Hohe Qualität und niedriges Anforderungprofil
Denn man darf dabei nicht vergessen, dass natürlich auch die spielerischen Qualitäten der Umbra-Hexe immer noch im Überfluss vorhanden sind. Das Kampfsystem z.B. hat weder an Tiefe noch an Zugänglichkeit eingebüßt. Die Kombos fließen aus den Fingern, wobei gerade die für die zahlreichen Feinde verheerendsten Kombinationen viel Übung und gutes Timing erfordern. Wie gehabt kann man in den Ladeschirmen an seiner Koordination feilen und sich die Tastenfolgen anzeigen lassen, um sie sich einprägen zu können. Allerdings wirken die Duelle auf dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden leichter als im Vorgänger. Zur Probe wurde der Einstieg in den ersten Teil nochmals gespielt und siehe da: Der Eindruck täuscht nicht. Der Zeitraum, in dem man die Tasten für die Kombinationen drücken muss, war im Vorgänger deutlich knapper. Auch das Fenster, in dem man per Ausweichen die Hexenzeit (die Bullet-Time der Bayonetta-Welt) aktiviert, ist großzügiger.
Platinum Games hat die Wii U bis auf wenige Ausnahmen im Griff: Die Action wird sauber inszeniert.
Das Ergebnis: Einer der Punkte, der Teil eins auszeichnete, wird deutlich geschwächt. Denn wollte man den Arena-Kämpfen nicht nur möglichst unbeschadet, sondern auch mit einem vernünftigen Kombozähler und damit einer guten Endbewertung entkommen, musste man sich anstrengen. Ganz abgesehen davon, dass Bayonetta ohnehin ab der zweiten Spielhälfte hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades in die Oldschool-Schublade unter "fordernd, aber fair" einsortiert werden durfte. Immerhin: Gegen Ende der für die Vorschau freigegebenen Spielzeit legten die Kämpfe gegen Standard-Feinde und vor allem gegen die Bosse an Anspruch zu. Man war gezwungen, die wieder vorhandenen Lollis zur Stärkung von Fähigkeiten oder zur Heilung einzusetzen. Das gibt Hoffnung, dass sich Bayonetta auch mit ihrer schicken Kurzhaar-Frisur nicht zwangsläufig dem Gelgenheitsspieler anbiedert, dem das Spiel "auf Teufel komm raus" hilft, bis ans Ende zu kommen.
Sperrig und sexy
Doch wer bislang kaum mit Spielen dieser Art in Verbindung gekommen ist, wird angesichts der Sperrigkeit von Themen und Artdesign vermutlich ohnehin kaum Gefallen an dem immerwährenden Konflikt zwischen Gut und Böse finden, der auch hier im Mittelpunkt steht. Von den sexuellen Anspielungen ganz zu schweigen.
Abgesehen vom Schwierigkeitsgrad zeigt die Hexe in der Fortsetzung genau das, was man erwarten konnte.
Denn nicht nur verbal lassen sich immer wieder zweideutige Anspielungen ausmachen, die allerdings bei den deutschen Texten mitunter verloren gehen. Bei den exotischen Kamerafahrten, mit denen in den Zwischensequenzen oder beim Einsatz von Finishern der Körper der Protagonistin eingefangen und ihre Rundungen ins rechte Licht gerückt werden, ist hingegen nichts zweideutig. Hier kokettieren Bayonetta und Platinum Games mit ihrer Sexualität - und das noch stärker als in Teil 1. Die Schwenks, Zooms und Drehungen auf die weiblichen Vorzüge der Hexenanatomie, die mit ihrem katzengleichen Hüftschwung darüber hinaus das Vorhandensein einer Wirbelsäule Lügen straft, gehen weiter als bei ihrem ersten Abenteuer. Und dennoch schafft man abermals das Kunststück, sie nicht sexistisch zu betrachten - allerdings ist zwischen dem, was gezeigt bzw. angedeutet wird und der Grenze des guten Geschmacks mitunter nicht mal mehr Platz für ein Staubkorn. Hier tanzt Platinum auf der Rasierklinge und schafft es hoffentlich bis zum Ende, sich nicht zu verletzen.
Denn wo im ersten Teil die Beziehungen zwischen Bayonetta und den anderen Figuren in den Zwischensequenzen für einen Gegenpol zu den sexuellen Andeutungen sorgten, habe ich hier ausgehend von dem bislang Gesehenen Bedenken. Zwar taucht mit Luka (aka Cheshire) ein alter Bekannter wieder auf, dessen Beziehung zur Hexe sich kaum geändert hat. Doch der neue Sidekick Loki, ein geheimnisvoller Magier, schafft es nicht, neue Verhaltensweisen oder Facetten an Bayonetta zu zeigen - ganz im Gegenteil, es wird dadurch eher eine weitere erotische Ebene hinzugefügt, von der ich trotz der klar vorhandenen selbstironischen Untertöne noch nicht vollends überzeugt bin. Die Dynamik und Spannung zwischen den beiden ist für mich zumindest bis Ende des vierten Kapitels nicht so interessant wie das beinahe mütterliche Verhältnis, das im Vorgänger zwischen der Protagonistin und Cereza aufgebaut wurde. Wobei die Geschichte im Allgemeinen bislang stringenter und mit deutlich weniger Facetten erzählt wird als im Vorgänger.