetta 2 ist nicht der im Vergleich zum Vorgänger deutlich reduzierte Schwierigkeitsgrad, der sich in erster Linie an einem großzügigeren Fenster für ein erfolgreiches Ausweichen und damit eingeleitetes Einschalten einer potenten Zeitlupe festmachen lässt. Es ist vielmehr die vor allem in der Anfangsphase schwache Erzählung. Das mag auch daran liegen, dass Bayonetta als Figur bereits durch den Vorgänger etabliert und zu großen Teilen definiert wurde - in erster Linie durch die Interaktion mit den Nebenfiguren wie Cereza und Luka (aka "Cheshire"“). Die konnten ihr zum einen Paroli bieten und zum anderen durch ihre Naivität bzw. Angeberei Seiten an ihr zeigen, die das Profil der Hexe stärken konnten. Davon ist hier erst in der zweiten Spielhälfte etwas zu spüren, wenn noch ein paar weitere Figuren in den Mix geworfen werden. Überhaupt nimmt das Erzähltempo bis zum imposanten Finale beständig zu und entschädigt für die rückblickend verhaltene Anfangsphase.
Der neue Sidekick unternimmt zwar sexuelle Avancen, doch die Spannung, die sich zwischen den beiden aufbaut, kommt in keiner Form an das heran, was Bayo und Cheshire im Vorgänger zu einem per Dialog ausgetragenen Geschlechterkampf aufbauten. Und seine kindliche Seite, die auch immer wieder zum Vorschein kommt, ist nicht
Kämpfen und Quälen - aber mit Stil(us)
Auch ohne die Kenntnis des Vorgängers werden Bayonetta-Einsteiger mit dem Kampfsystem viel Spaß haben. Die Kontrolle über die Hexe ist intuitiv, die Eingaben werden akkurat umgesetzt und binnen kürzester Zeit lässt man über die fantasievoll gestalteten Gegner und ihre Anführer einen Schlag- oder Kugelregen hageln, als ob man nie etwas anderes gemacht hätte. Zudem wird man behutsam und mit ordentlichen Tutorials in die Kampfmechanik eingeführt, neue Waffen, die man an den Armen oder Beinen bzw. Schuhen der Hexe befestigt, kommen erst später hinzu, erweitern dann das Spiel- und Kampferlebnis aber ungemein. Man wird zum Experimentieren aufgefordert und belohnt. Vor allem auch, wenn man sich in den interaktiven Ladebildschirmen aufhält und dort herum probiert, was die
Wie im Vorgänger kann man Waffen größerer Gegner aufnehmen und sie einsetzen, bis ihre Energie bzw. Haltbarkeit "abgelaufen" ist. Und wie man es kennt, kann man über erfolgreiche Nutzung der Hexenzeitlupe die magische Energie auffüllen, die für besondere Folterattacken etc. genutzt werden kann. Es wird natürlich auch nicht auf die Climax-Finisher verzichtet, in denen sich Bayonettas aus Haaren bestehendes Outfit von ihrem Körper abschält und in ein Bildschirm füllendes Monster verwandelt, das den beinahe schon Mitleid erregenden Gegner nach allen Regeln der Kunst malträtiert. Obwohl es auch die Möglichkeit gibt, per Stylus auf dem Gamepad zu spielen, würde ich davon abraten. Es funktioniert zwar ordentlich, doch mehr als eine Verbeugung vor absoluten Anfängern darf diese Option nicht sein, die das Action-Spektakel zu wenig mehr als einem interaktiven Film macht. Bayonetta schreit geradezu danach, mit Stick und Knöpfen oder mit dem Pro Controller gespielt zu werden. Genau wie vor vier Jahren verkörpert sie eine moderne Interpretation klassischer Arcade-Action. Und ich würde mir auch nicht einfallen lassen, z.B. Donkey Kong Country mit Stylus zu spielen – selbst, wenn diese Möglichkeit angeboten würde. Denn auch so ist Bayonetta 2 leichter ausgefallen als der Vorgänger und bietet einem schneller Erfolgserlebnisse als die langhaarige Vorgänger-Hexe.
Viel drin, viel dran
Angesichts der schnellen stilvollen Action, die von einem Effekt-Gewitter angetrieben wird, das die Wii U wie von noch keinem anderen Spiel auszunutzen scheint, kann man viele Kleinigkeiten in Bayonetta 2 übersehen. Damit meine ich nicht nur die Eingänge zu den mitunter knackigen Herausforderungen, die sich in den Muspelheim-Abschnitten verbergen, die das Gegenstück zu den Alfheim-Portalen im ersten Teil darstellen. Auch nicht die anderen sammelbaren Objekte, die teils außerhalb des Spieles Sachen freischalten, teils in der Spielwelt nötig sind, um per Alchemie die Lebensenergie auffüllenden Lutscher herzustellen, die sich Bayonetta immer wieder sinnlich zwischen die Lippen schiebt. Es sind vielmehr die Verbeugungen vor anderen Spielen, die sich nicht nur beim Ankleiden mit einem der Nintendo-Kostüme wie "Held von Hyrule" oder "Galaktischer Kopfgeldjäger" sowie den folgenden Auswirkungen auf die Abschnitte zeigen, in denen man z.B. nicht mehr Heiligenscheine, sondern Rubine oder Münzen aufsammelt. Auch beim Leveldesign zieht Platinum immer wieder den Hut vor Klassikern. In einem Moment ist man mit einem an die Armored-Core-Reihe erinnernden Mech unterwegs, dann wieder jagt man wie in Space Harrier oder AfterBurner durch den Himmel. Die Möglichkeit, sich in Tiere zu verwandeln, kennt man zwar auch schon aus dem Vorgänger, doch hier wie da werden Erinnerungen an Spiele wie Okami oder auch die Castlevania-Reihe wach
Bekannt und anders im Wechselschritt
Ich kann Platinum Games bei der Kreation des Artdesigns keine großen Vorwürfe machen. Bayonetta 2 hat aber dennoch ein großes Problem. Und das hat nicht mit der Plattform zu tun, auf der es erschienen ist und die technisch nicht in der Lage ist, die Ideen der Designer auf den Bildschirm zu bringen - ganz im Gegenteil. Die farbefrohe und Effekt strotzende Kulisse kann sich sehen lassen und ist perfekt geeignet, um zu demonstrieren, dass die Wii U definitiv nicht zum alten Eisen gehört. Vielmehr sorgt der in vielerlei Hinsicht exzellente Vorgänger, der die Messlatte für Artdesign enorm hoch gelegt hat, dafür, dass der zweite Auftritt der Umbra-Hexe nur noch selten für die Wow-Momente sorgt, die Teil 1 prägten. Liegt es daran, dass man manche Abschnitte wieder besucht, die man schon gesehen hat? Teilweise. Liegt es daran, dass selbst neue gegnerische Engelstypen an ihre Kollegen erinnern, die der
Veteranen hingegen nehmen dieses Design als bekannt und gegeben hin - und werden schließlich doch noch angenehm überrascht. Denn die olle Hexe ist dieses Mal nicht nur auf himmlischen Pfaden unterwegs, sondern muss den Weg in die Vorhölle antreten. Und dieses Gebiet nutzt Platinum, um abermals zu zeigen, dass kreatives Level- und Gegnerdesign eine noch nicht ausgestorbene Kunst ist. Es warten neue Farbpaletten, neue Fortbewegungsmethoden und vor allem neue Gegnertypen, von denen einer dämonischer und teuflischer ist als der nächste. Von vielarmigen Derwischen über mechanische Albträume, mehrköpfige Dämonen bis hin zu überdimensionierten Alien-Rochen reicht das Repertoire, das einen in seinen besten (schlimmsten?) Momenten wieder fragen lässt, was die Designer für Zeug eingeworfen haben, um diese Fantasien zu erleben und wahr werden zu lassen - grandios!
Fazit
Beim ersten Teil blieb folgender Eindruck zurück: “Bayonetta ist ein fantasievolles und berauschendes Erlebnis, prall gefüllt mit überbordender visueller Kreativität, sexuellen Andeutungen und atemloser Action.” Auch ohne Hideki Kamiya am Ruder - er war nur in beratender Funktion in die Entwicklung eingebunden - hat die olle Hexe für die Fortsetzung nichts verlernt. Naja, zumindest nicht viel. Denn so spektakulär die Kämpfe weiterhin inszeniert werden und so fantasievoll das Artdesign nach wie vor ist, kann der Kampf gegen die Himmels- und neuerdings auch Höllenscharen nicht mehr die gleiche Euphorie entfachen wie noch der Vorgänger vor gut vier Jahren. An der Technik liegt es nicht: Platinum Games holt mehr aus der Wii U raus, als ich der Nintendo-Konsole zugetraut hätte. Und an absurden Ideen sowie Anspielungen sexueller oder spielerischer Natur fehlt es dem zweiten Hexen-Abenteuer auch nicht. Doch erzählerisch lässt Bayonetta 2 vor allem in der Anfangsphase zu wünschen übrig. Nach fulminantem Einstieg nimmt die Geschichte erst ab etwa der Mitte wieder Fahrt auf, steigert sich dann aber wenigstens kontinuierlich bis zum Finale. Der neue Sidekick Loki schafft es weder, die mütterliche Seite anzusprechen, die im ersten Teil von Cereza aufgebaut wurde, noch sexuelle Spannung aufzubauen. Dafür jedoch gibt es immer wieder Verneigungen vor anderen Videospiel-Klassikern, die in den zahlreichen Easter Eggs und den Nintendo-Kostümen gipfeln. Diese mögen vielleicht nicht ganz in das typische Bayonetta-Schema passen und haben bei mir mitunter für Kopfschütteln gesorgt. Dann wiederum fühlt sich das sehr konsequent an. Nicht nur, weil die Hexe hier auf einer Nintendo-Konsole unterwegs ist, sondern weil sie sich ohnehin nie in eine Schublade stecken lässt. Auch wenn die Fortsetzung insgesamt nicht mehr ganz so viele Überraschungen und Wow-Momente bereithält, gehört Bayonetta 2 zu den besten Action-Titeln dieses Jahres – und das nicht nur auf Wii U, sondern systemübergreifend.
Pro
Kontra
Wertung
Wii_U
Technisch beeindruckende Fortsetzung des Hexentanzes, die allerdings erzählerisch schwächelt. Die stylische Action und das fantasievolle Artdesign werden nach wie vor grandios in Szene gesetzt.
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